Streit in der Koalition

Flüchtlingszahlen reduzieren, aber wie?

Ein Polizist streckt den Arm aus und weist Flüchtlingen den Weg
Ein Bundespolizist weist Flüchtlingen in der Nähe der Clearingstation in Passau den Weg zu einem Zug © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Von Stefan Maas |
Die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge soll deutlich reduziert werden. Wie dies geschehen soll, darüber streiten SPD, CDU und CSU aber heftig: Obergrenzen, Tageskontingente, Grenzzentren oder gleich ein ganz neues Einwanderungsgesetz?
Angela Merkel hat ihr Ziel für dieses Jahr festgesteckt: Eine spürbare Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Über das "Wie" wird allerdings heftig und öffentlich diskutiert – vor allem auch in der Union selbst. Die CSU möchte Obergrenzen, die wahlkämpfende CDU-Vize Julia Klöckner schlägt in einem Papier Tageskontingente und Grenzzentren vor. Auch die SPD möchte die Flüchtlingszahlen reduzieren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft spricht sich – wie die Kanzlerin - für eine europäische Lösung statt nationaler Alleingänge wie Grenzschließungen aus. Im Interview der Woche des Deutschlandfunk sagte Kraft:
"Das ist nicht Länderpolitik, dafür zu sorgen, dass es in Europa ein solidarischeres Umgehen mit der Flüchtlingsfrage gibt. Das beschwert mich als Europäerin. Ich bin überzeugte Europäerin. Ich glaube, wir sind eine Wertegemeinschaft, wir sind nicht nur ein Raum, in dem freier Handel betrieben wird. Ich möchte gerne, dass die Binnengrenzen wegbleiben."
Von der Kanzlerin erwarteten die Sozialdemokraten allerdings auch, dass sie für eine klare Linie in der Flüchtlingsdebatte sorgt. Der Welt am Sonntag sagte SPD-Generalsekretärin Katharina Barley, Angela Merkel dürfe es nicht zulassen, dass unter dem Streit innerhalb der Union die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung leide. Ständig neue, nicht praktikable Vorschläge aus den Reihen der Union schafften kein Vertrauen. Justizminister Heiko Maas bezeichnete den Streit zwischen CDU und CSU als Förderprogramm für alle Populisten und Protestparteien. Den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte der SPD-Politiker, die Union müsse jetzt so schnell wie möglich den Weg für das Asylpaket 2 freigeben. Mit diesem Paket, das eigentlich schon Ende des vergangenen Jahres beschlossen werden sollte, sollen unter anderem schnellere Asylverfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen möglich werden. In der Koalition herrscht aber Uneinigkeit bei bestimmten Punkten, etwa beim Thema Familiennachzug. Weil Union und SPD jeweils der anderen Seite Blockade vorwerfen, wies CDU-Generalsekretär Peter Tauber die Kritik der SPD zurück und rief die Sozialdemokraten auf, sich bereit zu erklären Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.
Im Januar kamen 2000 Flüchtlinge nach Deutschland
Um auch Migranten aus diesen Nicht-Kriegsländern eine Möglichkeit zu geben nach Deutschland zu kommen, sprach sich NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erneut für ein Zuwanderungsgesetz aus:
"Wir brauchen dringend ein Zuwanderungsgesetz. Denn viele, die zu uns kommen, die wollen ja gar nicht Asyl im eigentlichen Sinne, die suchen neue Perspektiven. Die sind zum Teil auch gut ausgebildet, wenn sie aus afrikanischen Ländern kommen. Die wollen hier ihre Leistungskraft einbringen in unseren Staat. Und dafür haben wir viel zu geringe Möglichkeiten. Wir haben kein Zuwanderungsgesetz, das verhindert CDU/CSU."
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, CSU, kündigte unterdessen in der Bild am Sonntag an, die Bundesregierung werde wegen der Flüchtlingskrise die Entwicklungshilfe für die Türkei aufstocken. Von 36 Millionen auf 50 Millionen Euro. Mit dem Geld sollen vor allem im türkischen Grenzgebiet Schulen, Ausbildung und kommunale Infrastruktur aufgebaut werden, um dazu beizutragen, den inzwischen rund zweieinhalb Millionen syrischen Flüchtlingen in der Türkei eine Perspektive zu geben. Die EU und die Türkei haben ein Abkommen geschlossen, damit das Land Flüchtlinge nicht weiterhin ungesteuert Richtung EU ziehen lässt. Bislang aber stockt die Umsetzung.
Weil die europäische Lösung bisher ausbleibe, müssten parallel zu den international Verhandlungen auch Maßnahmen an den eigenen Grenzen umgesetzt werden, sagte der Chef des Unionsparlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten und stellte sich damit hinter die Forderungen von CDU-Vize Julia Klöckner.
Laut Bundesinnenministerium kamen im Januar rund 2000 Flüchtlinge täglich an den deutschen Grenzen an, insgesamt rund 46.000. Die Erfassung läuft laut Innenminister de Maiziere inzwischen deutlich besser. Die Polizei kann täglich rund 3500 Flüchtlinge grenznah erfassen, bevor sie auf die Bundesländer verteilt werden.
Wie die Bild am Sonntag berichtet, wurden bisher im Januar auch deutlich mehr Menschen an der Grenze abgewiesen. Waren es im Oktober 2015 noch 400 insgesamt, waren es in diesem Monat bislang etwa 2000.
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