Daniel Hornuff, geboren 1981, vertritt derzeit eine Professur für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik, Komparatistik, Kunstwissenschaft und Philosophie, promovierte er 2009 und habilitierte er sich 2013. Er hatte zahlreiche Lehraufträge inne und legte etliche Publikationen zu Themen der Kunst- und Bildwissenschaft sowie zur Kulturgeschichte vor.
Wer die neue Rechte ignoriert, macht sie stark
Die Ausgrenzung der Neuen Rechten ist kontraproduktiv, meint der Kunsthistoriker Daniel Hornuff. Es sei höchste Zeit zum Umdenken. Er plädiert für eine Auseinandersetzung mit reaktionären Positionen – auch in Theatern und Hörsälen.
Für überraschend viele ist die Lage überraschend klar: Mit Rechten, Reaktionären, Nationalisten, mit Identitären und Ultra-Konservativen spricht man nicht. Jedenfalls und schon gar nicht in einem intellektuellen Rahmen: Nicht auf Podien in einem Züricher Theater, nicht in einem Magdeburger Hörsaal, nicht an manchen liberalen amerikanischen Universitäten.
Die Einwände, die zur Begründung genannt werden, sind durchaus bedenkenswert. Angemahnt wird, dass jede öffentlich geführte Auseinandersetzung bereits eine Legitimation darstelle. Jemanden von rechts außen auf ein Podium zu setzen, wird als Akt der Nobilitierung eingestuft. Hinzu kommt, dass man rechten Polit-Akteuren eine besondere rhetorische Raffinesse attestiert – so, als sei ihrer Demagogie ohnehin kaum jemand gewachsen. Die öffentliche Auseinandersetzung mit ihnen zu verhindern heißt demnach, ihren politischen Landgewinn zu begrenzen.
Siegestrunkene "Diskurs-Opfer"
Soweit die Theorie. In der Praxis lässt rechte Populisten nichts mehr frohlocken, als bei Veranstaltungen gestört, boykottiert oder gleich ganz ausgeschlossen zu werden. Siegestrunken präsentieren sie sich als Unterdrückte, denen die Stimme genommen wird, als Diskurs-Opfer. Und fahren damit den größtmöglichen Gewinn ein, den die mediale Ökonomie der Aufmerksamkeit auszuschütten hat.
Darüber hinaus stellt sich eine strategische Frage. Wer öffentliche Auseinandersetzungen unterbindet, kann nicht mehr eindeutig demonstrieren, worin sich seine Mittel von denen des Gegners unterscheiden. Denn ein Boykott von Andersdenkenden ähnelt jenen Methoden, mit denen der Totalitarismus seinerseits Andersdenkende bekämpft. So beginnen sich widersprechende Haltungen methodisch anzugleichen.
Und nicht zuletzt: Wer andere vom Diskurs ausschließt, bietet ihnen die ultimative Gelegenheit, sich als homogene Einheit zu erfahren. Der Erfolg der AfD beruhte in ihrer Gründungsphase wesentlich auf dem dialektischen Effekt des Boykotts: Indem fast alle deutschen Spitzenpolitiker die öffentliche Auseinandersetzung mit ihr mieden, trugen sie aktiv dazu bei, die bis heute in sich völlig widersprüchliche AfD als geschlossene Kraft im politischen Bewusstsein zu verankern. Kaum etwas schweißt mehr zusammen, als kollektiv ignoriert zu werden.
Wer boykottiert, tut das Gute?
All dies zusammengenommen zeigt: Der Boykott ist die denkbar effektivste Form, um das Gegenteil der guten Absichten zu bewirken. Denn was ist das Boykottieren anderes als eine besonders bequeme Form des politischen Ablasshandels? Erkauft man sich mit einem Boykott nicht immer auch ein Stück guten Gewissens? Zugespitzt: Wer boykottiert, tut das Gute, indem er nichts tut – und muss sich nicht in die mühevollen und oft deprimierenden Niederungen einer direkten Auseinandersetzung begeben.
Andersdenkende Widerlegen
Weltweit reüssieren rechte Kultur-Chauvinisten. Und noch immer wird geglaubt, ihr Erstarken durch Ausblenden eindämmen zu können. Betrachten wir die Dinge doch bei Lichte – und gestehen wir uns ein, dass ein bloßes Boykottieren ebenso wohlfeil wie kontraproduktiv ist. Aktuell sind es fast nur rechte Schreihälse, die die politischen Themen und Methoden setzen. Es steht schlicht zu viel auf dem Spiel, um ihnen das Spielfeld zu überlassen.
Wechseln wir uns also endlich ein. Machen wir deutlich, dass wir uns zum Pluralismus nicht nur bekennen, sondern ihn gerade dadurch leben, indem wir Andersdenkende einschließen und widerlegen. Ersetzen wir den Boykott durch öffentlichen Streit – und praktizieren wir, was uns eine offene Gesellschaft tatsächlich wert ist.