Streit um das Jüdische Museum in Köln

Von Christine Heuer |
Die Kölner streiten über die Bebauung ihres Rathausplatzes. Über den Resten von Synagoge und Mikwe soll dort ein "Haus und Museum Jüdischer Kultur" entstehen. Der Rat hat es so beschlossen, der Entwurf eines angesehenen Saarbrücker Architektenbüros hat den daraufhin ausgelobten Wettbewerb gewonnen - da legt OB Fritz Schramma plötzlich Einspruch ein.
Am liebsten wäre ihm nun, das Museum entstünde an einem anderen Ort. Der Kölner Stadtanzeiger findet das auch und hat eine Kampagne gestartet. Die Kölner sind in Aufregung und möchten dringend ihren alten Rathausplatz behalten - ohne jüdisches Museum. Seit dem 16. Juli werden die Entwürfe für die Bebauung der Öffentlichkeit gezeigt, um eine breite Debatte zu ermöglichen. Am 28.8. wird der Rat der Stadt Köln endgültig über die Bebauung entscheiden.

Freitagnachmittag vor dem Historischen Rathaus in Köln. Drinnen wird im Halbstunden-Takt standesamtlich geheiratet, draußen danach mit Sekt oder Kölsch angestoßen.

Ein fröhlicher Moment an dem Ort, über den die Kölner seit Wochen erbittert streiten. "Rathausplatz" nennen sie die abschüssige Freifläche liebevoll. Spötter sagen "verhübschte Nachkriegsbrache" dazu. Denn ein "Platz" wurde das stets bebaute Areal erst durch das Bombardement Kölns im Zweiten Weltkrieg. Der Stadt war das Gelände zwischen Juden- und Portalsgasse nicht einmal einen offiziellen Namen wert. Was macht einen Platz eigentlich zum Platz? Was ist das überhaupt?

Bürger: "Ein Platz? Ein Platz ist für mich eine Umgebung, wo Menschen sich aufhalten, wo Menschen sich wohl fühlen, wo Menschen sich versammeln."
"Eine größere Fläche, die umrandet ist mit Gebäuden."
"Ein Rathaus gehört dazu."
"Sauberkeit sollte auf dem Platz sein, aber nicht maßlos übertrieben."
"Ambiente, mit Licht oder Blumen oder so gestaltet."
"Sitzmöglichkeiten, ein Brunnen, noch mehr Sitzmöglichkeiten, eine Wiese und etwas, wo Kinder spielen können. Und Bäume, Bäume! Ganz wichtig, Bäume!"
"Er sollte auch wirklich Platz haben in der Mitte, da sollte Platz sein, nicht mit Bäumen bewachsen oder sonstirgendwie."
"Dass sich mal ein paar Leute hier aufhalten könnten, das wäre die Definition."

Auf dem Rathausplatz hält sich, wenn nicht gerade geheiratet wird, selten jemand auf. Allenfalls Touristen verharren dort kurz, auf ihrem Weg zum Rathaus oder zum benachbarten Walraff-Richartz-Museum, Kölns erster Adresse für europäische Kunst vom 13. bis zum 20. Jahrhundert. Und mit den Touristen kommen die Stadtführer.

"Ja, meine Damen, meine Herren, kommen Sie ein bisschen näher zu einem Platz, der uns im Moment in Köln ganz besonders bewegt. Es ist der Rathausplatz, der in mittelalterlicher Zeit keineswegs der Platz des Rathauses war, sondern die Fläche des heutigen Platzes war bebaut mit Gebäuden des jüdischen Lebens in unserer Stadt. Eine Synagoge war dabei, ein Gästehaus, es war ein Tanzhaus genauso wie ein Backhaus dabei, ein Reinigungsbad, das sogenannte Mikwe-Bad. Und die Juden mussten unsere Stadt im Jahre 1424 verlassen."

Nach der Mikwe wird seit einem Jahr die Synagoge unter dem Rathausplatz ausgegraben. Über den Großteil des Geländes spannt sich ein weißes Zelt. Darunter ein tiefes Loch, in dem junge Wissenschaftler bohren, klopfen und kehren. Am Rande der Ausgrabung steht mit leuchtenden Augen Sven Schütte, Direktor der "Archäologischen Zone Köln".

"Wir sehen einmal die sogenannte Männer-Schul, die Männer-Synagoge, da vorne, etwa so elf mal 15 Meter groß. Dann haben wir so einen kleinen Vorhof, und dann ist da die Frauen-Synagoge, wobei die Männer-Schul mit der Frauen-Schul verbunden war. Und ganz links, da etwa, wo die Scheinwerfer stehen, da befand sich der Aron ha-kodesch, also der Thora-Schrein, eine Nische in der Wand, durch eine Tür mit einem prächtigen gotischen Aufbau verschlossen, wo die Thora-Rollen lagen."

Die Kölner jüdische Gemeinde war die älteste nördlich der Alpen. Ihre Zeugnisse reichen bis 321 zurück. Mikwe und Synagoge sollen ab 2010 Besuchern zugänglich sein, im Rahmen der von NRW bezuschussten "Archäologischen Zone": einem unterirdischen Museum, in dem auf 7000 Quadratmetern Fläche die steinernen Zeugnisse der Kölner Stadtgeschichte seit der Antike begehbar sein werden.

Gleichzeitig sind die Gebäude aber auch das Herzstück im geplanten "Haus und Museum der jüdischen Kultur". Ein Förderverein möchte es für 15 Millionen Euro bauen - auf dem Rathausplatz.

"Dies hat sehr viele Dispute in Köln ausgelöst, weil einige
meinen, dieser seit vielen Jahrzehnten hier auch gestaltete
Platz müsse als Platz weiter erhalten bleiben."

Bürger: "Furchtbar! Ganz schlimm! Das war ein vernünftiger Platz, so etwas brauchen wir hier, meines Erachtens. Unmöglich!"
"Gerade auch, weil diese ganzen Hochzeiten, alles wird hier gefeiert. Und dann direkt mitten auf den Platz!"
"Da kann man gewissermaßen so ein Glas-Dings machen, oder wie ein Pilz, wo man reingucken kann. Ich baue nicht unnötigerweise Plätze zu!"
Der Protest ist gewaltig. Aber er brach spät los. Und überraschend. Denn der Stadtrat hat das Museum auf dem Rathausplatz schon vor zwei Jahren beschlossen. Es gab einen Architektur-Wettbewerb, an dessen Ende sich die Jury fast einstimmig für den Entwurf der angesehenen Saarbrücker Architekten Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch entschied: einen massiven Bau mit lichter Sandstein-Glas-Fassade, der den Rathausplatz nahezu füllen würde.

Das Museum soll über Mikwe und Synagoge in seinem Erdgeschoss errichtet werden. Das macht den Entwurf einzigartig. "Fast genial, poetisch, harmonisch", schwärmt bis heute Kölns Baudezernent Bernd Streitberger.

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma, Mitglied der Jury, zeigte sich unmittelbar nach der Entscheidung "dankbar und froh über die sehr gelungene Lösung". Ein paar Tage später fand er den Entwurf dann plötzlich gar nicht mehr gut. Was liegt zwischen Schrammas Lob und Schrammas Tadel?

"Dazwischen liegt die Zeit des Studierens der Pläne. Ich hab' die ja nun nur ganz wenige Minuten zunächst einmal zur Kenntnis genommen."

Beim genaueren Hinsehen fand der OB den Bau zu groß, die Sichtachsen auf Rathaus und Wallraf-Richartz-Museum verbaut, die Finanzierung nicht gesichert. Neuerdings bangt er auch um die Landesmittel für die "Archäologische Zone". Es geht um zwölf Millionen Euro, die aber nur fließen, wenn bis 2010 bedeutende Teile des Projekts fertig sind.

In der Kölner Debatte wurde aus dieser allgemein gehaltenen Bedingung unversehens die konkrete Forderung, Synagoge und Mikwe müssten binnen zwei Jahren schützend überbaut werden. Das Museum als Schutzbau sei bis 2010 aber nicht fertig, sagt Fritz Schramma und folgert, "Archäologische Zone" und Jüdisches Museum müssten entkoppelt werden. Der Sieger-Entwurf tut das genaue Gegenteil: Er verbindet beide Projekte absichtsvoll miteinander.

"Das macht mir allerdings Sorgen, das habe ich allerdings auch erst ein paar Minuten nach dem direkten Jury-Urteil mitgeteilt bekommen. Das war mir zunächst anders dargestellt worden. Insofern ist es kein Widerspruch, sondern erst eine Erkenntnis, die einige Minuten später erst erfolgte, nach dem ersten Statement."

Schrammas neue Erkenntnis deckt sich allerdings nicht mit den Vorgaben des Landes. NRW verlangt gar nicht, dass Mikwe und Synagoge 2010 fertig sein müssen. Köln kann, um in den Genuss der Landesmittel zu kommen, in zwei Jahren auch andere Bestandteile der "Archäologischen Zone" präsentieren. Fritz Schrammas Baudezernent Bernd Streitberger kennt die Vorgaben aus Düsseldorf genau. Und formuliert Alternativen:

"Das gibt es ja auch in vielen anderen Fällen, dass Baustellen auch Schaustellen sein können. Und es ist ein sehr hübscher Gedanke, dass wir bis 2010 sehr wohl die Eingangssituation vom Alter Markt aus schaffen können, dass wir dort Verbindungen herstellen können, dass wir auch weiter arbeiten können und gleichzeitig präsentieren können. Das, glaube ich, sind Ideen, die man wirklich so verfolgen sollte. Und das ist auch ein Pfad, der noch realistisch ist für das Jahr 2010."

Es regnet. Den Rücken zum Rathaus steht unter einem Schirm der Architektur-Redakteur Rainer Schützeichel und blickt auf den trostlos wirkenden Platz, von dem manche Kölner schwärmen, er habe das Zeug, mediterranes Flair zu entwickeln.

"Äh, ja. Da frag’ ich mich jetzt gerade, wenn ich mich umblicke, wo das herkommen könnte."

Woher Fritz Schrammas plötzlicher Sinneswandel kommen könnte, dazu fällt Rainer Schützeichel leichter etwas ein:

"Natürlich ist es eine Vermutung, aber ich denke, es ist eine begründete Vermutung, dass Herr Neven-Dumont versucht, Politik zu machen und Politik zu beeinflussen damit, dass er die Bebauung versucht zu verhindern, einfach aus dem Grund, dass er zum einen Herausgeber des Stadtanzeigers ist, zum anderen im Stifterrat Vorsitzender des Wallraf-Richartz-Museum ist, und da fürchtet er vielleicht eine Konkurrenz durch ein zweites Museum hier am Ort."

Alfred Neven-Dumont ist in Köln ein mächtiger Mann. Nach dem Jury-Entscheid konnte man im von ihm verlegten Kölner Stadt-Anzeiger vielerlei gegen den Bau auf dem Rathausplatz lesen. "Ein Museum am falschen Platz" urteilte das Blatt und montierte den Grundriß rot-weiß schraffiert in eine Luftaufnahme. Seitdem sind die Kölner alarmiert.

Andreas Blühm war das schon vorher. Blühm ist Direktor des Wallraf-Richartz-Museums. Er war beratendes, nicht stimmberechtigtes Mitglied der Wettbewerbs-Jury. Hätte er den Sieger-Entwurf gewählt?

"Nein, hätte ich nicht."

Der Entwurf lasse dem Wallraf-Richartz-Museum zu wenig Luft, findet sein Direktor. Gegen ein Gebäude, bei dem das anders wäre, hätte er aber nichts. Und das, obwohl der Stifterrat seines Hauses, dem Alfred Neven-Dumont vorsitzt, sich schon vor Jahren gegen eine Bebauung des Rathausplatzes ausgesprochen hat.

"Ja, da darf jeder seine Meinung haben. Meine Meinung ist ja auch durchaus unabhängig von der Äußerung des Stifterrates, dass man überhaupt nicht bauen soll. Ich habe immer - auch zu Herrn Neven-Dumont und dem Stifterrat - gesagt: Ich bin nicht gegen eine Bebauung. Also, wir sind alle erwachsen genug, um auch unsere eigene Meinung zu bilden."

Kölns Oberbürgermeister möchte nächstes Jahr wiedergewählt werden. Er hat sich der Meinung von Stifterrat und Bürgermehrheit angeschlossen. Auch Fritz Schramma wäre es am liebsten, es würde gar nicht gebaut auf dem Rathausplatz. Mit Alfred Neven-Dumont habe das aber nichts zu tun.

"Ich habe keine einzige Silbe mit Herrn Neven-Dumont gesprochen, übrigens schon seit einem halben Jahr nicht, und wehre mich auch dagegen, dass das immer wieder unterstellt wird. Es gibt weder einen Brief von Herrn Neven-Dumont an mich, noch irgendeine mündliche Äußerung. Das hat mit der Thematik überhaupt nichts zu tun, sondern ich spreche mit den Kölner Menschen, mit den Bürgern und Bürgerinnen tagtäglich."

Und mit denen diskutiert der OB seit Wochen Alternativen. Auch solche, die es gar nicht gibt. Zum Beispiel glaubten die Kölner lange, ihr Rathausplatz bleibe ohne Museum eine Freifläche. Es dauerte, bis Fritz Schramma öffentlich einräumte, Mikwe und Synagoge müssten auf jeden Fall überbaut werden. Um Veränderungen komme man also nicht herum.

Eine andere Schein-Lösung verfolgt der Oberbürgermeister indes weiter. Sie lautet: Die Alternative zum Museum auf dem Platz sei kein Museum auf dem Platz. Das Haus der Jüdischen Kultur, schlägt Schramma vor, könne auf einem Gelände neben dem Rathausplatz entstehen.

"Der Petersdom ist errichtet worden auf dem Grab von Peter, die Pauluskirche in Rom auf dem Grab vom Heiligen Paulus, und wenn wir noch höher gehen, ist die Grabeskirche in Jerusalem auf dem Grab Christi erbaut worden. Und nicht daneben. Oder dahinter","

bemerkt Konrad Adenauer. Der Enkel des berühmtesten Oberbürgermeisters, den Köln je hatte, ist Mitglied im Förderverein für das Jüdische Museum auf dem Rathausplatz. Und dort, bekräftigt er, werde es auch entstehen. Oder gar nicht. Jedenfalls nicht mit Mitteln des Fördervereins. Viele Kölner fühlen sich durch das Junktim erpresst. Und übersehen dabei, dass ihr eigenes Parlament, der Stadtrat, längst entschieden hat, wo das Jüdische Museum entsteht: auf dem Rathausplatz nämlich.

Wochenlang konnte, wer sich an den Ort des Geschehens begab, alle Architekturentwürfe für das Haus der Jüdischen Kultur genauestens studieren. Als der Protest in Köln losbrach, organisierte die Stadt eilends eine Ausstellung im Rathaus.

Die Besucher wanderten zwischen Schautafeln mit Grundrissen und Fotomontagen umher. Sie beugten sich über Schaukästen mit dreidimensionalen Baumodellen. Und wurden aufgefordert, ihre Meinung auf bereitliegenden Zetteln zu formulieren. Kein Bürgerentscheid, aber eine Bürgerbefragung. Ihr Ergebnis war absehbar: Die Mehrheit ist gegen jede Bebauung des Platzes …

""… wenn man diesen Platz den Kölnern wegnimmt, so ist das jammerschade. Es ist ein Atmen innerhalb der ganzen Gebäude …"

… gegen den Siegerentwurf …

"… also, mir gefällt an dem Ersten Preis nicht, dass er eine Schlucht aufweist zur Straße Unter Goldschmied. Und alle Entwürfe, die das nicht machen, gefallen mir besser …"

… oder, sollte der Sieger-Entwurf nicht mehr zu verhindern sein, zumindest noch gegen seine Ausmaße.

"… ja, da ist nicht mehr viel Platz, ne?"
"Vor dem Wallraf-Richartz-Museum ist nur diese schmale Gasse und sonst nichts. Und das ist einfach zu groß."
"Ich würd’ ihn nur ein bisschen kleiner bauen."

Dieser Wunsch wird wohl erfüllt. Die Saarbrücker Architekten arbeiten bereits daran, ihren Entwurf zum Wallraf-Richartz-Museum hin zu verkleinern. Gegenüber soll zwischen Jüdischem Museum und Historischem Rathaus der Rathausvorplatz wiederhergestellt werden. So wie er vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war.

"Der Platz, wie er würde, wenn man das Museum baut, hat dann die Fasson und die Maße, wie sie früher einmal da waren. Ein intimer, kleiner Platz war das eben. Aber ausreichend für damalige Feiern, auch für Aufmärsche, was es alles gegeben hat im Dritten Reich. Also, alleweil groß genug","

sagt Konrad Adenauer vom Förderverein für das Jüdische Museum. Neue Freunde gewinnt man in Köln derzeit anders als mit solchen Äußerungen. Dabei stoßen sich die Gegner des Fördervereins nicht allein an dessen Projekt und den städtebaulichen Folgen seiner Verwirklichung. Sie bezweifeln auch, dass das Museum ohne Geld der Stadt überhaupt verwirklicht werden kann. Die Kosten des Gebäudes, in dem eine große Judaica-Sammlung Platz finden soll, werden auf 15 Millionen Euro geschätzt. Der Förderverein hat versprochen, das Geld zu sammeln.

""Da müsste ich mich seit acht Jahren drauf verlassen, denn das ist schon seit dieser Zeit immer wieder angekündigt worden."

Klarer Fall: Fritz Schramma gibt keinen Pfifferling auf das
Finanzierungsversprechen der Museumsförderer. Die
wiederum wollen sich ans Geldsammeln erst dann machen,
wenn sie den Spendern etwas Verläßliches vorlegen können:
am liebsten einen Baubeschluss des Rates.

Konrad Adenauer: "Jeder Bauherr sucht sich erst ein Grundstück aus und überlegt: Was plane ich? Und so weiter. Und dann geht er zur Bank und sagt: Das möchte ich jetzt bezahlt haben. Und das ist bei uns genauso. Wir machen keine Finanzplanung, wenn wir gar nicht bauen können."

Fritz Schramma: "Der Förderverein sagt: Ich brauche Rechtssicherheit, also erst den Ratsbeschluss, dann fange ich an, Geld zu sammeln. Wir haben aber unseren Ratsbeschluss so aufgebaut, dass der Ratsbeschluss sagt: Erst muss die Finanzierung stehen, und zwar sicher, und dann können wir beschließen. So. Und jetzt können Sie mir vielleicht mal helfen, aus diesem Dilemma eine Lösung herauszusehen."

Die Sache mit dem Geld macht auch dem Stadtrat zu schaffen, der in seiner Mehrheit entschieden für das Projekt ist. Zwar hat der Förderverein zuletzt erklärt, Spender hätten eine gute Million Euro bis zum Jahresende zugesagt. Damit könne man ja schon einmal anfangen zu bauen.

Aber auch der Verein scheint mittlerweile auf Gelder der Stadt zu spekulieren. Wenigstens übergangsweise, als Vorfinanzierung des Museums, wenn die 15 Millionen Euro nicht rasch genug zusammen kommen.

Nasse Füsse hat auch der Direktor der "Archäologischen Zone". Im übertragenen, nicht im buchstäblichen Sinn, und das, obwohl Sven Schütte gerade Besucher durch die antike Kanalisation unter dem Kölner Rathausplatz führt.

"Alles römisch! Gehört noch alles ins 1. Jahrhundert, ist natürlich später genutzt worden. Mal als Bierkeller, mal als Bunker, im Zweiten Weltkrieg. Auch manchmal gar nicht, es war voller Erde und voller Dreck. Wie so Abwasserkanäle nun mal sind."

Was Schütte Sorgen bereitet, ist die Finanzierung des Jüdischen Museums.

"Also, wenn im schlimmsten Fall kein Geld da ist für den großen, schützenden Bau über der Archäologie, dann kann das schwerwiegende Auswirkungen auch auf die 'Archäologische Zone' haben."

Und da versteht der Archäologe im schwarzen Anzug überhaupt keinen Spaß.

"Zu meinem großen Erstaunen war der Vorstand des Vereins nicht hier. Bisher hat sich der Verein noch niemals umfassend informieren lassen, was hier eigentlich überhaupt Gegenstand des Museums ist. Das hat mich doch sehr verwundert. Ich kann das nicht erklären. Mir fehlt da, muss ich ganz ehrlich sagen, auch jedes Verständnis."

Sein Projekt ist gigantisch, seine Leidenschaft für die "Archäologische Zone" echt.

In den Keller unter dem Historischen Rathaus fährt ein Aufzug. Seine Tür öffnet sich auf einen neonbeleuchteten Flur. Alles sehr modern. Hinter der Wand aber, nur zwei Schritte weiter durch eine dicke Kellertür, liegt - Geschichte zum Anfassen.

Begeistert zeigt Sven Schütte die Ausgrabung in der nach einem gigantischen römischen Torbogen in ihrem Mittelpunkt benannten Porticus:

"Da hinten sind dann die weitaus jüngeren Reste des Jüdischen Hospitals, erst Ende des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts anzusiedeln. Wir haben hier einen wunderbaren Wandschrank. Hinter dem kommen dann schon wieder die Bögen der römischen Porticus zum Vorschein, hier geht der Sprung gleich ins 1. Jahrhundert zurück.

Aber was wir da hinten unter dem Bogen blinken sehen, das hat zuletzt der Ratsherr Hermann von Weinsberg im 16. Jahrhundert sehen können. Der war nämlich als Augenzeuge dabei, als die Laube als Eingang des Rathauses im Renaissance-Stil errichtet wurde.

Das heißt, hier liegen die Sachen nicht in Schichtungen übereinander, sondern sie liegen regelrecht durcheinander, ineinander verzahnt. Aber es ist auch gleichzeitig eine Musterkarte der Kölner Stadtgeschichte, die wir hier schön zeigen können."

Schüttes Ziel ist es, die steinerne Landkarte der Kölner Stadtgeschichte lesbar, den Besuchern schon vollzogene wie noch ausstehende Ausgrabungen zugänglich zu machen. In einigen Jahren soll sie fertig sein: Die "Archäologische Zone Köln".

Die Unwägbarkeiten des Projekts "Jüdisches Museum" und der Streit, der darüber entbrannt ist, dürfen sein Projekt nicht gefährden. Findet er. Und lauscht konzentriert den Wortfetzen eines Stadtführers, die vom Rathausplatz oben durch eine kleine Luke nach unten in die unterirdische Porticus-Ausgrabung geweht werden.

"Wir haben halt im Grunde genommen große Ereignisse hier zu feiern: Denn der 1. FC Köln ist schließlich in die Erste Bundesliga aufgestiegen. Und gemessen vor dem Hintergrund, dass der Verein nächstes Jahr Deutscher Meister wird, ist es natürlich dringend vonnöten, diesen Platz frei zu halten und der wirklich geschichtlichen Identität zu entziehen."

Dat Glockespill vum Rothuusturm: "Üb immer Treu und Redlichkeit, wie klingt dat doch su schön.
Wenn et och af un zo daneve häut, sin dat echte Kölsche Tön!
Wenn et och af un zo daneve häut, sin dat echte Kölsche Tön!"