Mehr Geld - schlechtere Betreuung?
Längere Betreuungszeiten, mehr Personal, bessere Förderung: Die Regierung in Rheinland-Pfalz will die Bedingungen in den Kitas verbessern. Doch in den Einrichtungen an der südlichen Weinstraße regt sich Widerstand gegen die Gesetzesnovelle.
Anfang des Jahres herrscht noch ungewohnte Ruhe in der Protestantischen Kindertagesstätte "Himmelsleiter". Ganz vertieft spielen fünf Jungen in der Igelgruppe mit einer Holzeisenbahn, beladen Waggons, schieben Loks an, tauschen sich über den Eisenbahnbetrieb aus: zwei Dreijährige, ein Vierjähriger und zwei Sechsjährige in schönster Harmonie.
"Ein Bilderbuchspiel gerade, gell" … strahlt Tanja Vollhardt. Sie leitet die Kita mit 84 Kindern in Edenkoben südlich von Neustadt an der Weinstraße. Das Bilderbuchspiel der fünf Jungs hat auch damit zu tun, dass der Personalschlüssel in den Ferien weit günstiger ist als im Normalbetrieb. Um den einen ungestörtes Allein-Spielen zu ermöglichen, müssen die Erzieherinnen andere Kinder teilweise engmaschig begleiten. Dafür aber, so fürchtet Tanja Vollhardt, reiche nach der Kita-Reform in Rheinland-Pfalz die personelle Besetzung nicht aus:
"weil wir im Moment zum Beispiel noch Kind-bezogenes Personal haben. Das heißt, für Kinder, die einen besonderen Aufmerksamkeitsbedarf haben, kann man Extra-Personal beantragen. Das haben wir auch aktuell. Und wir wüssten nicht, wie wir bei einem Kind den weiteren Betreuungsplatz ohne dieses Kind-bezogene Personal garantieren könnten. Weil dieses Kind eine Eins-zu-eins-Betreuung braucht."
"Ein Bilderbuchspiel gerade, gell" … strahlt Tanja Vollhardt. Sie leitet die Kita mit 84 Kindern in Edenkoben südlich von Neustadt an der Weinstraße. Das Bilderbuchspiel der fünf Jungs hat auch damit zu tun, dass der Personalschlüssel in den Ferien weit günstiger ist als im Normalbetrieb. Um den einen ungestörtes Allein-Spielen zu ermöglichen, müssen die Erzieherinnen andere Kinder teilweise engmaschig begleiten. Dafür aber, so fürchtet Tanja Vollhardt, reiche nach der Kita-Reform in Rheinland-Pfalz die personelle Besetzung nicht aus:
"weil wir im Moment zum Beispiel noch Kind-bezogenes Personal haben. Das heißt, für Kinder, die einen besonderen Aufmerksamkeitsbedarf haben, kann man Extra-Personal beantragen. Das haben wir auch aktuell. Und wir wüssten nicht, wie wir bei einem Kind den weiteren Betreuungsplatz ohne dieses Kind-bezogene Personal garantieren könnten. Weil dieses Kind eine Eins-zu-eins-Betreuung braucht."
Intensiv-Betreuung kostet sehr viel Zeit
Die Kita Himmelsleiter will diese Intensiv-Betreuung leisten, "… weil wir wissen, das Kind wird aufholen, aber wenn wir das nicht hätten, könnten wir der Familie den Betreuungsplatz nicht bieten, weil wir nicht eine Erzieherin komplett abstellen können. Das Kind-bezogene Personal ist künftig nicht mehr zu finden in dem Gesetzentwurf."
Rechnerisch kommen in Rheinland-Pfalz auf ein Kind im Kindergartenalter 8,6 Erzieherinnen. "Gutes Mittelfeld", konstatiert die Bertelsmann-Stiftung im Ländervergleich, mahnt aber an, den Personalschlüssel zugunsten der frühkindlichen Bildung zu verbessern. Doch netto mehr Personal dürfte es in den Kitas an der Südlichen Weinstraße trotz der Finanzspritze des Bundes kaum geben. Vielleicht sogar weniger, argwöhnen neben den Leitungen auch kommunale und kirchliche Träger sowie Elternvertreter im südpfälzischen Speckgürtel zwischen Ludwigshafen, Mannheim und Karlsruhe. Ende des Jahres versammelten sie sich zur Protest-Demo gegen das neue Kita-Gesetz des Landes. Neben Tanja Vollhardt nahm als Rednerin Charmaine Beyer vom Kreiselternausschuss teil:
"Ja, wir haben hier an der südlichen Weinstraße tatsächlich große Angst, dass die Kindergärten hier schwächer bedacht werden, gerade was die Französisch-Fachkräfte, die Sprachförderkräfte und auch interkulturellen Kräfte angeht."
Rechnerisch kommen in Rheinland-Pfalz auf ein Kind im Kindergartenalter 8,6 Erzieherinnen. "Gutes Mittelfeld", konstatiert die Bertelsmann-Stiftung im Ländervergleich, mahnt aber an, den Personalschlüssel zugunsten der frühkindlichen Bildung zu verbessern. Doch netto mehr Personal dürfte es in den Kitas an der Südlichen Weinstraße trotz der Finanzspritze des Bundes kaum geben. Vielleicht sogar weniger, argwöhnen neben den Leitungen auch kommunale und kirchliche Träger sowie Elternvertreter im südpfälzischen Speckgürtel zwischen Ludwigshafen, Mannheim und Karlsruhe. Ende des Jahres versammelten sie sich zur Protest-Demo gegen das neue Kita-Gesetz des Landes. Neben Tanja Vollhardt nahm als Rednerin Charmaine Beyer vom Kreiselternausschuss teil:
"Ja, wir haben hier an der südlichen Weinstraße tatsächlich große Angst, dass die Kindergärten hier schwächer bedacht werden, gerade was die Französisch-Fachkräfte, die Sprachförderkräfte und auch interkulturellen Kräfte angeht."
Im ganzen Land die gleich hohe Qualität
Beyer hat selbst zwei Kinder in einer kommunalen Kindertagesstätte in Edenkoben. Die 32-Jährige bereist andere Kitas im Kreis als Elternausschuss-Vize. Ihr sind die spielerischen Französisch-Angebote muttersprachlicher Kräfte in der grenznahen Region besonders wichtig. Doch der Landesrechnungshof fand das gesamte Finanzsystem des fast 30 Jahre alten Kita-Gesetzes intransparent. Er mahnte an, die gruppenbezogene Berechnung samt dem Sonderposten Zusatzkräfte zu vereinfachen. Jährlich enthüllt zudem die Bertelsmann-Stiftung, wie unterschiedlich in Rheinland-Pfalz die Personalschlüssel sind, abhängig von der Finanzkraft der Kommunen.
"Wir sehen diese großen Unterschiede und wir möchten, dass es überall im Land gleich gute Qualität gibt, dass es egal ist, ob ich mein Kind in A oder B in die Kita bringe", kommentierte die Mainzer Bildungsministerin Stefanie Hubig von der SPD die jüngste Studie im Sommer.
"Deshalb sehen wir im 'Kita-Zukunftsgesetz', in der Novelle, vor, dass diejenigen Kitas, die unter dem Schlüssel sind, sich nach oben bewegen können, aber auch die die oben sind, auf diesem hohen Level bleiben können."
Genau das bezweifelt Ingo Klein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW.
"Der Referentenentwurf nimmt eigentlich nur die Personalschlüssel auf, wie sie in Rheinland-Pfalz bisher bestehen, errechnet daraus einen Durchschnitt und zieht den glatt aufs Land. Aber Verbesserungen in der Fachkraft-Kind-Relation sind in dem Gesetz keine benannt."
"Wir sehen diese großen Unterschiede und wir möchten, dass es überall im Land gleich gute Qualität gibt, dass es egal ist, ob ich mein Kind in A oder B in die Kita bringe", kommentierte die Mainzer Bildungsministerin Stefanie Hubig von der SPD die jüngste Studie im Sommer.
"Deshalb sehen wir im 'Kita-Zukunftsgesetz', in der Novelle, vor, dass diejenigen Kitas, die unter dem Schlüssel sind, sich nach oben bewegen können, aber auch die die oben sind, auf diesem hohen Level bleiben können."
Genau das bezweifelt Ingo Klein von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW.
"Der Referentenentwurf nimmt eigentlich nur die Personalschlüssel auf, wie sie in Rheinland-Pfalz bisher bestehen, errechnet daraus einen Durchschnitt und zieht den glatt aufs Land. Aber Verbesserungen in der Fachkraft-Kind-Relation sind in dem Gesetz keine benannt."
Für längere Betreuungszeiten reicht das Personal nicht aus
Bildungsministerin Stefanie Hubig kontert, dass das Land im Jahr 62 Millionen Euro zusätzlich für die Kitas bereitstellt und damit rechnerisch 1000 neue Stellen ermöglicht. Vor allem weitet die Gesetzesnovelle aus dem SPD-geführten Ressort den Betreuungsanspruch aus – auf sieben Stunden täglich inklusive Mittagessen.
"Ich hab viel Kokos, weil ich find' Kokos lecker!" – "Und ich lieb' Erdbeer'!"
16 Kinder zusätzlich könnten dann in der Edenkobener Kita Himmelsleiter essen und schlafen, hat Tanja Vollhardt ausgerechnet.
"Das finden wir gut, weil wir ja sehen, wie dringend notwendig viele Familien diese Betreuung brauchen, diese längere Betreuung",
… und wie sehr sich manche Eltern abhetzen, um ihr Kind noch pünktlich aus der Teilzeitbetreuung abzuholen. Gut für die Eltern also, wenn das Kind länger bleiben kann. Aber, so die Kita-Leiterin:
"Wir können mit dem gleichen Personal nicht noch mehr Kinder in einer Zeit betreuen, in der bis jetzt weniger da sind. Sauber und satt halten könne wir sie, aber wir sind ja nach wie vor auch eine Bildungseinrichtung."
"Ich hab viel Kokos, weil ich find' Kokos lecker!" – "Und ich lieb' Erdbeer'!"
16 Kinder zusätzlich könnten dann in der Edenkobener Kita Himmelsleiter essen und schlafen, hat Tanja Vollhardt ausgerechnet.
"Das finden wir gut, weil wir ja sehen, wie dringend notwendig viele Familien diese Betreuung brauchen, diese längere Betreuung",
… und wie sehr sich manche Eltern abhetzen, um ihr Kind noch pünktlich aus der Teilzeitbetreuung abzuholen. Gut für die Eltern also, wenn das Kind länger bleiben kann. Aber, so die Kita-Leiterin:
"Wir können mit dem gleichen Personal nicht noch mehr Kinder in einer Zeit betreuen, in der bis jetzt weniger da sind. Sauber und satt halten könne wir sie, aber wir sind ja nach wie vor auch eine Bildungseinrichtung."
Und plötzlich ist eine Erzieherin für 20 Kinder zuständig
Vor allem die Kleinsten, die Ein- und Zweijährigen, bräuchten beim Essen, Windeln und Einschlafen eine Extra-Portion Zuwendung, Hilfe und Sprachförderung in Ein-zu-Eins-Situationen. Auch um selbständig zu werden.
"Dass sie selbst ihre Hosen an- und ausziehen, dass sie selbst ihre Schuhe an und ausziehen. Das sind Dinge, die man mitgehen kann, wenn die entsprechende Zeit da ist. Aber wenn man den Zeitdruck im Rücken hat und weiß, da drüben ist die Kollegin alleine, es tobt der Bär in der Gruppe, dann tut man mehr selber, man begleitet es vielleicht nicht sprachlich, 'jetzt heben wir die Beine, jetzt hebst du mal den Po', dann macht man selber mehr, und das ist nicht sinnvoll."
"Nochmal!" – "Die Ella" - "Die Ella hat den Keks aus der Dose geklaut." "Niemals." "Wer dann?" "Die Jona-Lotte."
In der Dino-Gruppe haben besonders die Jüngsten die geringer ausgelastete Ferienzeit in der Kita genossen.
Beim Singen schmiegen sich die sieben eng an die drei Erzieherinnen. "Der Idealzustand, fast familienähnlich", konstatiert Tanja Vollhardt. Normalerweise sind mehr als doppelt so viele Kinder in dieser Gruppe. Im neuen Gesetz werden die Zweijährigen, was die Personalzuweisung angeht, nicht wie Krippen-, sondern wie Kindergartenkinder behandelt. Rechnerisch kommt eine 0,091-Stelle jetzt auch auf ein zwei Jahre altes Windel-Kind. Das würde heißen, kritisiert Elternvertreterin Charmaine Beyer,
"… dass, wenn eine Erzieherin zum Wickeln gehen muss, eine für 18 bis 20 Kinder zuständig ist, und das ist für mich kein Grund zum Jubeln. Sondern hier sehe ich große Gefahr für die Kinder, ihnen individuell gerecht zu werden."
"Dass sie selbst ihre Hosen an- und ausziehen, dass sie selbst ihre Schuhe an und ausziehen. Das sind Dinge, die man mitgehen kann, wenn die entsprechende Zeit da ist. Aber wenn man den Zeitdruck im Rücken hat und weiß, da drüben ist die Kollegin alleine, es tobt der Bär in der Gruppe, dann tut man mehr selber, man begleitet es vielleicht nicht sprachlich, 'jetzt heben wir die Beine, jetzt hebst du mal den Po', dann macht man selber mehr, und das ist nicht sinnvoll."
"Nochmal!" – "Die Ella" - "Die Ella hat den Keks aus der Dose geklaut." "Niemals." "Wer dann?" "Die Jona-Lotte."
In der Dino-Gruppe haben besonders die Jüngsten die geringer ausgelastete Ferienzeit in der Kita genossen.
Beim Singen schmiegen sich die sieben eng an die drei Erzieherinnen. "Der Idealzustand, fast familienähnlich", konstatiert Tanja Vollhardt. Normalerweise sind mehr als doppelt so viele Kinder in dieser Gruppe. Im neuen Gesetz werden die Zweijährigen, was die Personalzuweisung angeht, nicht wie Krippen-, sondern wie Kindergartenkinder behandelt. Rechnerisch kommt eine 0,091-Stelle jetzt auch auf ein zwei Jahre altes Windel-Kind. Das würde heißen, kritisiert Elternvertreterin Charmaine Beyer,
"… dass, wenn eine Erzieherin zum Wickeln gehen muss, eine für 18 bis 20 Kinder zuständig ist, und das ist für mich kein Grund zum Jubeln. Sondern hier sehe ich große Gefahr für die Kinder, ihnen individuell gerecht zu werden."
Neues Gesetz sieht mehr Zeit für Leitungsaufgaben vor
Beyer kandidiert bei den rheinland-pfälzischen Kommunalwahlen für die CDU. In den Beifall des Landeselternausschusses für mehr Eltern-Mitbestimmung, die das sozialdemokratisch geprägte "Kita-Zukunftsgesetz" vorsieht, stimmt die Mutter von zwei Kita-Kindern nur verhalten ein. Mehr Mitsprache sei immer gut und müsse mancherorts vielleicht auch gegen autoritäre Kita-Leitungen gesetzlich verankert werden, aber im Kreis Südliche Weinstraße gelte:
"Die Eltern dürfen extrem viel mitreden, die sind immer eingeladen, die sind sehr aktiv – bei uns gibt es diese Problematik nicht."
Erstmals regelt das Gesetz Zeiten für Leitungsaufgaben. Wichtig für Kita-Leitungen, deren Träger damit bislang knauserten. Für die Protestantische Kita Himmelsleiter allerdings keine Innovation. Mit einer halben Stelle ist Tanja Vollhardt schon dafür abgestellt. Vollhardt organisiert ein Team von 26 Beschäftigten inklusive Hauswirtschaftskräften, ist Haupt-Ansprechpartnerin für Eltern von 84 Kindern. Eine volle Freistellung ab vier Gruppen sollte das Gesetz festschreiben, findet die Kita-Leiterin.
"Es wäre tatsächlich leistbar."
Vollhardts Wunsch an die Bildungsministerin: den Gesetzentwurf präzisieren und nachbessern.
"Die Eltern dürfen extrem viel mitreden, die sind immer eingeladen, die sind sehr aktiv – bei uns gibt es diese Problematik nicht."
Erstmals regelt das Gesetz Zeiten für Leitungsaufgaben. Wichtig für Kita-Leitungen, deren Träger damit bislang knauserten. Für die Protestantische Kita Himmelsleiter allerdings keine Innovation. Mit einer halben Stelle ist Tanja Vollhardt schon dafür abgestellt. Vollhardt organisiert ein Team von 26 Beschäftigten inklusive Hauswirtschaftskräften, ist Haupt-Ansprechpartnerin für Eltern von 84 Kindern. Eine volle Freistellung ab vier Gruppen sollte das Gesetz festschreiben, findet die Kita-Leiterin.
"Es wäre tatsächlich leistbar."
Vollhardts Wunsch an die Bildungsministerin: den Gesetzentwurf präzisieren und nachbessern.