"Ich komponiere mit Wolle"
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Sie gilt als Ikone der Westberliner Underground-Szene der 70er und 80er: Claudia Skoda. Mit ihren ausgefallenen Designs revolutionierte sie die Strickmode, ihre Modenschauen waren spektakulär. Eine Ausstellung in Berlin würdigt ihr Schaffen.
Ausgefallene Mode auf den Leib gestrickt – das ist das Markenzeichen der Designerin Claudia Skoda, figurbetont, möglichst ohne Nähte, voller Fantasie. Wir besuchen die Strickdesignerin in ihrem Atelier in Berlin-Mitte: Räume voller Kleider, Pullis, Garnrollen – mitten drin ihre riesige Strickmaschine. "Ich probiere viel, im Grunde wie ein Komponist, der komponiert, so komponiere ich mit Wolle."
Claudia Skoda hat die Strickmode revolutioniert; sie gilt als eine Schlüsselfigur der Westberliner Undergroundszene der 1970er- und 80er-Jahre. Schon früh experimentiert sie nicht nur mit Garnen; sie nutzte auch Bast, Tonbänder, gummiartige Fäden – ihre Entwürfe sind mehr als Mode, sie sind ein Statement. "Ich hab' mich auch nicht nach Marktvorgaben gerichtet, sondern versucht, ein Teil zu kreieren, was man so noch nicht kennt, also von der Optik, Silhouette – immer irgendwie ungeahnt, überraschend."
Kindheit "in Bergen von Tüll"
Die Liebe Skodas zur Mode wird früh gelegt. Sie ist 1943 in Berlin geboren, schon der Großvater und der Vater sind Maßschneider. Eines der Geschäfte liegt im Berliner Stadtteil Steglitz, unweit des "Titania-Palastes", damals ein Revuetheater. Als Kind sitzt sie "in Bergen von Tüll" und bestaunt die Tänzerinnen, die sich neue Kostüme anpassen lassen. Ihre Kindheit ist aber auch von Verlusten geprägt; als Claudia Skoda zehn Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden, ihre Zwillingsbrüder und sie kommen in Internate. Die Stiefmutter schottet die Tochter jahrelang von der leiblichen Mutter ab. Erst als sie 18 ist, zieht sie zu ihrer Mutter.
Maßschneidern wie ihre Vorfahren will sie nicht, sie will freier arbeiten, bringt sich das Stricken als Autodidaktin bei. "Angefangen habe ich mit Hosen, kleinen Anzügen im Stil der Sixties, dann kamen diese bunten feinen Garne, die ich gefunden habe. Und dann fing ich an, diese Flatterkleidchen zu machen in bunten Farben, Regenbogenfarben."
David Bowie und Iggy Pop regelmäßig zu Gast
Inspiration bekommt sie später auch in der Kreativ-Wohngemeinschaft "fabrikneu", die sie in den 70er-Jahren mit ihrem Mann, einem Bildhauer und anderen Künstlern und Künstlerinnen bewohnt. Regelmäßige Gäste sind auch Stars wie David Bowie, Iggy Pop oder Martin Kippenberger. Legendär das Schwarz-Weiß-Foto Kippenbergers, das Claudia Skoda in einem Berliner U-Bahnhof zeigt; die Strickmaschine lässig umgehängt. In diese Zeit Fallen auch ihre extravaganten Modenschauen, zunächst in ihrer WG, später an den ungewöhnlichsten Orten. Für die Schau "Big Birds" verlegt Skoda den Laufsteg in eine riesige Voliere.
Anfang der 80er-Jahre wagt Claudia Skoda den Sprung nach New York, eröffnet einen Laden im Szeneviertel Soho, in der Nachbarschaft von Vivienne Westwood und anderen Modegrößen. Ein Highlight: der Besuch der Sängerin Cher. Claudia Skoda hatte sie schon lange Zeit zuvor eingeladen, aber nie eine Antwort bekommen. "Und in den letzten vier Wochen, als wir einen Sale hatten, bevor ich das Geschäft aufgegeben habe, da stand sie tatsächlich vor der Tür." Und kaufte.
Ausstellung in Berlin
Zurück in Berlin erlebt Claudia Skoda den Mauerfall, die gebürtige Westberlinerin ist begeistert. "Das war dann mein Ersatz-New-York, 'ne neue Stadt, Berlin neu entdecken mit den Möglichkeiten in Ostberlin." Ihre Läden hat Claudia Skoda mittlerweile aufgegeben, sie arbeitet nur noch nach Kundenaufträgen.
Eine Rückschau auf ihre Zeit in den 70er- und 80er-Jahren bietet derzeit die Ausstellung "Claudia Skoda. Dressed to Thrill", die bis zum 18. Juli 2021 in der Berliner Kunstbibliothek am Kulturforum zu sehen ist.
(sus)