Bayerische Tradition oder „Jodel-Architektur“?
Ein Haus mit Flachdach? Für viele Alteingesessenen am Tegernsee ist das zu modern. Sie warnen vor einer Verschandelung ihrer Heimat und fordern eine traditionelle Bauweise. Zugezogene fühlen sich gegängelt und spotten über alpenländischen Kitsch.
"Ich will jetzt nicht so altmodisch sein, und unbedingt sagen, es kann auch mal was Modernes in die Landschaft passen, bin ich überzeugt. Wir haben zum Beispiel in Tegernsee Süd ein Haus, um das sehr lange gestritten worden ist, das kein Dach hat. Da hat die Stadt jahrelang prozessiert, und jetzt haben sie so ein Pseudodach mit einer Neigung von ein paar Prozent gemacht. Ich finde, gerade in so einer herrlichen Lage wie am See unten, tut es unserer Landschaft weh, das passt nicht."
Sagt der Köck, Martin, bekannter Mundartdichter im Tegernseer Tal. Er sitzt auf einer Bank vor seinem Bauernhaus. Vor ihm die Wiese mit Kühen und Häuser mit Dächern.
"Und jetzt schauen Sie sich mal die alten Bauernhäuser an, das war auch mal ein altes Bauernhaus, habe ich 1984 abgetragen, neu unterkellert, und des alte wieder draufgestellt, steht ja unter Denkmalschutz, über 300 Jahre alt, und das Holz, das Sie da vorne sehen, das ist auch über 300 Jahre alt, aber ich möchte in keinem anderen Haus leben. Es ist mein Elternhaus."
Und der Köck, Martin sitzt da, wo auch schon sein Großvater saß. Mit Blick auf den Wallberg, den Hausberg der Tegernseer. Und den Apfelbaum, dessen Äste sich unter der Last der Früchte nach unten biegen. Schön ist es, sagt er. Aber – Sie dürfen nicht nach links gucken. Dort zwischen den Häusern mit Dächern ragen riesige Kräne in den weißblauen Himmel. Die Mittagspause ist vorbei.
"Schauen Sie die ganzen Luxuswohnungen, die jetzt gebaut werden, an! Es ist alles eine Einheit, es ist Altholz, soll bisserl verbavarisiert werden, und es wohnt ja niemand darin! Das ist das nächste und dann schauen Sie sich das an! Graue Rollos, wo Sie hinschauen!"
Sagt der Köck, Martin, bekannter Mundartdichter im Tegernseer Tal. Er sitzt auf einer Bank vor seinem Bauernhaus. Vor ihm die Wiese mit Kühen und Häuser mit Dächern.
"Und jetzt schauen Sie sich mal die alten Bauernhäuser an, das war auch mal ein altes Bauernhaus, habe ich 1984 abgetragen, neu unterkellert, und des alte wieder draufgestellt, steht ja unter Denkmalschutz, über 300 Jahre alt, und das Holz, das Sie da vorne sehen, das ist auch über 300 Jahre alt, aber ich möchte in keinem anderen Haus leben. Es ist mein Elternhaus."
Und der Köck, Martin sitzt da, wo auch schon sein Großvater saß. Mit Blick auf den Wallberg, den Hausberg der Tegernseer. Und den Apfelbaum, dessen Äste sich unter der Last der Früchte nach unten biegen. Schön ist es, sagt er. Aber – Sie dürfen nicht nach links gucken. Dort zwischen den Häusern mit Dächern ragen riesige Kräne in den weißblauen Himmel. Die Mittagspause ist vorbei.
"Schauen Sie die ganzen Luxuswohnungen, die jetzt gebaut werden, an! Es ist alles eine Einheit, es ist Altholz, soll bisserl verbavarisiert werden, und es wohnt ja niemand darin! Das ist das nächste und dann schauen Sie sich das an! Graue Rollos, wo Sie hinschauen!"
Gebaut werden nur noch "tote Häuser"
Spätestens jetzt wird der 72-Jährige "grantig", ein bayerischer Gemütszustand irgendwo zwischen wütend und genervt. Nicht weit von Köcks Haus entfernt entsteht ein neuer Gebäudekomplex mit 20 Wohnungen. Ein historischer Gasthof wird komplett entkernt, nur die Frontfassade erinnert noch an seine alte Gestalt. Daneben stehen auf engstem Raum drei neue Häuser. Eines gleicht dem anderen. Oder anders ausgedrückt: "Die neue Natürlichkeit" wie das Bauschild verrät. Viel Holz. Große Fenster. Geneigte Dächer. Was also macht den Köck, Martin so grantig?
"Was seit Jahren gebaut wird, das sind tote Häuser, so nenne ich das. Die Leute kaufen sich hier ein, kommen einmal, richten das sündteuer ein und das war‘s dann. Und wenn wir Glück haben, dann kommen sie zweimal im Jahr oder dreimal oder viele kommen gar nicht."
Was für die einen "tote Häuser" sind, bedeutet für die anderen der lang ersehnte Zweitwohnsitz. Seit gut einem Jahrzehnt boomt der Immobilienmarkt rund um den See. Für den österreichischen Investor Thomas Hofer, der in Bad Wiessee die "Tegernsee Villen" gebaut hat, ist das ein lukrativer Ort, weil ...
"... das Tegernsee Tal eines der schönsten Orte in Deutschland ist und die Kombination aus Bergen, See, die gute Infrastruktur, die gute Erreichbarkeit von München aus, einen sehr hohen Wert darstellen. Wir haben da ganz gut investiert. In der Region zu leben, ist für viele ein Wunschtraum. Wirtschaftstreibende, Unternehmer, leitende Angestellte, das ist unsere Klientel, die sich diesem Traum auch leisten können."
"Was seit Jahren gebaut wird, das sind tote Häuser, so nenne ich das. Die Leute kaufen sich hier ein, kommen einmal, richten das sündteuer ein und das war‘s dann. Und wenn wir Glück haben, dann kommen sie zweimal im Jahr oder dreimal oder viele kommen gar nicht."
Was für die einen "tote Häuser" sind, bedeutet für die anderen der lang ersehnte Zweitwohnsitz. Seit gut einem Jahrzehnt boomt der Immobilienmarkt rund um den See. Für den österreichischen Investor Thomas Hofer, der in Bad Wiessee die "Tegernsee Villen" gebaut hat, ist das ein lukrativer Ort, weil ...
"... das Tegernsee Tal eines der schönsten Orte in Deutschland ist und die Kombination aus Bergen, See, die gute Infrastruktur, die gute Erreichbarkeit von München aus, einen sehr hohen Wert darstellen. Wir haben da ganz gut investiert. In der Region zu leben, ist für viele ein Wunschtraum. Wirtschaftstreibende, Unternehmer, leitende Angestellte, das ist unsere Klientel, die sich diesem Traum auch leisten können."
Eine Wohnanlage wie ein Sündenfall
Eine Wohnung in einer Tegernsee Villa ist nicht nur teuer ...
"Kommt darauf an, was Sie haben wollen, es gibt auch noch eine um einen sechststelligen Betrag."
... sondern auch der Baustil der Villen hat zu viel Kritik geführt. Als "Luxus-Hütten" wurden sie verspottet. Auch sie stammen – bei näherem Hinsehen – aus dem Katalog "neue Natürlichkeit". Man nehme: dunkles Altholz für Fassaden und Balkone – Fenster mit blassgrünen Läden – und – wichtig! – ein alpenländischen Dach. Weniger der Baustil irritiert als die Dichte inmitten des alten Ortskerns: neun gleichförmige Häuser auf einem Fleck, mit Tiefgaragen, Fitnessstudio und Empfangshäuschen. Für Angela Brogsitter von der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal ist die Wohnanlage ein Sündenfall. Seit Jahrzehnten kämpft die Bürgerinitiative gegen die, wie sie es nennt, "Verschandelung der Landschaft".
"Wissen Sie, diese Häuser, eines sieht aus wie das andere, das ist – wie soll ich das sagen – das ist nicht ein individueller Stil mehr, sondern da werden vier dieselben hin geklatscht auf ein Grundstück, das früher ein wunderschöne Parkgrundstück war, alle Bäumen kommen weg, die machen nur Arbeit, also es geht wirklich nur noch den meisten Investoren um Gewinnmaximierung. Und ich sage immer, das Tegernseer Tal wird langsam zur Beute dieser geldgierigen Investoren ... wie machen wir den größten Profit!"
Aussagen wie diese lassen den Investor Thomas Hofer zwar nicht kalt.
"Ich muss zugeben, früher hat mich so was getroffen, heute muss man damit umgehen und leben. Wir hatten Stadtratsbeschlüsse und wir hatten einstimmige Stadtratsbeschlüsse."
"Kommt darauf an, was Sie haben wollen, es gibt auch noch eine um einen sechststelligen Betrag."
... sondern auch der Baustil der Villen hat zu viel Kritik geführt. Als "Luxus-Hütten" wurden sie verspottet. Auch sie stammen – bei näherem Hinsehen – aus dem Katalog "neue Natürlichkeit". Man nehme: dunkles Altholz für Fassaden und Balkone – Fenster mit blassgrünen Läden – und – wichtig! – ein alpenländischen Dach. Weniger der Baustil irritiert als die Dichte inmitten des alten Ortskerns: neun gleichförmige Häuser auf einem Fleck, mit Tiefgaragen, Fitnessstudio und Empfangshäuschen. Für Angela Brogsitter von der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal ist die Wohnanlage ein Sündenfall. Seit Jahrzehnten kämpft die Bürgerinitiative gegen die, wie sie es nennt, "Verschandelung der Landschaft".
"Wissen Sie, diese Häuser, eines sieht aus wie das andere, das ist – wie soll ich das sagen – das ist nicht ein individueller Stil mehr, sondern da werden vier dieselben hin geklatscht auf ein Grundstück, das früher ein wunderschöne Parkgrundstück war, alle Bäumen kommen weg, die machen nur Arbeit, also es geht wirklich nur noch den meisten Investoren um Gewinnmaximierung. Und ich sage immer, das Tegernseer Tal wird langsam zur Beute dieser geldgierigen Investoren ... wie machen wir den größten Profit!"
Aussagen wie diese lassen den Investor Thomas Hofer zwar nicht kalt.
"Ich muss zugeben, früher hat mich so was getroffen, heute muss man damit umgehen und leben. Wir hatten Stadtratsbeschlüsse und wir hatten einstimmige Stadtratsbeschlüsse."
Der Bürgermeister bangt um die Attraktivität
Aber der Erfolg scheint ihm recht zu geben: Die Wohnungen sind bis auf eine Handvoll alle verkauft. Fast die Hälfte an Zweitwohnbesitzer.
Wie also muss Heimat aussehen? Wie unter einem Brennglas werden hier im Tegernseer Tal die unterschiedlichen Interessen und Lebensstile sichtbar: Die Alteingesessenen, die sich zurückgedrängt fühlen. Die Neuankommenden, die ihre Idylle suchen. Und die, die zwischen beiden Welten vermitteln. Wie Christian Köck, der Bürgermeister von Rottach-Egern, und der Sohn vom alten Köck.
"Wir sind nicht dazu da, um Architektenwettbewerbe stattfinden zu lassen, und auch um möglichst ausgefallenen Bauwerke hier bei uns zu platzieren. Ich denke, das passt nicht zu unserer Gegend. Wir dürfen eines nicht vergessen, wir sind in erster Linie Tourismusort, alle Orte um den Tegernsee, d.h. der Großteil des Wirtschaftsvolumens bezieht sich auf den Tourismus, und ich sage immer eines: Wenn wir uns zunehmend verstädtern und eine moderne Architektur wählen, dann begeben wir uns in Gefahr, dass die Gäste nicht mehr sich identifizieren mit dem Oberland, sondern dass sie sagen, ich könnte auch zu Hause bleiben, in der Nähe von München, in einem Vorort absteigen, wir verlieren schlichtweg an Attraktivität."
Den CSU-Bürgermeister treibt das Thema Gestaltung schon länger um. Wie viele Gemeinden rings um den See hat sich auch Rottach-Egern vor einigen Jahren eine sogenannte Gestaltungssatzung gegeben. Einige Bauherrn nennen es auch eine "Gestaltungsverhinderungssatzung", denn in ihr ist vorgeschrieben, wie das Dach sich neigen muss, nämlich zwischen 18 Grad und 23 Grad. Die Fassaden dürfen nur aus verputzten Flächen in "weiß oder gebrochen weiß" und Holz bestehen. - Ein Haus mit Flachdach also ist ein Ding der Unmöglichkeit. Eigentlich. Am Ortseingang von Tegernsee allerdings gibt es – weit sichtbar – ein Haus, das alle Gestaltungssatzungen Lügen straft. Ein strahlend-weißer, riesiger Kubus. Ohne Dach. Das befand sich zwar beim Bauantrag noch auf dem Papier, wurde aber nie gebaut. Ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Stadt und Bauherr war die Folge. Ergebnis: Die "Schuhschachtel", wie das stadtbekannte Haus genannt wird, hat nun einen kleinen Deckel.
"Ich glaube schon, dass es richtig ist, in traditionellen Bauformen zu bauen, mit Satteldächern, mit Holz, mit Balkonen, die den ländlichen Raum hier prägen, aber ich denke schon, dass es moderner interpretiert werden darf, dass eben eine Entwicklung entsteht, es hat sich immer verändert die letzten 200 Jahren."
Wie also muss Heimat aussehen? Wie unter einem Brennglas werden hier im Tegernseer Tal die unterschiedlichen Interessen und Lebensstile sichtbar: Die Alteingesessenen, die sich zurückgedrängt fühlen. Die Neuankommenden, die ihre Idylle suchen. Und die, die zwischen beiden Welten vermitteln. Wie Christian Köck, der Bürgermeister von Rottach-Egern, und der Sohn vom alten Köck.
"Wir sind nicht dazu da, um Architektenwettbewerbe stattfinden zu lassen, und auch um möglichst ausgefallenen Bauwerke hier bei uns zu platzieren. Ich denke, das passt nicht zu unserer Gegend. Wir dürfen eines nicht vergessen, wir sind in erster Linie Tourismusort, alle Orte um den Tegernsee, d.h. der Großteil des Wirtschaftsvolumens bezieht sich auf den Tourismus, und ich sage immer eines: Wenn wir uns zunehmend verstädtern und eine moderne Architektur wählen, dann begeben wir uns in Gefahr, dass die Gäste nicht mehr sich identifizieren mit dem Oberland, sondern dass sie sagen, ich könnte auch zu Hause bleiben, in der Nähe von München, in einem Vorort absteigen, wir verlieren schlichtweg an Attraktivität."
Den CSU-Bürgermeister treibt das Thema Gestaltung schon länger um. Wie viele Gemeinden rings um den See hat sich auch Rottach-Egern vor einigen Jahren eine sogenannte Gestaltungssatzung gegeben. Einige Bauherrn nennen es auch eine "Gestaltungsverhinderungssatzung", denn in ihr ist vorgeschrieben, wie das Dach sich neigen muss, nämlich zwischen 18 Grad und 23 Grad. Die Fassaden dürfen nur aus verputzten Flächen in "weiß oder gebrochen weiß" und Holz bestehen. - Ein Haus mit Flachdach also ist ein Ding der Unmöglichkeit. Eigentlich. Am Ortseingang von Tegernsee allerdings gibt es – weit sichtbar – ein Haus, das alle Gestaltungssatzungen Lügen straft. Ein strahlend-weißer, riesiger Kubus. Ohne Dach. Das befand sich zwar beim Bauantrag noch auf dem Papier, wurde aber nie gebaut. Ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Stadt und Bauherr war die Folge. Ergebnis: Die "Schuhschachtel", wie das stadtbekannte Haus genannt wird, hat nun einen kleinen Deckel.
"Ich glaube schon, dass es richtig ist, in traditionellen Bauformen zu bauen, mit Satteldächern, mit Holz, mit Balkonen, die den ländlichen Raum hier prägen, aber ich denke schon, dass es moderner interpretiert werden darf, dass eben eine Entwicklung entsteht, es hat sich immer verändert die letzten 200 Jahren."
Altmodisch oder modern
Florian Erhardt ist Architekt. Seit über 20 Jahren baut er im Tal. Und er baut modern, wie er sagt. Obwohl ihm das Wort auch nicht so recht behagt. Denn was heißt schon modern? Das Bauhaus ist auch schon 100 Jahre alt. Also worauf hat er Lust?
"Auf alpenländischen Kitsch von Hause aus nicht, auf Jodel-Architektur auch nicht, aber natürlich auf verträgliche Bauweise. Das Haus, vor dem wir jetzt sitzen, ist eigentlichen einem Schupfn nachempfunden, auf hochdeutsch ein Schuppen, ein Holzhaus, fügt sich ein ohne sich dem Jodelstil unterzuordnen."
Wenn es die Zeit erlaubt, sitzt Erhardt gern in der Mittagspause vor seinem Haus in Tegernsee. Die holzverkleidete Fassade ist schon etwas verwittert. Unter dem Dachfirst zieht sich eine breite Fensterfront. Kletterpflanzen schlingen sich an einer Seite bis zum Balkon empor. Nichts an dem Haus wirkt aufgesetzt und doch hebt es sich ab von seinem Elternhaus gleich neben dran, einem traditionellen Bauernhof mit Blumenkästen vor den kleinen Fenstern.
"Ich denke als Solitär ist so ein Bauhaus-Element oder ein modernes Haus schon verträglich. Aber ich glaube, dass die Ortsgestaltungssatzungen, die relativ restriktiv sind, schon ihre Berechtigung haben, dass so was Ähnliches wie eine Harmonie entsteht. Wenn man nicht weit nach Süden über die Grenze schaut nach Tirol, da schaut es aus wie Kraut und Rüben, weil es keine Satzungen gibt, weil es keine Regelungen gibt, und dadurch kann jeder machen, was er will. Da steht das Bauhaus-Haus neben dem Toskana-Haus neben dem Altholz-Alm-Hütterl, da gibst überhaupt keine Linie mehr, das ist auch falsch."
Ist das altmodisch oder modern, fragt sich Florian Erhardt und guckt an seinem Haus empor. Es ist diese Gradwanderung, die das Bauen für ihn im Tegernseer Tal so spannend macht. Sein Partner hat das neue Haus für Nationaltorwart Manuel Neuer am Leeberg gebaut. Viel Tradition bei maximaler Luxusausstattung. Und mit Dach natürlich.
"Die Leute kommen her und lassen sich mit Altholz bauen, und eigentlich gehen wir ja eher 100 Jahre zurück. Wir bauen wie vor 100 Jahren, schaut super aus, ist wahnsinnig gemütlich, gibt einen alpenländischen Touch, es gibt ja auch den Namen dieser Alpin-Architektur. Und ich bin mir nur nicht sicher, ob es richtig ist, es in dieser Frequenz zu machen. Es ist ein Trend, eine Modeerscheinung."
"Auf alpenländischen Kitsch von Hause aus nicht, auf Jodel-Architektur auch nicht, aber natürlich auf verträgliche Bauweise. Das Haus, vor dem wir jetzt sitzen, ist eigentlichen einem Schupfn nachempfunden, auf hochdeutsch ein Schuppen, ein Holzhaus, fügt sich ein ohne sich dem Jodelstil unterzuordnen."
Wenn es die Zeit erlaubt, sitzt Erhardt gern in der Mittagspause vor seinem Haus in Tegernsee. Die holzverkleidete Fassade ist schon etwas verwittert. Unter dem Dachfirst zieht sich eine breite Fensterfront. Kletterpflanzen schlingen sich an einer Seite bis zum Balkon empor. Nichts an dem Haus wirkt aufgesetzt und doch hebt es sich ab von seinem Elternhaus gleich neben dran, einem traditionellen Bauernhof mit Blumenkästen vor den kleinen Fenstern.
"Ich denke als Solitär ist so ein Bauhaus-Element oder ein modernes Haus schon verträglich. Aber ich glaube, dass die Ortsgestaltungssatzungen, die relativ restriktiv sind, schon ihre Berechtigung haben, dass so was Ähnliches wie eine Harmonie entsteht. Wenn man nicht weit nach Süden über die Grenze schaut nach Tirol, da schaut es aus wie Kraut und Rüben, weil es keine Satzungen gibt, weil es keine Regelungen gibt, und dadurch kann jeder machen, was er will. Da steht das Bauhaus-Haus neben dem Toskana-Haus neben dem Altholz-Alm-Hütterl, da gibst überhaupt keine Linie mehr, das ist auch falsch."
Ist das altmodisch oder modern, fragt sich Florian Erhardt und guckt an seinem Haus empor. Es ist diese Gradwanderung, die das Bauen für ihn im Tegernseer Tal so spannend macht. Sein Partner hat das neue Haus für Nationaltorwart Manuel Neuer am Leeberg gebaut. Viel Tradition bei maximaler Luxusausstattung. Und mit Dach natürlich.
"Die Leute kommen her und lassen sich mit Altholz bauen, und eigentlich gehen wir ja eher 100 Jahre zurück. Wir bauen wie vor 100 Jahren, schaut super aus, ist wahnsinnig gemütlich, gibt einen alpenländischen Touch, es gibt ja auch den Namen dieser Alpin-Architektur. Und ich bin mir nur nicht sicher, ob es richtig ist, es in dieser Frequenz zu machen. Es ist ein Trend, eine Modeerscheinung."
Wie viel Einfluss von außen muss sein?
"Das typische Tegernseer Dirndl ist das, was ich heute trage, also Spencer mit Arm, Schößchen, dreiteilig, nur der Rock ist jetzt nicht so supertraditionell, den ich heute dazu anhabe. Also ich bin nicht die Trachtenpolizei, ich habe eine spezielle Vorstellung von Ästhetik und von Formgebung, wie was auszusehen hat, also so einen Maßregelkatalog, das schreibe ich keinem vor."
Alexandra Keil steht in ihrem Trachtengeschäft an der Hauptstraße von Rottach-Egern. Die 35-Jährige gehört zu den Jungen im Tal, die Heimat für sich neu definieren. Auch, wie sie aussehen soll. Nicht nur an Hausfassaden, sondern auch am eigenen Leib.
"Es war der Münchner, der das Dirndl wieder hat aufleben lassen, in den 70ern, da haben die sich die teuren Seidengewänder machen lassen, und haben die erste Renaissance in den 70ern geholt. Also wir brauchen den Einfluss aus der Stadt, der ist manchmal wild, aber der schadet nicht, weil wir aufwachen, sonst schlafen wir alle weiter und manchmal braucht man ein bisschen wildere und kreativere Köpfe, damit wir in Schwung kommen."
Auch beim Dirndl nicht. Die Tegernseer Tracht, die im Tal getragen wird, gehört zu den ältesten in Bayern. Die strengen Vorgaben aber sind etwas für Trachtenvereine. Bei Alexandra Kreil hat das Dirndl bunte Farben, weit schwingende Röcke, einen Mix aus verschiedenen Stoffen und doch ist es als Tracht erkennbar, nach ihrem Wahlspruch: "Was Traditionen so lebendig macht, sind die Menschen, die sie in die Welt tragen." Und das hat seine ganz eigene Tradition: Seit neun Generationen wird das Geschäft von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Aber das war bei Alexandra nicht so klar, wie sie lachend erzählt, in einer freien Minute auf der Bank hinter dem Geschäft.
"Gar nicht, ich wollt nach dem Abi alles machen, nur nicht hier bleiben, und schon gar nicht den mütterlichen Betrieb übernehmen. Und dann bin ich wieder gekommen mit Ende 20. Ich habe einen Sommer mal ausgeholfen und dann habe ich gemerkt, dass es eigentlich ein Privileg ist. Was bei mir vor allem in Bezug auf Kleidung eine wichtige Rolle spielt, ist, dass man Sachen, die man im Idealfall ein Leben lang hat, also ich kann halt überhaupt nichts mit dieser Wegwerf-Mentalität und einfach konsumieren, kann ich gar nichts anfangen und da spielt mir das Thema Tracht in die Hände."
"So wie bei uns jetzt, wir haben die aufgehende Sonne, die untergehende Sonne und den Mond in den drei Haustüren untergebracht, weil die Menschen haben damals mit der Natur gelebt und haben sich dabei was gedacht, und ist des entstanden und hat auch das optische ausgemacht."
Alexandra Keil steht in ihrem Trachtengeschäft an der Hauptstraße von Rottach-Egern. Die 35-Jährige gehört zu den Jungen im Tal, die Heimat für sich neu definieren. Auch, wie sie aussehen soll. Nicht nur an Hausfassaden, sondern auch am eigenen Leib.
"Es war der Münchner, der das Dirndl wieder hat aufleben lassen, in den 70ern, da haben die sich die teuren Seidengewänder machen lassen, und haben die erste Renaissance in den 70ern geholt. Also wir brauchen den Einfluss aus der Stadt, der ist manchmal wild, aber der schadet nicht, weil wir aufwachen, sonst schlafen wir alle weiter und manchmal braucht man ein bisschen wildere und kreativere Köpfe, damit wir in Schwung kommen."
Auch beim Dirndl nicht. Die Tegernseer Tracht, die im Tal getragen wird, gehört zu den ältesten in Bayern. Die strengen Vorgaben aber sind etwas für Trachtenvereine. Bei Alexandra Kreil hat das Dirndl bunte Farben, weit schwingende Röcke, einen Mix aus verschiedenen Stoffen und doch ist es als Tracht erkennbar, nach ihrem Wahlspruch: "Was Traditionen so lebendig macht, sind die Menschen, die sie in die Welt tragen." Und das hat seine ganz eigene Tradition: Seit neun Generationen wird das Geschäft von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Aber das war bei Alexandra nicht so klar, wie sie lachend erzählt, in einer freien Minute auf der Bank hinter dem Geschäft.
"Gar nicht, ich wollt nach dem Abi alles machen, nur nicht hier bleiben, und schon gar nicht den mütterlichen Betrieb übernehmen. Und dann bin ich wieder gekommen mit Ende 20. Ich habe einen Sommer mal ausgeholfen und dann habe ich gemerkt, dass es eigentlich ein Privileg ist. Was bei mir vor allem in Bezug auf Kleidung eine wichtige Rolle spielt, ist, dass man Sachen, die man im Idealfall ein Leben lang hat, also ich kann halt überhaupt nichts mit dieser Wegwerf-Mentalität und einfach konsumieren, kann ich gar nichts anfangen und da spielt mir das Thema Tracht in die Hände."
"So wie bei uns jetzt, wir haben die aufgehende Sonne, die untergehende Sonne und den Mond in den drei Haustüren untergebracht, weil die Menschen haben damals mit der Natur gelebt und haben sich dabei was gedacht, und ist des entstanden und hat auch das optische ausgemacht."
Architektur mit Aussagekraft
Josef Bogner ist Zimmerermeister und betreibt mit seiner Familie die Wirtschaft "Voitlhof zum Zotzn" in Rottach-Egern. Den Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert hat er komplett saniert. Auch die Türen, die symbolhaft den Weg der Sonne über die Stockwerke nachzeichnen. Josef Bogner gehört auch zur jungen Generation am Tegernsee, die ihre Tradition leben, auch in Shorts und Flipflops. Für ihn zählt etwas anderes.
"Man weiß, wo man hinfahrt, wenn man die Häuser sieht, die Landschaft, und da sind Häuser – das wird heute nicht mehr so forciert – ein markantes Bild, da wo sich die Leute vor ein paar hundert Jahren auch viel mehr Gedanken gemacht haben. Haustüren, die haben eine Aussagekraft gehabt, heute wird halt einfach eine Haustür eingebaut, weil es schön ist."
Wie also soll Heimat aussehen im Tegernseer Tal? Wenn es nach Josef Bogner geht, dann ist es eigentlich ganz einfach.
"Ich stelle es mal so dar, wenn ich in die Schweiz fahre, und da auf eine Hütte gehe und da einkehre und da kriegt man ein Gruizi und das nächste ist dann einwandfreies Hochdeutsch, das ist für mich nicht die Schweiz und so sehe ich das hier und das muss man akzeptieren und auch der, der wo da herzieht und leben möchte, die fahren ja daher, weil es ihnen hier gefällt und da muss ich mich halt auch anpassen."