Amazon jagt jetzt Hörbuchverlage
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels erhebt schwere Vorwürfe gegen die Amazon-Tochter "Audible". Die Hörbuch-Plattform nutze seine Marktmacht, um Verlage zu erpressen und ihnen Konditionen aufzunötigen.
Das "Haus des Buches“ in der Frankfurter Innenstadt, nur ein paar hundert Meter von der Paulskirche entfernt. Nicht gegen Fürstenwillkür wie 1848 geht es heute an diesem Ort, sondern gegen den Internet-Multi Amazon. Konkret gegen die Amazon-Tochter "Audible“. Das ist die Internet-Plattform, die 90 Prozent aller Hörbücher vertreibt.
Im "Haus des Buches“ hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seinen Sitz. Geschäftsführer Alexander Skipis ist hier Hauptgeschäftsführer und gleichzeitig Wortführer der deutschen Hörbuchverlage, die von Amazon jetzt gezwungen werden sollen, künftig wesentlich schlechtere Geschäftsbedingungen zu akzeptieren. "Erpresserisch" nennt Skipis das Verhalten der Amazon-Tochter "Audible":
"Es soll so laufen, dass die regulären Lieferverträge, die ja alle eine zeitliche Befristung haben, ablaufen, gekündigt werden von Amazon beziehungsweise von Audible. Und denen dann ein neuer Vertrag vorgelegt wird mit Konditionen, auf die die Verlage zum Teil nicht eingehen wollen. Und das, was Audible jetzt macht ist, die Verlage dazu zu nötigen, entweder das Ding komplett zu unterschreiben oder aber komplett ausgelistet zu werden. Und da Audible eine Marktkonzentration von zirka 90 Prozent hat, ist das natürlich ein glatter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Denn die Verlage sind letztendlich auf diesen einen Vertriebsweg angewiesen."
Die Marktmacht von Audible
Die deutsche Zentrale der Amazon-Tocher "Audible" hat ihren Sitz in Berlin. Fazit wollte von dem Unternehmen wissen, ob die Vorwürfe des Börsenvereins zutreffen, dass man mehreren kleinen deutschen Hörbuchverlagen gekündigt habe. Zu einem Interview hatte in der Berliner Zentrale aber niemand Zeit.
Auch schriftlich wurden die Fazit-Fragen nicht beantwortet, sondern lediglich eine Erklärung abgegeben, dass man Details der Geschäftsbeziehungen nicht öffentlich mache. Aber man treibe "Innovationen voran (…) im Interesse von Autoren, Verlagen und Hörern“. Genau dies aber bestreitet der Börsenverein in Frankfurt am Main. Alexander Skipis:
"Es geht eigentlich immer um denselben Sachverhalt, wenn wir über Amazon und eine hundertprozentige Tochter von ihr reden. Es geht darum, dass Marktmacht von Amazon missbraucht wird, um Verlage zu bestimmten Konditionen zu erpressen. Das ist glatt rechtswidrig und wenn der Sachverhalt so stimmt, dann werden wird das sicher auch juristisch würdigen. Wir prüfen aber gerade den Fall."
Hörbücher haben am Gesamt-Büchermarkt aktuell einen Anteil von rund vier Prozent. Diese Zahl stieg in den letzten Jahren leicht an. 2014 wurden in Deutschland rund 14,3 Millionen Hörbücher auf CD verkauft, das stellt einen Absatzrekord dar. CDs haben immer noch einen Anteil von 80 Prozent am Hörbuchmarkt. Die Download-Angebote, bei denen hierzulande "Audible“ beinahe das Marktmonopol hat, liegen bei etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes.
In der schriftlichen Stellungnahme zum Konflikt mit dem Börsenverein teilt "Audible“ mit, man wolle jetzt "neue Geschäftsmodelle (…) realisieren, die das Hörbuchgeschäft weiter wachsen lassen werden.“ Für Alexander Skipis klingt das wie eine Drohung, weil zurzeit keine Internet-Alternative zu "Audible" sichtbar ist:
"Es gibt zurzeit jenseits von Audible keine jedenfalls mir bekannte Plattform für so einen Vertrieb. Das heißt, was den Download von Hörbüchern angeht, ist das ein klassischer Monopolist – Audible. Ob die Branche und wie die Branche Alternativen dazu aufbauen kann, ist eine Frage. Die andere Frage ist: Im Moment ist das für die Hörbuchverlage alternativlos."
Angst vor einer Verarmung des Angebots
Wenn es "Audible" gelingen sollte, die Preise für Hörbücher im Internet auf Kosten der deutschen Verlage zu drücken, hat das weitreichende Konsequenzen. Nicht nur für Buchautoren und Verlage, sondern etwa auch für Schauspieler und Tonstudios, die teilweise von der Produktion von Hörbüchern leben. Für Alexander Skipis ist klar: Es droht eine Verarmung des Angebotes an Hörbüchern, weil es sich am Ende nicht mehr lohnen könnte:
"Es geht schließlich um das Kulturgut Buch. Es geht nicht um Waschmaschinen oder Staubsauger, sondern das Buch ist etwas Besonderes in unserer Warenwelt. Und die Frage ist, wie sehr man ein solches Kulturgut mit Geschäftsmodellen – in Anführungsstrichen – belastet, die letztendlich dazu führen, dass nicht nur die Wertschätzung dieses Kulturgutes dahingeht, sondern überhaupt schon die Produktion eines solchen Kulturgutes. Denn man muss nüchtern sagen, wenn es keine Möglichkeit gibt, mit einem solchen Kulturgut, mit meiner Leistung Geld zu verdienen , dann wird es dieses Kulturgut nicht mehr geben. Und deswegen geht es in dieser Frage um mehr als eine reine Wirtschaftsfrage, ob ein Unternehmen existieren kann oder nicht. Sondern es geht um das kulturelle Angebot."
Skipis erinnert daran, dass Amazon-Chef Jeff Bezos sich vorgenommen hat, "Verlage zu jagen wie Gazellen“. Auf der Strecke bleiben könnten jetzt möglicherweise Hörbuch-Verlage. Doch im Haus des Buches in der Nähe der Frankfurter Paulskirche gibt man sich noch nicht geschlagen. Im Kampf gegen vermeintlich Übermächtige hat man an diesem Ort Erfahrung.