Streit um das "Reichsaffenhaus"
Kaiser Wilhelm II. soll das Reichstagsgebäude als "völlig verunglückte Schöpfung" und sogar als "Reichsaffenhaus" bezeichnet haben. Immer wieder ließen die Monarchen Wilhelm I. und Wilhelm II. den Architekten Paul Wallot seinen Bauentwürfe überarbeiten. Am 9. Juni 1884 wurde schließlich der Grundstein für das Reichstagsgebäude in Berlin gelegt.
"Als Tag und Stunde bestimme ich den 9. Juni um 12:00."
Mit diesen knappen Worten besiegelte Kaiser Wilhelm I. 1884 die Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes. Lange hatte Uneinigkeit über diesen Termin geherrscht - nicht zuletzt, weil die überarbeiteten Entwürfe des Architekten Paul Wallot erst im Dezember 1883 von Seiner Majestät genehmigt wurden. Der Standort hinter dem Brandenburger Tor - im damaligen Berlin war das am Stadtrand - schien dem Kaiser für eine Volksvertretung passend. Wie der Festakt ablaufen sollte, kündigte die "Amtspresse Preußens" vier Tage vorher minutiös an.
"Bei dem Herannahen Seiner Majestät des Kaisers bläst die Musik eine Fanfare. Sobald Seine Majestät den Pavillon durchschritten hat und vor demselben erscheint, nähert sich der Reichskanzler Allerhöchstdemselben und fragt, ob die Feier beginnen soll."
80 Honoratioren waren ausersehen, die traditionellen drei Hammerschläge auszuführen. Was Wilhelm I. von den "demokratischen Umtrieben" im Reichstag hielt, wurde in der Reihenfolge dieser Personen deutlich. Er selbst machte den Anfang. Der Präsident und die Vizepräsidenten des Reichstages sowie die Mitglieder der Reichstagsbaukommission, zu denen auch Paul Wallot zählte, mussten sich ganz hinten anstellen.
Die Märzrevolution von 1848 hatte dem Parlamentarismus in Deutschland allenfalls in bescheidenem Maß zum Durchbruch verholfen. Das 1871 gegründete "Deutsche Reich" war keine richtige Monarchie mehr, sondern - wie der Historiker Hagen Schulze beschreibt - eine Oligarchie von Bundesfürsten, die sich im Bundesrat zusammenschlossen. Dem stand der Reichstag als zweite Kammer gegenüber - eine Volksvertretung auf Grundlage des revolutionären Reichswahlgesetzes von 1849, das freie, gleiche und geheime Wahlen für Männer ab dem 25. Lebensjahr zuließ. Dennoch: Gestützt vom Reichskanzler Otto von Bismarck, hielt der Kaiser die monarchistischen Zügel noch fest in der Hand.
Obwohl der Reichstag Bauherr war, musste der Architekt Paul Wallot seine Entwürfe immer wieder den Wünschen des Kaisers entsprechend verändern. Ein Dauerstreitpunkt war Ausgestaltung und Standort der Kuppel. Wallot wollte sie im Gegensatz zu den Vorstellungen Wilhelms I. über den Sitzungssaal bauen.
Nach dem Tod des Kaisers 1888 eskalierten die Auseinandersetzungen. Bei einem Empfang in Rom bezeichnete Kaiser Wilhelm II., der seit 1888 im Amt war, den Reichstag als "Gipfel der Geschmacklosigkeit" und beleidigte damit auch die vielen, an der Ausstattung beteiligten Künstler. In ganz Deutschland kam es zu spontanen Solidaritätsbekundungen für Wallot. Er selbst beklagte sich in einem Brief über den "kaiserlichen Gassenbuben":
"Er ist ein gewöhnlicher, niederträchtiger Hund, für den auf anderem Gebiet Deutschland die Zeche wird bezahlen müssen."
Kaiser Wilhelm II. betrat den Reichstag nur zweimal; das erste Mal nach der zehnjährigen Bauphase zur Einweihung am 5. Dezember 1894.
Ein neuer Stil sei mit dem Wallot-Bau nicht begründet worden, schreibt der Bauhistoriker Michael S. Cullen. Die Kombination aus italienischer Hochrenaissance und Barock sei bei Vollendung des Gebäudes schon veraltet gewesen. Hochmodern war jedoch die Innenausstattung. Es gab dort ausgeklügelte Heizungs- und Belüftungssysteme, Telefone, einen geräumigen Plenarsaal für 397 Abgeordnete, Europas modernste Küche, eine lichtdurchflutete Bibliothek und eine Rohrpoststation.
Berühmt für seine Modernität und Energieeffizienz ist auch das heutige Reichstagsgebäude. Der große Streitpunkt der Vergangenheit - die Kuppel - ist eine der Hauptattraktionen Berlins. Für den Kabarettisten Otto Reutter hatte der Reichtag vor 100 Jahren aber noch ganz andere Vorteile:
"Es gibt kein schöneres Leben, als das Reichstagsleben. So'n Mandat wird immer gern geschnappt, wenig Müh' und Plag' und 20 Mark am Tag. So viel hab' ich früher nie gehabt."
Mit diesen knappen Worten besiegelte Kaiser Wilhelm I. 1884 die Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes. Lange hatte Uneinigkeit über diesen Termin geherrscht - nicht zuletzt, weil die überarbeiteten Entwürfe des Architekten Paul Wallot erst im Dezember 1883 von Seiner Majestät genehmigt wurden. Der Standort hinter dem Brandenburger Tor - im damaligen Berlin war das am Stadtrand - schien dem Kaiser für eine Volksvertretung passend. Wie der Festakt ablaufen sollte, kündigte die "Amtspresse Preußens" vier Tage vorher minutiös an.
"Bei dem Herannahen Seiner Majestät des Kaisers bläst die Musik eine Fanfare. Sobald Seine Majestät den Pavillon durchschritten hat und vor demselben erscheint, nähert sich der Reichskanzler Allerhöchstdemselben und fragt, ob die Feier beginnen soll."
80 Honoratioren waren ausersehen, die traditionellen drei Hammerschläge auszuführen. Was Wilhelm I. von den "demokratischen Umtrieben" im Reichstag hielt, wurde in der Reihenfolge dieser Personen deutlich. Er selbst machte den Anfang. Der Präsident und die Vizepräsidenten des Reichstages sowie die Mitglieder der Reichstagsbaukommission, zu denen auch Paul Wallot zählte, mussten sich ganz hinten anstellen.
Die Märzrevolution von 1848 hatte dem Parlamentarismus in Deutschland allenfalls in bescheidenem Maß zum Durchbruch verholfen. Das 1871 gegründete "Deutsche Reich" war keine richtige Monarchie mehr, sondern - wie der Historiker Hagen Schulze beschreibt - eine Oligarchie von Bundesfürsten, die sich im Bundesrat zusammenschlossen. Dem stand der Reichstag als zweite Kammer gegenüber - eine Volksvertretung auf Grundlage des revolutionären Reichswahlgesetzes von 1849, das freie, gleiche und geheime Wahlen für Männer ab dem 25. Lebensjahr zuließ. Dennoch: Gestützt vom Reichskanzler Otto von Bismarck, hielt der Kaiser die monarchistischen Zügel noch fest in der Hand.
Obwohl der Reichstag Bauherr war, musste der Architekt Paul Wallot seine Entwürfe immer wieder den Wünschen des Kaisers entsprechend verändern. Ein Dauerstreitpunkt war Ausgestaltung und Standort der Kuppel. Wallot wollte sie im Gegensatz zu den Vorstellungen Wilhelms I. über den Sitzungssaal bauen.
Nach dem Tod des Kaisers 1888 eskalierten die Auseinandersetzungen. Bei einem Empfang in Rom bezeichnete Kaiser Wilhelm II., der seit 1888 im Amt war, den Reichstag als "Gipfel der Geschmacklosigkeit" und beleidigte damit auch die vielen, an der Ausstattung beteiligten Künstler. In ganz Deutschland kam es zu spontanen Solidaritätsbekundungen für Wallot. Er selbst beklagte sich in einem Brief über den "kaiserlichen Gassenbuben":
"Er ist ein gewöhnlicher, niederträchtiger Hund, für den auf anderem Gebiet Deutschland die Zeche wird bezahlen müssen."
Kaiser Wilhelm II. betrat den Reichstag nur zweimal; das erste Mal nach der zehnjährigen Bauphase zur Einweihung am 5. Dezember 1894.
Ein neuer Stil sei mit dem Wallot-Bau nicht begründet worden, schreibt der Bauhistoriker Michael S. Cullen. Die Kombination aus italienischer Hochrenaissance und Barock sei bei Vollendung des Gebäudes schon veraltet gewesen. Hochmodern war jedoch die Innenausstattung. Es gab dort ausgeklügelte Heizungs- und Belüftungssysteme, Telefone, einen geräumigen Plenarsaal für 397 Abgeordnete, Europas modernste Küche, eine lichtdurchflutete Bibliothek und eine Rohrpoststation.
Berühmt für seine Modernität und Energieeffizienz ist auch das heutige Reichstagsgebäude. Der große Streitpunkt der Vergangenheit - die Kuppel - ist eine der Hauptattraktionen Berlins. Für den Kabarettisten Otto Reutter hatte der Reichtag vor 100 Jahren aber noch ganz andere Vorteile:
"Es gibt kein schöneres Leben, als das Reichstagsleben. So'n Mandat wird immer gern geschnappt, wenig Müh' und Plag' und 20 Mark am Tag. So viel hab' ich früher nie gehabt."