Streiter an der "Wortfront"
Ausgefeilte Texte in Hip-Hop-Manier dazu ein bisschen Chanson, etwas Kabarett – "Wortfront" passt in keine Schublade. Erfolgreich waren Sandra Kreisler, Tochter von Georg Kreisler, und Roger Stein mit ihrer Platte "Lieder eines postmodernen Arschlochs". Nun erscheint ihre CD "Freilandherz".
Sandra Kreisler: "Wir finden, es ist eigentlich doof, dass man Musik in Schubladen haut, wir können kammermusikalische Elemente haben, wir können Hiphop-Elemente haben, das was zum Lied passt, egal ob es jetzt ein bestimmter Stil ist oder nicht."
Sandra Kreisler, die weibliche Streiterin an der Wortfront, sitzt in ihrer kleinen, verrauchten Garderobe in der Berliner "Bar jeder Vernunft". In einer halben Stunde ist Auftritt. Ihre dunklen Rasta-Locken sind zusammengebunden, die langen silbernen, mit blinkenden Steinchen besetzten Ohrringe gehen bis zur Schulter, sie trägt einen kimonoartigen Mantel, dazu rot-weiß gemusterte Schnürstiefel. In der Hand eine Zigarette.
Sandra Kreisler: "Es heißt zwar: Wer nach allen Richtungen offen ist, kann nicht ganz dicht sein – aber ich finde das schön, dass so wahnsinnig viele verschiedene Seiten zum Glänzen kommen können und immer noch dazupassen und Wortfront sind, ohne dadurch ein Crossover zu erzeugen."
Roger Stein: "Lyrik und Streichinstrumente und das in Verbindung mit guten Beats – das ist mein Ding."
Roger Stein, großgewachsener Schweizer mit dunklen Locken und Wiener Sprachmelodie - Komponist und Texter von Wortfront. Er ist klassisch ausgebildeter Pianist, studierter Sänger und promovierter Musikwissenschaftler. Seit Jahren im Kampf mit der deutschen Sprache.
Roger Stein: "Das Deutsche neigt zu sehr zum Pathos, und Pathos ist so der Mundgeruch der Demagogen, Pathos hat was ganz Gefährliches, und das mag ich nicht so. Und das Lyrisch-Zärtliche ist in der deutschen Sprache schwierig herzustellen, weil es schnell schmierig wird."
Bevor ein Text allerdings zur Sprache kommt, kann es dauern. Er ist zunächst Gefühl, meist nicht nur eines, und setzt sich erst nach und nach zusammen.
Sandra Kreisler: "Der Roger hat so eine Fragmente-Plantage. Und wenn so ein Fragment ein bisschen weiter gediehen ist und ein Gerippe ist, dann trägt er es mir vor, dann sage ich: Das ist alles ganz schrecklich! Oder das ist alles großartig, und dann erstreiten wir es zusammen weiter."
Roger Stein: "Natürlich – wenn man einen Text hat, der gerade aus einem herausgeflossen ist, möchte man, dass alle sagen: Super! Das ist aber nicht immer so, und deswegen ist diese Kontrolle und dieser Goldstaub, wo einer sagt, das sind genau die zwei Zeilen zu viel, diesen Goldstaub braucht es und den gibt sie eigentlich drauf."
Wortfront kämpft nicht nur mit der Sprache, mit musikalischen Schubladen, in welche sie passen sollen, aber nicht wollen – Wortfront kämpft auch mit sich selbst. Am Anfang der Streit über den Kaffee bei der Arbeit – Filter oder Espresso -, über Begrifflichkeiten – ist es nun Chanson oder Pop - eigentlich wurde und wird bis heute alles in Frage gestellt.
Roger Stein: "Und ich glaube, dass ist ganz gut, dass muss man, ich glaube es ist wichtig dass man sich reibt, dass man von Menschen umgeben ist, die einem nicht recht geben, sondern die einem harte Kritik entgegenwerfen, (....) und dieses Aufregen darüber, dass der andere nicht so denkt, das hält wach und das tut gut, mir zumindest."
Doch nicht nur zwei Sturköpfe prallen aufeinander, auch zwei völlig verschiedene Biografien: Sandra Kreisler, aus einer jüdisch-österreichischen Künstlerfamilie, Roger Stein, Schweizer, aus einfachen Verhältnissen, 34 Jahre und 15 Jahre jünger als seine Band-Partnerin und Frau. Kennengelernt haben sie sich vor über zehn Jahren, in der Wiener Piano Broadway Bar. Beide an einem Punkt der Veränderung. Aus Gesprächen über Musik wurde eine lose musikalische Zusammenarbeit, dann, 2004 "Wortfront" – aus der musikalischen eine Liebesbeziehung.
Sandra Kreisler: "Ich bin ein Melancholiker, bei mir kommt viel eher das jüdische Erbe durch, und bei mir kommt das Kreislersche Erbe durch, ich bin sarkastisch, ich strahle nicht so eine Lebensfreude aus wie der Roger."
Roger Stein: "Ich finde schon, wir sind sehr unterschiedlich, aber wir haben tiefe gemeinsame Nenner, man kann nur an den Oberflächen unterschiedlich sein, wenn man tiefe gemeinsame Nenner hat. Da weiß ich nicht, ob Sprache immer hinreicht, um in diese Winkel vorzustoßen."
Vor einigen Jahren sind Sandra Kreisler und Roger Stein von Wien nach Berlin gezogen. Haben ihre kulturelle Heimat und den sicheren Hafen des Bekannten und des Bekanntseins hinter sich gelassen.
Sandra Kreisler: "Natürlich ist es ein Wagnis. Aber es ist mir eben auch ein Bedürfnis gewesen, man muss sich immer neu erfinden, denn nur da beginnt man zu merken, wo man betriebsblind geworden ist. Man muss sich Situationen stellen, in denen man sich noch nicht gesehen hat, vorher, sonst wird man alt."
Die Kaffeefrage ist gelöst – jeder macht sich seinen eigenen. Der Sieg an einer Front steht jedoch noch aus:
Sandra Kreisler: "In den Köpfen der Journalisten den Gedanken zu erzeugen, dass auch Lieder, die Worte haben mit mehr als drei Silben, deswegen trotzdem auch Pop sein können und nicht unbedingt Cabaret sein müssen. Die Hauptkrux ist: Dass die Journalisten immer sagen, ah, da sind die Texte so kompliziert, das muss ja Cabaret sein. Ist es aber nicht, es ist Musik!"
Sandra Kreisler, die weibliche Streiterin an der Wortfront, sitzt in ihrer kleinen, verrauchten Garderobe in der Berliner "Bar jeder Vernunft". In einer halben Stunde ist Auftritt. Ihre dunklen Rasta-Locken sind zusammengebunden, die langen silbernen, mit blinkenden Steinchen besetzten Ohrringe gehen bis zur Schulter, sie trägt einen kimonoartigen Mantel, dazu rot-weiß gemusterte Schnürstiefel. In der Hand eine Zigarette.
Sandra Kreisler: "Es heißt zwar: Wer nach allen Richtungen offen ist, kann nicht ganz dicht sein – aber ich finde das schön, dass so wahnsinnig viele verschiedene Seiten zum Glänzen kommen können und immer noch dazupassen und Wortfront sind, ohne dadurch ein Crossover zu erzeugen."
Roger Stein: "Lyrik und Streichinstrumente und das in Verbindung mit guten Beats – das ist mein Ding."
Roger Stein, großgewachsener Schweizer mit dunklen Locken und Wiener Sprachmelodie - Komponist und Texter von Wortfront. Er ist klassisch ausgebildeter Pianist, studierter Sänger und promovierter Musikwissenschaftler. Seit Jahren im Kampf mit der deutschen Sprache.
Roger Stein: "Das Deutsche neigt zu sehr zum Pathos, und Pathos ist so der Mundgeruch der Demagogen, Pathos hat was ganz Gefährliches, und das mag ich nicht so. Und das Lyrisch-Zärtliche ist in der deutschen Sprache schwierig herzustellen, weil es schnell schmierig wird."
Bevor ein Text allerdings zur Sprache kommt, kann es dauern. Er ist zunächst Gefühl, meist nicht nur eines, und setzt sich erst nach und nach zusammen.
Sandra Kreisler: "Der Roger hat so eine Fragmente-Plantage. Und wenn so ein Fragment ein bisschen weiter gediehen ist und ein Gerippe ist, dann trägt er es mir vor, dann sage ich: Das ist alles ganz schrecklich! Oder das ist alles großartig, und dann erstreiten wir es zusammen weiter."
Roger Stein: "Natürlich – wenn man einen Text hat, der gerade aus einem herausgeflossen ist, möchte man, dass alle sagen: Super! Das ist aber nicht immer so, und deswegen ist diese Kontrolle und dieser Goldstaub, wo einer sagt, das sind genau die zwei Zeilen zu viel, diesen Goldstaub braucht es und den gibt sie eigentlich drauf."
Wortfront kämpft nicht nur mit der Sprache, mit musikalischen Schubladen, in welche sie passen sollen, aber nicht wollen – Wortfront kämpft auch mit sich selbst. Am Anfang der Streit über den Kaffee bei der Arbeit – Filter oder Espresso -, über Begrifflichkeiten – ist es nun Chanson oder Pop - eigentlich wurde und wird bis heute alles in Frage gestellt.
Roger Stein: "Und ich glaube, dass ist ganz gut, dass muss man, ich glaube es ist wichtig dass man sich reibt, dass man von Menschen umgeben ist, die einem nicht recht geben, sondern die einem harte Kritik entgegenwerfen, (....) und dieses Aufregen darüber, dass der andere nicht so denkt, das hält wach und das tut gut, mir zumindest."
Doch nicht nur zwei Sturköpfe prallen aufeinander, auch zwei völlig verschiedene Biografien: Sandra Kreisler, aus einer jüdisch-österreichischen Künstlerfamilie, Roger Stein, Schweizer, aus einfachen Verhältnissen, 34 Jahre und 15 Jahre jünger als seine Band-Partnerin und Frau. Kennengelernt haben sie sich vor über zehn Jahren, in der Wiener Piano Broadway Bar. Beide an einem Punkt der Veränderung. Aus Gesprächen über Musik wurde eine lose musikalische Zusammenarbeit, dann, 2004 "Wortfront" – aus der musikalischen eine Liebesbeziehung.
Sandra Kreisler: "Ich bin ein Melancholiker, bei mir kommt viel eher das jüdische Erbe durch, und bei mir kommt das Kreislersche Erbe durch, ich bin sarkastisch, ich strahle nicht so eine Lebensfreude aus wie der Roger."
Roger Stein: "Ich finde schon, wir sind sehr unterschiedlich, aber wir haben tiefe gemeinsame Nenner, man kann nur an den Oberflächen unterschiedlich sein, wenn man tiefe gemeinsame Nenner hat. Da weiß ich nicht, ob Sprache immer hinreicht, um in diese Winkel vorzustoßen."
Vor einigen Jahren sind Sandra Kreisler und Roger Stein von Wien nach Berlin gezogen. Haben ihre kulturelle Heimat und den sicheren Hafen des Bekannten und des Bekanntseins hinter sich gelassen.
Sandra Kreisler: "Natürlich ist es ein Wagnis. Aber es ist mir eben auch ein Bedürfnis gewesen, man muss sich immer neu erfinden, denn nur da beginnt man zu merken, wo man betriebsblind geworden ist. Man muss sich Situationen stellen, in denen man sich noch nicht gesehen hat, vorher, sonst wird man alt."
Die Kaffeefrage ist gelöst – jeder macht sich seinen eigenen. Der Sieg an einer Front steht jedoch noch aus:
Sandra Kreisler: "In den Köpfen der Journalisten den Gedanken zu erzeugen, dass auch Lieder, die Worte haben mit mehr als drei Silben, deswegen trotzdem auch Pop sein können und nicht unbedingt Cabaret sein müssen. Die Hauptkrux ist: Dass die Journalisten immer sagen, ah, da sind die Texte so kompliziert, das muss ja Cabaret sein. Ist es aber nicht, es ist Musik!"