Streit um ein Stück Stoff
Darf eine muslimische Lehrerin in der Schule Kopftuch tragen? Mit dieser Frage befassten sich im Jahr 2003 die Verfassungsrichter in Karlsruhe. Geklagt hatte die Lehrerin Fereshta Ludin. Die Entscheidung dagegen löste damals heftige Reaktionen aus. Und beigelegt ist der Streit bis heute nicht.
"Das Kopftuch ist ein Teil meiner religiösen Überzeugung und inzwischen meiner Glaubensidentität. Und deswegen trage ich es nicht nur in der Schule, sondern allgemein in der Öffentlichkeit."
Fereshta Ludin, 1972 in Kabul geboren und 1995 in Deutschland eingebürgert, ist Lehrerin. Seit das Oberschulamt Stuttgart ihre Übernahme in den Schuldienst 1998 abgelehnt hatte, kämpfte sie dafür, das Kopftuch in der Schule tragen zu dürfen. Doch auch die Gerichte entschieden gegen die Lehrerin, in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht. Sie verstoße gegen die staatliche Neutralitätspflicht, wenn sie das Kopftuch trage.
"Ich denke, solange ich niemanden dazu zwinge, es auch zu tun, wo ist da ein Problem darin zu sehen?"
Die junge Lehrerin gab nicht auf und zog nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht. In der Verhandlung ging es nicht nur um die Glaubensfreiheit der Lehrerin, sondern auch um die staatliche Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, um das Erziehungsrecht der Eltern und um die Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler.
Am 24. September 2003 verkündete das Bundesverfassungsgericht das Urteil. Der Zweite Senat stellte fest, das Fereshta Ludin in ihren Rechten verletzt worden war. Er hob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück. Dennoch war diese Entscheidung kein glatter Erfolg für die Lehrerin, wie der damalige Senatsvorsitzende und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer gleich zu Beginn der Urteilsverkündung klarstellte:
"Dass das Tragen eines Kopftuchs für eine Lehrerin im Schuldienst der Verfassung entspricht, das ist nicht so. Das sieht nur so aus."
Denn das Kopftuchverbot für die Lehrerin Ludin sei zwar unzulässig gewesen, aber ein entsprechendes Gesetz würde dieses Verbot legitimieren. Die Schulgesetze sind Ländersache, jedes Bundesland kann sich entscheiden, ob es so ein Verbot erlässt oder nicht. Die Urteilsbegründung war lang und kompliziert. Außerdem gab es ein sogenanntes Minderheitsvotum von drei Richtern, die sich für ein Verbot ausgesprochen hätten. Sie argumentierten mit dem Beamtenrecht, das dafür ausreiche. Auch die Reaktionen in der Öffentlichkeit fielen unterschiedlich aus. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, zum Beispiel war enttäuscht:
"Wir haben uns ein anderes Urteil erhofft, nämlich, dass ein letztes Wort hier gesprochen wird."
Ganz anders wertete der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle die Entscheidung:
"Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidung dahin gegeben, wohin sie gehört, nämlich in die Parlamente. Es ist richtig, dass jetzt die Politik gefragt ist. Und es ist richtig, dass auch die Landtage entscheiden müssen."
Einige Vertreter der christlichen Kirche und auch der CDU hätten sich ein eindeutiges Kopftuchverbot gewünscht. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht schon in seinem berühmten Kruzifix-Beschluss von 1995 religiösen Symbolen im Unterricht eine entschiedene Absage erteilt. Der damalige brandenburgische Bildungsminister Steffen Reiche, SPD, befürchtete ein rechtliches Durcheinander:
"Ich habe die große Sorge, dass man dort mit Kopftuch und dort ohne Kopftuch unterrichten kann. Und dass es 16 verschiedene Regelungen in Deutschland gibt."
Bereits am 2. April 2004 wurde in Baden-Württemberg ein Gesetz verabschiedet. Dort wertete man das Kopftuch als politisches Symbol, das in der Schule fehl am Platze sei. Das Grundgesetz verlangt jedoch die Gleichbehandlung aller Religionen. Um traditionelle christliche Symbole vom Verbot ausnehmen zu können, wurde eine Kompromissformel ins Gesetz geschrieben.
Aufgrund der nun vorliegenden gesetzlichen Grundlage in Baden-Württemberg bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im Juni 2004 endgültig das Verbot. Fereshta Ludin zog nach Berlin, wo sie bis heute an einer islamischen Grundschule unterrichtet - mit Kopftuch.
"Das heißt aber nicht, dass ich die Erwartung habe, dass jede andere muslimische Frau es auch tragen muss."
Inzwischen wurden in acht Bundesländern Verbote erlassen, teilweise mit Ausnahmeregeln für christliche und abendländische Symbole. Nur in Berlin und Bremen entschied man sich für ein komplettes Verbot. Ausgestanden ist der Streit um das Kopftuch jedoch nicht. Eine muslimische Lehrerin und eine Sozialpädagogin, beide im Schuldienst in Nordrhein-Westfalen, haben Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingereicht.
Fereshta Ludin, 1972 in Kabul geboren und 1995 in Deutschland eingebürgert, ist Lehrerin. Seit das Oberschulamt Stuttgart ihre Übernahme in den Schuldienst 1998 abgelehnt hatte, kämpfte sie dafür, das Kopftuch in der Schule tragen zu dürfen. Doch auch die Gerichte entschieden gegen die Lehrerin, in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht. Sie verstoße gegen die staatliche Neutralitätspflicht, wenn sie das Kopftuch trage.
"Ich denke, solange ich niemanden dazu zwinge, es auch zu tun, wo ist da ein Problem darin zu sehen?"
Die junge Lehrerin gab nicht auf und zog nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht. In der Verhandlung ging es nicht nur um die Glaubensfreiheit der Lehrerin, sondern auch um die staatliche Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität, um das Erziehungsrecht der Eltern und um die Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler.
Am 24. September 2003 verkündete das Bundesverfassungsgericht das Urteil. Der Zweite Senat stellte fest, das Fereshta Ludin in ihren Rechten verletzt worden war. Er hob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auf und verwies die Sache dorthin zurück. Dennoch war diese Entscheidung kein glatter Erfolg für die Lehrerin, wie der damalige Senatsvorsitzende und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Winfried Hassemer gleich zu Beginn der Urteilsverkündung klarstellte:
"Dass das Tragen eines Kopftuchs für eine Lehrerin im Schuldienst der Verfassung entspricht, das ist nicht so. Das sieht nur so aus."
Denn das Kopftuchverbot für die Lehrerin Ludin sei zwar unzulässig gewesen, aber ein entsprechendes Gesetz würde dieses Verbot legitimieren. Die Schulgesetze sind Ländersache, jedes Bundesland kann sich entscheiden, ob es so ein Verbot erlässt oder nicht. Die Urteilsbegründung war lang und kompliziert. Außerdem gab es ein sogenanntes Minderheitsvotum von drei Richtern, die sich für ein Verbot ausgesprochen hätten. Sie argumentierten mit dem Beamtenrecht, das dafür ausreiche. Auch die Reaktionen in der Öffentlichkeit fielen unterschiedlich aus. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, zum Beispiel war enttäuscht:
"Wir haben uns ein anderes Urteil erhofft, nämlich, dass ein letztes Wort hier gesprochen wird."
Ganz anders wertete der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle die Entscheidung:
"Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidung dahin gegeben, wohin sie gehört, nämlich in die Parlamente. Es ist richtig, dass jetzt die Politik gefragt ist. Und es ist richtig, dass auch die Landtage entscheiden müssen."
Einige Vertreter der christlichen Kirche und auch der CDU hätten sich ein eindeutiges Kopftuchverbot gewünscht. Schließlich habe das Bundesverfassungsgericht schon in seinem berühmten Kruzifix-Beschluss von 1995 religiösen Symbolen im Unterricht eine entschiedene Absage erteilt. Der damalige brandenburgische Bildungsminister Steffen Reiche, SPD, befürchtete ein rechtliches Durcheinander:
"Ich habe die große Sorge, dass man dort mit Kopftuch und dort ohne Kopftuch unterrichten kann. Und dass es 16 verschiedene Regelungen in Deutschland gibt."
Bereits am 2. April 2004 wurde in Baden-Württemberg ein Gesetz verabschiedet. Dort wertete man das Kopftuch als politisches Symbol, das in der Schule fehl am Platze sei. Das Grundgesetz verlangt jedoch die Gleichbehandlung aller Religionen. Um traditionelle christliche Symbole vom Verbot ausnehmen zu können, wurde eine Kompromissformel ins Gesetz geschrieben.
Aufgrund der nun vorliegenden gesetzlichen Grundlage in Baden-Württemberg bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im Juni 2004 endgültig das Verbot. Fereshta Ludin zog nach Berlin, wo sie bis heute an einer islamischen Grundschule unterrichtet - mit Kopftuch.
"Das heißt aber nicht, dass ich die Erwartung habe, dass jede andere muslimische Frau es auch tragen muss."
Inzwischen wurden in acht Bundesländern Verbote erlassen, teilweise mit Ausnahmeregeln für christliche und abendländische Symbole. Nur in Berlin und Bremen entschied man sich für ein komplettes Verbot. Ausgestanden ist der Streit um das Kopftuch jedoch nicht. Eine muslimische Lehrerin und eine Sozialpädagogin, beide im Schuldienst in Nordrhein-Westfalen, haben Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe eingereicht.