Streit um Netanjahu-Karikatur in der SZ

"Ein Karikaturist muss Taktgefühl haben"

Die Zeichnung des Karikaturisten Dieter Hanitzsch zeigt den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu in Gestalt der Gewinnerin des Eurovision Song Contest, Netta.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte sich nach massiver Kritik an dieser Darstellung bereits öffentlich dafür entschuldigt. © Deutschlandfunk / Michael Borgers
Christian Demand im Gespräch mit Anke Schaefer |
Selbstverständlich sei Kritik an Israel legitim, meint der Kulturphilosoph Christian Demand zur Debatte um eine Netanjahu-Karikatur in der "SZ". Allerdings solle man sich dabei vom "Formenrepertoire" nationalsozialistischer Judenhetze fernhalten.
Israels Politik kritisieren, ohne auf antisemitische Stereotype zurückzugreifen: Das fällt offenbar vielen schwer, wie der Fall des "SZ"-Zeichners Dieter Hanitzsch zeigt. Dessen Karikatur des israelischen Premiers Netanjahu im Kleid, mit großen Ohren und großer Nase, eine Rakete mit Davidstern schwingend, hat massive Proteste ausgelöst und dazu geführt, dass die Zusammenarbeit von Hanitzsch und "SZ" beendet wurde.
Für den Kulturphilosophen Christian Demand liegt die Karikatur im Grenzbereich. "Ich finde es extrem schwer, das zu lesen und eindeutig zu machen", sagte der Herausgeber der Zeitschrift "Merkur" im Deutschlandfunk Kultur. "Das zeigt aber auch, dass diese Karikatur ziemlich platt und, wie ich finde, ungelungen ist."
Christian Demand
Christian Demand, Publizist, Kunsthistoriker und Kulturphilosoph, zu Gast beim Deutschlandfunk Kultur© Deutschlandradio / Jana Demnitz
Demand zufolge ist es nicht das erste Mal, dass die Süddeutsche Zeitung wegen ähnlicher Vorwürfe in der Kritik stand. "Und das hat vermutlich damit zu tun, dass sie sich jetzt von Hanitzsch getrennt haben oder er von ihnen - da gibt es unterschiedliche Aussagen dazu. Dass sie einfach ganz rauswollten aus diesem Feld der Vorwürfe."

Die Balance zwischen harmlos und verletzend finden

Generell sei Kritik an Israel vollkommen legitim, betont Demand. Allerdings müsse ein Karikaturist die vielen Besonderheiten im deutsch-israelischen Verhältnis berücksichtigen. "Ich meine, dieses Formenrepertoire, mit dem nationalsozialistische Hetze gegen Juden instrumentiert wurde, das ist so klar, so offen und so jedermann zugänglich, dass man als jemand, der das beruflich macht, halt sagen muss: Kannst du nicht wenigstens so klug sein, dich von diesen Formen so weit wegzuhalten?"

Hören Sie zur Debatte um die Netanjahu-Karikatur auch den Kommentar von Stefan Koldehoff aus unserer Sendung Studio 9 kompakt vom 17. Mai 2018: Audio Player

Europaweit "vielleicht drei, vier Leute, die das können"

Ein Karikaturist müsse "den Takt haben, so weit zuzuspitzen, dass es nicht verletzt und dass es nicht gleichzeitig harmloses Getue bleibt", sagt der Kulturphilosoph. "Das ist eine Kunst. Nicht umsonst gibt es ganz, ganz wenige Leute, die diesen Job ausüben und davon leben können. Europaweit fallen mir vielleicht drei, vier Leute ein, die das überhaupt können."
(uko)

Die gesamte Sendung "Studio 9 - Der Tag mit Christian Demand" können Sie hier nachhören: Audio Player

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