Streitschrift für das Kulturgut Musik
Wie funktioniert eigentlich eine Plattenfirma? Wie wird eine Welttournee für Top-Stars organisiert? Das Buch des Berliner Konzertagenten Berthold Seliger beginnt als nüchterne Bestandsaufnahme der Musikindustrie – und wird dann zu einer intelligenten und äußerst lesenswerten Streitschrift für eine andere Kulturpolitik.
Musik ist ein hohes Kulturgut, eine Leidenschaft für manche und ein populäres Hobby für viele – ganz egal, ob sie nun selber Musik machen oder einfach nur die Musik von anderen konsumieren. Musik ist aber auch eine Ware: ein Produkt, mit dem jedes Jahr weltweit viele Milliarden Dollar Umsatz gemacht werden. Der Berliner Konzertagent und Autor Berthold Seliger hat sich in seinem Buch "Das Geschäft mit der Musik" mit dieser weniger bekannten Seite beschäftigt. Wie funktioniert eigentlich eine Plattenfirma? Wie werden die weltweiten Tourneen der Top-Stars organisiert? Und welche Rolle spielen Konzert-Agenten, Ticketing-Firmen und das Sponsoring?
Auch wenn seit Langem von einem Niedergang der Musikindustrie die Rede ist, wird - so zeigt Seliger auf - in der Branche noch immer viel Geld verdient. Dabei ist in den letzten Jahren ein immer stärkerer Trend zur Kommerzialisierung und Monopolisierung zu beobachten. Auf dem Tonträgermarkt verfügen drei multinationale Konzerne (Universal Music, Sony Music und Warner Music) über fast 80 Prozent der Weltmarktanteile. Ähnlich sieht es bei den Musikverlagen und großen Tourveranstaltern aus, wo – begünstigt durch den US Telecommunications Act von 1996 – die beiden Großkonzerne Live Nation und CTS Eventim den Rest der Mitbewerber nahezu kannibalisiert haben.
Auf der Strecke bleibt dabei das, was Berthold Seliger als "dissidente Kultur" bezeichnet: Genres, die gerade nicht im kommerziellen Trend liegen, Künstler, die sich durch ihre Musik oder ihre politische Einstellung dem Mainstream verweigern. Diese Fehlentwicklung der letzten 30 Jahre lässt sich auch durch das Internet nicht ohne Weiteres kompensieren. Zwar sieht Berthold Seliger durchaus Chancen für junge Künstler durch virale Selbstvermarktung und durch Streaming-Dienste wie Spotify. Gleichzeitig aber, so beklagt er, würden den Musikern durch das Urheber-Recht und die GEMA immer wieder Steine in den Weg gelegt.
Was zunächst wie eine nüchterne Bestandsaufnahme der Musikindustrie von heute beginnt, wird mit zunehmender Dauer zu einer leidenschaftlichen Streitschrift für eine andere Kulturpolitik und für einen bewussteren gesellschaftlichen Umgang mit der Musik. Seliger beschreibt nicht nur das, was er aus eigener Erfahrung seit 25 Jahren kennt, er analysiert die Verhältnisse und macht Verbesserungsvorschläge, wo er sie für angebracht hält.
Manchmal allerdings schießt er auch über das Ziel hinaus: Wenn er beispielsweise interne Vorgänge der Berliner Konzertveranstalter-Szene diskutiert, dann wird aus dem "Insider" auf einmal ein persönlich Betroffener, der die nötige Distanz und gebotene Zurückhaltung vermissen lässt. Und wenn sich Seliger über die aktuelle deutsche Pop-Szene mokiert, die sich seiner Ansicht nach in "post-postmodernem Biedermeier" und konturlosem "Wohlfühl-Pop" erschöpfen, dann klingt er wie ein enttäuschter 68er-Veteran, der das Rad der Zeit am liebsten im "Sommer der Liebe" angehalten hätte.
Sieht man über diese kleinen Schwachstellen hinweg, dann ist das "Geschäft mit der Musik" ein gut informiertes, intelligentes und äußerst lesenswertes Buch, das alle diejenigen interessieren sollte, für die Musik nicht nur ein Konsumartikel ist. Unmittelbar nach dem Erscheinen des Buchs hat Berthold Seliger bekannt gegeben, dass er seine Konzertagentur im nächsten Jahr nach mehr als 25 Jahren schließen will. Offenbar hat ihn die Beschäftigung mit dem Thema Musikindustrie selbst zuallererst zum Nachdenken angeregt.
Besprochen von Carsten Beyer
Auch wenn seit Langem von einem Niedergang der Musikindustrie die Rede ist, wird - so zeigt Seliger auf - in der Branche noch immer viel Geld verdient. Dabei ist in den letzten Jahren ein immer stärkerer Trend zur Kommerzialisierung und Monopolisierung zu beobachten. Auf dem Tonträgermarkt verfügen drei multinationale Konzerne (Universal Music, Sony Music und Warner Music) über fast 80 Prozent der Weltmarktanteile. Ähnlich sieht es bei den Musikverlagen und großen Tourveranstaltern aus, wo – begünstigt durch den US Telecommunications Act von 1996 – die beiden Großkonzerne Live Nation und CTS Eventim den Rest der Mitbewerber nahezu kannibalisiert haben.
Auf der Strecke bleibt dabei das, was Berthold Seliger als "dissidente Kultur" bezeichnet: Genres, die gerade nicht im kommerziellen Trend liegen, Künstler, die sich durch ihre Musik oder ihre politische Einstellung dem Mainstream verweigern. Diese Fehlentwicklung der letzten 30 Jahre lässt sich auch durch das Internet nicht ohne Weiteres kompensieren. Zwar sieht Berthold Seliger durchaus Chancen für junge Künstler durch virale Selbstvermarktung und durch Streaming-Dienste wie Spotify. Gleichzeitig aber, so beklagt er, würden den Musikern durch das Urheber-Recht und die GEMA immer wieder Steine in den Weg gelegt.
Was zunächst wie eine nüchterne Bestandsaufnahme der Musikindustrie von heute beginnt, wird mit zunehmender Dauer zu einer leidenschaftlichen Streitschrift für eine andere Kulturpolitik und für einen bewussteren gesellschaftlichen Umgang mit der Musik. Seliger beschreibt nicht nur das, was er aus eigener Erfahrung seit 25 Jahren kennt, er analysiert die Verhältnisse und macht Verbesserungsvorschläge, wo er sie für angebracht hält.
Manchmal allerdings schießt er auch über das Ziel hinaus: Wenn er beispielsweise interne Vorgänge der Berliner Konzertveranstalter-Szene diskutiert, dann wird aus dem "Insider" auf einmal ein persönlich Betroffener, der die nötige Distanz und gebotene Zurückhaltung vermissen lässt. Und wenn sich Seliger über die aktuelle deutsche Pop-Szene mokiert, die sich seiner Ansicht nach in "post-postmodernem Biedermeier" und konturlosem "Wohlfühl-Pop" erschöpfen, dann klingt er wie ein enttäuschter 68er-Veteran, der das Rad der Zeit am liebsten im "Sommer der Liebe" angehalten hätte.
Sieht man über diese kleinen Schwachstellen hinweg, dann ist das "Geschäft mit der Musik" ein gut informiertes, intelligentes und äußerst lesenswertes Buch, das alle diejenigen interessieren sollte, für die Musik nicht nur ein Konsumartikel ist. Unmittelbar nach dem Erscheinen des Buchs hat Berthold Seliger bekannt gegeben, dass er seine Konzertagentur im nächsten Jahr nach mehr als 25 Jahren schließen will. Offenbar hat ihn die Beschäftigung mit dem Thema Musikindustrie selbst zuallererst zum Nachdenken angeregt.
Besprochen von Carsten Beyer
Berthold Seliger: Das Geschäft mit der Musik. Ein Insiderbericht
Edition Tiamat, Berlin 2013,
352 Seiten, 18,00 Euro
Edition Tiamat, Berlin 2013,
352 Seiten, 18,00 Euro