Streifzug durch die Geschichte des ökonomischen Denkens
Der Kapitalismus kann die Probleme der Menschheit nicht lösen. Egal, ob Hunger, Armut, Klimawandel – einer kapitalistischen Marktwirtschaft fehlen die notwendigen Instrumente. Genauso gut könnte man den Eisberg bitten, die Titanic zu reparieren. Diesen Vergleich zieht Raj Patel in seinem neuen Buch. Sein Anliegen ist es, Ursache und Wirkung zu benennen und dann Alternativen zu denken.
Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Tatsache, dass wir bereit sind, für Dinge wie Autos, Champagner oder Yachten sehr viel Geld auszugeben. Hingegen gehen wir mit großer Selbstverständlichkeit davon aus, dass die Natur uns unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung steht. Warum messen wir banalen Gegenständen mehr Wert zu als unserer natürlichen Lebensgrundlage?
Um diese Frage zu beantworten, unternimmt Patel, der an der Uni im kalifornischen Berkeley und im südafrikanischen KwaZulu-Natal unterrichtet, einen unterhaltsamen Streifzug in die Ideengeschichte ökonomischen Denkens. Vor allem erzählt er vom Wertparadoxon, das Adam Smith in seinem Buch "Wohlstand der Nationen" beschrieb. Danach müssen der Gebrauchswert und der Tauschwert einer Ware keinesfalls identisch sein.
Um zu zeigen, wie es dazu kam, geht Patel zurück ins England des 17. und 18. Jahrhunderts. Er beleuchtet die Geburtsstunde des Kapitalismus, die nichts anderes als ein staatlich sanktionierter Akt des Diebstahls gewesen sei. Damals gelang es einer cleveren Minderheit, große Teile des Bodens in ihr privates Eigentum zu überführen. Zuvor war er gemeinsames Eigentum der Dorfbewohner gewesen und wurde von ihnen gemeinschaftlich bewirtschaftet.
Mit der Akkumulation des Bodens in den Händen einer privilegierten Schicht war die Grundlage für die kapitalistische Produktion geschaffen. Aus den von ihrem Land vertriebenen Bauern wurden Lohnarbeiter, die in den entstehenden Fabriken ihren Lebensunterhalt verdienen mussten, indem sie ihre Arbeitskraft verkauften.
Lösungen müssen deshalb am Konstrukt des Eigentums ansetzen, fordert Patel: "Was wir brauchen, ist ein flexibles Eigentumskonzept, das demokratischer Willensbildung, Fairness und Nachhaltigkeit grundsätzlich den Vorrang vor Eigentum und Märkten einräumt." Er plädiert für eine Rückbesinnung auf gemeinsam genutzte Allmende. Und macht deutlich, dass dies seit längerer Zeit weltweit geschieht: kleinteilig, in unzähligen lokalen Initiativen. Das macht es schwer, ein realistisches Bild von dieser Entwicklung zu zeichnen.
Patel versucht sich diesem Bild anzunähern, indem er Initiativen rund um den Globus beschreibt: von der Bewegung der Barackenbewohner in Südafrika über die mexikanischen Zapatistas bis zum Zusammenschluss von Bäuerinnen im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh.
Letztlich gehe es allen darum, die herrschenden Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. Bei dieser Beschreibung fehlt Patel allerdings die Distanz; der kühl analysierende Ökonom schlüpft zunehmend in die Rolle des sympathisierenden Aktivisten. Das irritiert – zumal wegen des Pathos, in das er zunehmend verfällt.
Besprochen von Uli Müller
Raj Patel: The Value of Nothing. Was kostet die Welt?
Aus dem Amerikanischen von Richard Barth
Riemann, München 2010
288 Seiten, 17,95 Euro
Um diese Frage zu beantworten, unternimmt Patel, der an der Uni im kalifornischen Berkeley und im südafrikanischen KwaZulu-Natal unterrichtet, einen unterhaltsamen Streifzug in die Ideengeschichte ökonomischen Denkens. Vor allem erzählt er vom Wertparadoxon, das Adam Smith in seinem Buch "Wohlstand der Nationen" beschrieb. Danach müssen der Gebrauchswert und der Tauschwert einer Ware keinesfalls identisch sein.
Um zu zeigen, wie es dazu kam, geht Patel zurück ins England des 17. und 18. Jahrhunderts. Er beleuchtet die Geburtsstunde des Kapitalismus, die nichts anderes als ein staatlich sanktionierter Akt des Diebstahls gewesen sei. Damals gelang es einer cleveren Minderheit, große Teile des Bodens in ihr privates Eigentum zu überführen. Zuvor war er gemeinsames Eigentum der Dorfbewohner gewesen und wurde von ihnen gemeinschaftlich bewirtschaftet.
Mit der Akkumulation des Bodens in den Händen einer privilegierten Schicht war die Grundlage für die kapitalistische Produktion geschaffen. Aus den von ihrem Land vertriebenen Bauern wurden Lohnarbeiter, die in den entstehenden Fabriken ihren Lebensunterhalt verdienen mussten, indem sie ihre Arbeitskraft verkauften.
Lösungen müssen deshalb am Konstrukt des Eigentums ansetzen, fordert Patel: "Was wir brauchen, ist ein flexibles Eigentumskonzept, das demokratischer Willensbildung, Fairness und Nachhaltigkeit grundsätzlich den Vorrang vor Eigentum und Märkten einräumt." Er plädiert für eine Rückbesinnung auf gemeinsam genutzte Allmende. Und macht deutlich, dass dies seit längerer Zeit weltweit geschieht: kleinteilig, in unzähligen lokalen Initiativen. Das macht es schwer, ein realistisches Bild von dieser Entwicklung zu zeichnen.
Patel versucht sich diesem Bild anzunähern, indem er Initiativen rund um den Globus beschreibt: von der Bewegung der Barackenbewohner in Südafrika über die mexikanischen Zapatistas bis zum Zusammenschluss von Bäuerinnen im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh.
Letztlich gehe es allen darum, die herrschenden Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen. Bei dieser Beschreibung fehlt Patel allerdings die Distanz; der kühl analysierende Ökonom schlüpft zunehmend in die Rolle des sympathisierenden Aktivisten. Das irritiert – zumal wegen des Pathos, in das er zunehmend verfällt.
Besprochen von Uli Müller
Raj Patel: The Value of Nothing. Was kostet die Welt?
Aus dem Amerikanischen von Richard Barth
Riemann, München 2010
288 Seiten, 17,95 Euro