Streifzüge durch die französische Hauptstadt

Wenn einer Paris kennt, dann ist es Georg Stefan Troller. Der Journalist und Schriftsteller, 1921 in Wien geboren, musste als Jude über Paris nach New York emigrieren und lebt seit 1949 wieder in Paris. Mit seinen als Hörbuch erschienenen "Pariser Geschichten" kann man unter anderem bekannte Straßen kennenlernen, Platz nehmen auf dem Montmartre und das Café Flore besuchen.
"Paris als eine Art Intensiviermaschine, als die Chance, möglichst viel Erlebbares in möglichst kurze Zeiträumen zu verpacken. Denn natürlich ist das Leben flüchtig und kurz wie eine Theatervorführung oder ein Beischlaf. Und der Pariser hält nichts vom Abwarten, nur vom Augenblick."

Warten wir also auch nicht ab, sondern machen uns rasch mit Troller auf den Weg quer durch das alte und ewig junge Paris, das er uns mit seinem Blick offeriert. Dabei wechseln wir mühelos von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück ins Heute. Auf seine häufig benutzte leichte Aufforderung "nun hinüber zu" landen wir plötzlich in Victor Hugos Wohnung und entdecken …

"… schier unbegreiflich der überladene pseudo-mittelalterliche Kitsch, die holzgeschnitzten Riesenmöbel, von ihm entworfen, die angeberischen Wandbespannungen, in denen der Dichter sich wohlfühlte und die er wohl zu seiner Selbsterhöhung benötigte."

Troller berichtet nicht nur vom Egoismus Hugos, der ihm die Eifersucht und schließlich Abkehr seiner Ehefrau Juliette bescherte, nein, er liest auch aus einem Liebesbrief des Dichters vor, mit dem er sie umwarb und zur Rückkehr bewegen wollte – was mit der Erinnerung an ihre erste Liebesnacht auch gelang:

"Diese geheimnisvolle Stunde, die dein Leben verändert hat, in dieser Nacht bist du ins Mysterium eingetreten, in die Einsamkeit und in die Liebe. Kein Wort davon, in was er damals eingetreten ist."

Der Aufprall der Stimmung des romantischen Briefes auf Trollers lakonischen Kommentar, dieser häufige Wechsel zwischen spröder Sachlichkeit und lustvoller Intimität, machen einen Großteil der Stärke dieses Hörbuchs aus. Und auch das: Nie begibt sich der Autor angesichts der zahlreichen Berühmtheiten in eine unterwürfige Haltung des bloßen Bewunderns. Ob er nun über Könige, weltberühmte Künstler oder Stars von heute spricht, immer bewahrt er einen erfrischend ironischen Ton und auch die nötige Distanz.

Die Beziehungen der Menschen zueinander in ihren verschiedenen Facetten, das ist wohl eines der Lieblingsthemen des lebensklugen Reporters. Er erzählt von den unterschiedlichsten Liebesgeschichten quer durch die Jahrhunderte und weiß, nicht jede endet glücklich, so wie die zwischen der Piaf und Moustaki:

"… ihr erster griechischer Hirtenknabe, der ja noch lebt, und immerhin ihr das Chanson "Mylord" schrieb und einer der Wenigen blieb, die ihr je den Laufpass gaben. Telefonat: Ich habe eine Jüngere, zähl nicht mehr auf mich. Worauf Edith alle Ringe, Armbänder, Diamanten, die der Entschwundene ihr geschenkt hatte, zusammenraffte und unter Protest der Umwelt die Klomuschel herunterspülte. Den sind wir los!"

Troller spricht seine Texte selbst. Das bietet den unbestreitbaren Vorzug der Authentizität, denn es sind ja seine Geschichten, er hat sie recherchiert, erlebt, gefunden. Seine Stimme kann einen noch immer in den Bann ziehen, auch wenn sie brüchig ist und an manchen Stellen vernuschelt.

Troller, 1921 in Wien geboren, lebt nach Flucht und Emigration in die USA seit 1949 in Paris. Seit Ende der Fünfzigerjahre berichtete er von dort für Rundfunk und Fernsehen, berühmt wurde sein "Pariser Journal" im WDR. Er schrieb Bücher und drehte Dokumentarfilme über "seine" Stadt. Das Hörbuch ist eine Art "Best of" Texte Trollers, doch es wirkt nicht trocken vorgelesen, sondern wie frisch erlebt und gerade erst aufgeschrieben.

Aber zurück zu den Liebesgeschichten, zum Beispiel zu Romy Schneider und Alain Delon. Ihn beschreibt er mit seinen stichblauen Augen als einen unsympathischen Mann. Nach Romys Tod hat er ihn interviewt und natürlich gefragt:

"Haben Sie je bereut, dass Sie mit Romy …
Ich glaube, wir haben ausgemacht, nicht darüber zu sprechen.
… dass Sie damals mit ihr gebrochen haben? Pause.
Das Leben bestraft einen vielleicht zu Recht.
Wie meinen Sie das?
Ich weiß nicht, ob ich je wieder so gelacht habe wie mit Romy. Wollen wir es dabei lassen?"

Die Momente, in denen Troller seinen Interviewpartnern nahe kommt, sind die wertvollsten auf den zwei Scheiben. So verlockt er den berühmten Pianisten Arthur Rubinstein nach einer kleinen Provokation: "Man nennt Sie einen großen Frauenhelden" zur Aussage:

"Die Frauen, ach ja, sie sind in mich eingeströmt durch sämtliche Poren. Man lernt die Völker ja nur kennen über ihre Frauen, nicht wahr, und möglichst viele."

Eine andere, ebenfalls von Rubinstein stammende Lebensweisheit passt so recht zu der Stadt Paris, aber auch zu Georg Stefan Troller, der bei aller Leidenschaft für all die skurrilen Geschichten, doch auch viel von sich selbst preisgibt:

"Aber es gibt ja nur ein Rezept auf der Welt, sich dem Leben überlassen anstatt gegen das Leben anzuschwimmen. Das ist die ganze Kunst. Man muss lernen, das diesseitige Leben passioniert zu lieben, egal, was es bringt."

Rezensiert von Adelheid Wedel

Georg Stefan Troller: Pariser Geschichten
Hörbuch, Patmos Verlag, 19,95 Euro