Kann man aus einem Nazi-Bunker ein Hotel machen?
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Im Flakbunker am Heiligengeistfeld in Hamburg soll in wenigen Jahren ein Hotel eröffnen, die Fassade soll begrünt werden, ein Dachgarten entstehen. Widerstand kommt von Denkmalschützern und denen, die bisher im Bunker wohnen oder ihre Läden haben.
Es geht voran mit den Bauarbeiten am alten, betongrauen Flakbunker. Ein improvisierter, überdachter Gang führt zum Eingang des denkmalgeschützten Baus. Hinter den drei Meter dicken Wänden öffnet sich die Eingangshalle, rechts und links Fahrstühle, über die in den letzten Kriegsjahren Munition für die vier Flaktürme auf dem Dach transportiert wurde.
Ganz oben, im fünften Stock erklärt Urte Ußling, wie der Bunker einmal aussehen soll: "Es kommt auf den jetzigen Bunker, der ist ungefähr 40 Meter hoch, da kommt in fünf Meter Höhe eine Betonplatte über die gesamte Fläche des Gebäudes. Und auf dieser Platte wird ein fünfstöckiger, terrassierter Aufbau gemacht. Und dadurch, dass er terrassiert ist, hat man nach oben hin eine Verjüngung und außen rum auf jeder Etage genügend Platz, um Bäume und Gebüsch und Pflanzen zu pflanzen."
Erbpachtvertrag für 99 Jahre
So, erklärt Urte Ußling, entsteht am Ende die grüne Haube für den Bunker. Ußling gehört zum Vorstand des Vereins "Hilldegarden" und setzt sich schon seit Jahren dafür ein, die Nutzung des Bunkers und seines Dachs möglichst vielfältig zu gestalten. Offen für alle soll das Bunkerdach sein.
Von dort aus lässt sich die halbe Stadt überblicken. Es soll eine Halle für Sport- und Kulturveranstaltungen entstehen, Räume für Stadtteilkultur und ein Gedenkort. Bauherr des Projekts ist der Immobilieninvestor und Unternehmer Thomas Matzen. Anfang der 90er-Jahre hatte Matzen einen Erbpachtvertrag mit der Stadt, der Eigentümerin des Bunkers, ausgehandelt. 99 Jahre lang darf Thomas Matzen den Bunker nutzen. Festgeschrieben wurde, dass das Bauwerk vor allem von Medienmachern, Musikern und Kulturschaffenden genutzt werden soll.
Unterm Dach gibt es zwei Clubs: Im "Uebel & Gefährlich" treten international bekannte Bands auf, und von der Terrasse des "Terrace Hill" aus konnten die Gäste den Blick genießen, den nach der Fertigstellung des Projekts alle Bunker-Besucher haben sollen. Seit auf dem Dach die Bauarbeiter unterwegs sind, ist die begehrte Terrasse allerdings geschlossen und der Club seiner Attraktion beraubt.
Wasser dringt ins Gebäude ein
Auch die "Hamburg School of Music" leidet unter den Nebeneffekten des Bunkerumbaus. Lorenz Boesche öffnet den Reißverschluss in der Plastikfolie, die Spezialisten für Wasserschäden vor eine der Türen der Schule geklebt haben.
Auf dem Boden steht ein klobiger Apparat, der rund um die Uhr Feuchtigkeit aus der Raumluft filtert. Bei den Arbeiten auf dem Dach wurde unter anderem die Bitumenschicht auf dem Beton entfernt. Denn der muss, eine Vorgabe der Stadt, saniert werden. Gleich nach dem ersten Regenguss lief Wasser ins Gebäude. Und noch ist der Wasserfluss nicht gestoppt.
Neuerdings läuft auch im Proberaum ein dünnes Rinnsal die Wand hinunter. Immerhin hat die Hausverwaltung der Musikschule mittlerweile drei Container neben dem Bunker als Ausweichquartier bereitgestellt, erzählt Lorenz Boesche. "Wir sind natürlich trotzdem nicht begeistert. Aber das ist auf jeden Fall besser als wenn sie untätig geblieben wäre. Es ist auf jeden Fall eine Geste."
"Wie ist das? Gibt es dann einen Nachlass bei der Miete, wenn so ein Fehler passiert?"
"Das ist ein Thema, wo wir nicht befugt sind, öffentlich drüber zu sprechen." Und daran hält sich Lorenz Boesche.
Schweigen trifft auf Schweigen
Zu den Problemen im Bunker, zu den Schwierigkeiten, dort während der Bauphase zu arbeiten, und zum Projekt an sich, möchte sich kaum jemand äußern. Die Begründung: ein Mieter habe sich schon mit der Verwaltung wegen der vielen Einschränkungen und Belastungen schon angelegt – ihm sei gekündigt worden.
Bisher musste niemand ausziehen, erklärt Frank Schulze, zuständig für die Pressearbeit des Projekts. Interviews mit den Projektverantwortlichen gestalten sich schwierig. Thomas Matzen, der Bauherr des Bunkerprojekts, habe keine Zeit für ein Gespräch über das 30 Millionen-Euro-Projekt. PR-Mann Frank Schulze verspricht zwar ein 15-minütiges Interview mit dem Bauleiter, muss aber aus Termingründen kurzfristig absagen.
Kritik von Denkmalschützern
Offen für Interviews sind die Kritiker eines grünen Weltkriegsbunkers. Zum Beispiel die Architektin und einstige Vorsitzende des Hamburger Denkmalrats Elinor Schües. Sie steht unten am Bunker, schaut auf die Westseite des monumentalen Klotzes, zu dem sie auch eine persönliche Verbindung hat: "Mein Onkel hat da oben gestanden als 16-Jähriger und hat auf die englischen Flugzeuge schießen dürfen. Und die Jungs, die an die Flak mussten, die Zwangsarbeiter, die das errichtet haben und diese Optik soll ja auch Stärke und Brutalität des Nationalsozialismus darstellen!"
Elinor Schües würde den Bunker gerne genau so lassen wie er ist: "Wenn ich irgendwo so eine Stele hinstelle und sage: 'Das soll an das und das erinnern!' Dann gehst Du daran vorbei und sagst: 'Das gucke ich mir jetzt nicht groß an'", sagt Schües.
"Bei dem Ding, da haben unsere Kinder sofort gewusst, warum das da steht und was das ist. Das ist selbsterklärend. Das ist viel besser als so ein Denkmal mit einer Inschrift. Und ich finde es einfach unmöglich, da so zu sagen: 'Das machen wir kuschelig und grün!'"
Vor allem ärgert sich die Architektin darüber, dass das gesamte Projekt von Anfang an von Presse und Politik so unkritisch begleitet worden sei. Nur, weil die ersten Entwürfe so imposant waren mit all den Bäumen und dem grünen Bewuchs. Am Ende würden schon allein die geplanten Fahrstühle das Gesamtbild des Bunkers verschandeln.
Kulturbehörde musste vermitteln
Genauso kritisch steht Norbert Hackbusch, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken, dem Projekt gegenüber. "Was dazu kommt, ist, dass man festgestellt hat, als die Unterschrift da war, dass die Investoren sich eigentlich nur noch dafür interessieren, was sie oben drauf bauen und dementsprechend ein wertvolles Kulturprojekt in dieser Stadt praktisch darunter leidet. Lauter Leute, die bisher wenig Geld bezahlt haben. Und er interessiert sich für die gar nicht, geht über die hinweg und will das eigentlich auch beseitigen, denn seine Sachen sind das Wichtige!"
Unter anderem wegen der Lärmbelastung mussten zeitweise der Verein "Mieter helfen Mieter" und die Kulturbehörde zwischen den Bunkernutzern und der zuständigen Verwaltung vermitteln.
Gerade gestern gab die Verwaltung dann bekannt, dass nun eine Hotelkette den Zuschlag für ein Haus mit 136 Zimmern bekommen hat. Das werde "mit einem inklusiven Ansatz (…) auf die Kreativszene und Nachbarschaft im Schanzenviertel" eingehen. Was das bedeutet, wird sich zeigen.
Die ursprünglich geplanten Dachgärten würden auf jeden Fall auch gebaut werden, versichert Urte Ußling von der Initiative Hilldegarden. Der vereinbarte Gedenkort werde zwar wesentlich kleiner als gedacht, aber er werde kommen.
Das Argument, der grüne Aufbau auf dem Bunker diene der reinen Eventisierung und Kommerzialisierung eines Ortes mit dunkler Geschichte, dieses Argument kann sie nicht nachvollziehen, sagt Ußling. "Die Leute gehen ja jetzt auch schon seit zehn, zwanzig Jahren hier in Diskotheken und tanzen auf Gräbern. Da frage ich mich, warum man nicht auch einfach dann Bäume oben rauf stellen kann!"
Bunker als Lebensretter
Die Menschen, die einst im Bunker Schutz fanden und sich dort schon mehrmals zu Zeitzeugengesprächen getroffen haben, diese Menschen fänden die Idee des begehbaren, grünen Bunkers gut. Einer dieser Zeitzeugen ist Karl-Heinz Pischke. Als Zwölfjähriger wohnte er in direkter Nachbarschaft zum Bunker.
Heute ist Pischke vor Ort, will mit dem Hilldegarden-Team die nächste Zeitzeugen-Veranstaltung organisieren. "Der Bunker ist für mich ein Lebensretter gewesen! Und ich würde sagen, einen Lebensretter, den kann man auch mal ehren, den kann man auch mal schmücken. Und wenn man den begrünt, kriegen vielleicht viele Lust, sich den Bunker mal näher anzugucken", hofft er. "Wenn dort oben eine Räumlichkeit hergestellt wird, wo vielleicht so Berichte, wie ich sie jetzt gegeben habe, der Nachwelt mal übertragen wird, dann haben sie vielleicht eine Vorstellung, wie das war!"
Im Jahr 2021 sollen das Hotel auf dem Bunker und auch der öffentlich zugängliche Dachgarten fertig sein. Bis dahin müssen die Befürworter und die Kritiker des Bunkerprojekts noch warten. Um dann entscheiden zu können, welche Versprechen der Investoren gebrochen und welche eingehalten wurden.