Streitschrift gegen Grass

Günter Grass' Novelle "Katz und Maus" wurde 1967 von Hans Jürgen Pohland verfilmt. Seine satirische Überspitzung der Vorlage verärgerte den Autor. 40 Jahre später vergleicht der Schriftsteller Enno Stahl die Novelle mit dem Film - und findet den Film viel besser.
Mit einer frechen Streitschrift kratzt der Schriftsteller und Journalist Enno Stahl am Ruhm des literarischen Monuments Günter Grass. Sein Buch "Für die Katz und wider die Maus" behauptet mit schnoddriger Verve, dass die Verfilmung von Grass‘ Novelle "Katz und Maus" durch den Berliner Regisseur und Produzenten Hans Jürgen Pohland besser sei als die eitel verschnörkelte Vorlage.

Enno Stahls Liebesobjekt ist indes kaum mehr als ein Phantom, selten im Kino und nicht verfügbar als DVD-Edition. Regisseur Hans Jürgen Pohland hatte zu den Unterzeichnern des legendären Oberhausener Manifests gehört und träumte von einem entstaubten jungen deutschen Film. Grass‘ Geschichte über eine Clique ahnungsloser, vom Militär faszinierter Schüler in Danzig während des Zweiten Weltkriegs reizte ihn zum Experiment; anstelle einer braven Literaturverfilmung suchte Pohland die satirische Überspitzung, er stellte die Handlung ein wenig um und gab ihr mithilfe des Kabarettisten Wolfgang Neuss aktuellen Zeitbezug. Die Sechziger waren schließlich das Jahrzehnt des Vietnamkriegs, diese Gegenwart sollte nicht verschleiert werden.

Es war "alles für die Katz", denn Grass mochte die Deutung nicht dulden, und zudem entfachten Altnazis, Sittenwächter und Literaturbewahrer aus ihren jeweiligen Blickwinkeln den Skandal. Anstößig galt eine Szene, in der Jungen ein Wett-Onanieren veranstalten. Geradezu blasphemisch eine andere, in der sich Grass‘ Hauptfigur Mahlke, ein pubertierender Exzentriker, das Ritterkreuz eines ertrunkenen Soldaten am Ordensband um den Hals schlingt, um seinen großen Adamsapfel, genannt "die Maus", zu schmücken oder zu verdecken. Kurz nach der Premiere des Films 1967 drohten so viele Klagen, dass "Katz und Maus" von der Bildfläche verschwand.

Enno Stahls Buch wägt die Eigenheiten der Novelle und des Films anschaulich gegeneinander ab, ohne dass eine spitzfindige Grass-Lektüre vorausgesetzt wird. Deutlich argumentiert es "wider die Maus", jenes monströse Männlichkeitszeichen, das der Autor kurzerhand als ironische Metapher auf Günter Grass verwendet. Er mag dem Nobelpreisträger nicht nachsehen, dass der die gediegene Adaption der "Blechtrommel" gut hieß, Pohlands wagemutige "Katz und Maus"-Version jedoch mit Änderungsforderungen überzog.

Die Fallgeschichte mutet aus dem zeitlichen Abstand wie eine amüsante Randepisode der bundesrepublikanischen Kulturgeschichte an, doch fördert Enno Stahl viele Briefdokumente, Filmkritiken und Politiker-Interventionen zu Tage, die deutlich zeigen, wie dreist die Ewiggestrigen die Deutungshoheit über einen Filmstoff reklamierten, der sich mit Deutschland unter Hitler auseinandersetzte. Einzig Willy Brandt behielt Contenance. Als seine Söhne Lars und Peter Brandt für die Rolle des jungen und des älteren Mahlke in "Katz und Maus" engagiert wurden, bat er in einem Brief an den Regisseur, ihnen nicht durch unbedachte Provokationen das Leben nach dem Film zu erschweren.

Besprochen von Claudia Lenssen

Enno Stahl: Für die Katz und wider die Maus, Pohlands Film nach Grass
Verbrecher Verlag, Berlin 2012
112 Seiten, 14,00 Euro
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