Stroemfeld Verlag ersinnt Rettungsaktion
Gerade noch konnte der Stroemfeld Verlag mit dem 20. Band die Vollendung der Herausgabe der Handschriften Hölderlins feiern, da steckt er in existentiellen Nöten. Eine Bank hat ihm die Kreditlinie gestrichen. Verleger KD Wolff bat nun in einem Rundbrief alle Freunde, für 100 Euro Bücher zu kaufen, um seinen Verlag zu retten.
Katrin Heise: Gerade noch durfte der Stroemfeld Verlag dem Beifall lauschen und die Bewunderung spüren, als er Anfang September die Frankfurter Hölderlinausgabe mit Band 20 beendete. 33 Jahre Arbeit stecken in dem Mammutprojekt, so etwas muss ein Verlag erst einmal durchhalten. Nicht selten war das Ganze wohl auch vom Untergang bedroht, und jetzt – nach erfolgreicher, gefeierter Auslieferung des Schlussbandes –, jetzt ist der Stroemfeld Verlag plötzlich tatsächlich in Gefahr. Eine Bank strich die Kreditlinie des Verlages. Ich spreche jetzt mit KD Wolff, dem Begründer vom Stroemfeld Verlag. Wir erwischen ihn natürlich auf der Buchmesse. Ich grüße Sie, Herr Wolff!
KD Wolff: Guten Tag!
Heise: Sind Sie eins der ersten Opfer der Finanzkrise?
KD Wolff: Ach, das kann man so direkt vielleicht nicht sagen, aber die Regelungen, die in den letzten Jahren diskutiert worden sind, die unter dem Namen Basel I und Basel II laufen, die beeinträchtigen uns. Man hätte denken können, die Banken hätten damit lieber Lehman Brothers besser behandeln, besser prüfen sollen, statt immer zu denken, dass die ein AAA-Rating haben. Und stattdessen werden halt kleine Firmen bedrängt. Wir haben einen Überziehungskredit seit, ich glaube, sechs Jahren gehabt, mit einer persönlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft eines Freundes, und dieser Kredit wurde jetzt kurzfristig gekündigt, weil er sich nach den Richtlinien von Basel II nicht mehr darstellen lasse. Wir haben jetzt einen Rundbrief an alle unsere Freunde geschrieben und sie gebeten, für 100 Euro Bücher zu kaufen oder uns Darlehen zu geben, und ich hoffe, dass wir mit diesem Appell das Geld zusammenkriegen und den Kredit bei der Bank ablösen können.
Heise: Denn jetzt woanders einen Kredit zu bekommen in den heutigen Zeiten, scheint unmöglich zu sein?
KD Wolff: Bis jetzt ist uns das jedenfalls von niemandem angeboten worden, aber gerade eben war der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt bei uns am Stand und hat sich für nächsten Dienstag mit mir verabredet, und hat auch angedeutet, dass er irgendwas für uns machen will. Die Städte haben ja doch immer noch verschiedene Einflussmöglichkeiten, da sitzt der eine oder der andere in irgendwelchen Aufsichtsräten, mal sehen, was dabei rauskommt.
Heise: Was bedeutet das jetzt eigentlich konkret für Ihren Verlag, für das tägliche Geschäft?
KD Wolff: Na, wir haben ja eigentlich genug Arbeit. Wir sind ja ein kleiner Verlag, der mit sechs Leuten große Editionen realisiert, und jetzt muss ich halt die letzten drei Wochen andauernd rumrennen und versuchen, Geld aufzutreiben. Ich würde mich lieber um die neue Robert Walser-Ausgabe kümmern.
Heise: Ihrem Verlag kann man ja nun absolut nicht das Schielen nach dem schnellen Geschäft vorwerfen. Er zeichnet sich vor allem durch das Durchhaltevermögen aus, ich habe es ja schon erwähnt. 33 Jahre arbeitete man da an der nun gefeierten, vollständigen Hölderlin-Ausgabe. Sind solche ehrgeizigen Editionsvorhaben in heutigen Zeiten einfach, wie Ihre Bank schreibt, nicht mehr darstellbar, nicht mehr durchführbar?
KD Wolff: Na ja, die Banken denken ja schon lange, dass unbedrucktes Papier wertvoller ist als bedrucktes. Bedrucktes soll schnell abgeschrieben werden, und wenn wir eine gewisse Zähigkeit nicht hätten, dann würde es die Editionen, die Handschriften von Hölderlin, die Handschriften von Kafka, jetzt die Handschriften von Robert Walser, sicher würde es die dann nicht geben. Und diese Zähigkeit, die wird uns auch eine Sparkasse aus der Gegend hier nicht abgewöhnen.
Heise: Das passt doch insgesamt irgendwie ein bisschen zu der Kritik, die Marcel Reich-Ranicki gerade äußerte, an der Fernsehunterhaltung. Alles irgendwie schnell, alles ein bisschen flach, und wenn es um tiefe Projekte geht, dann hat man Schwierigkeiten - oder sehen Sie sich da nicht unbedingt mit in einer Linie?
KD Wolff: Es wäre eigentlich schön gewesen, wenn jemand wie Reich-Ranicki, als er noch "Das literarische Quartett" im Fernsehen gemacht hat, auch mal eine von unseren Editionen erörtert hätte, aber da hat er immer gesagt: Nein, das geht im Fernsehen nicht! Also insofern hat er vielleicht jetzt auch auf sein Alter noch was dazugelernt.
Heise: Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Honnefelder sprach gestern hier im Radiofeuilleton auch die Schwierigkeiten an, die Verlage haben durch große Vorauszahlungen. Das sind aber Schwierigkeiten, mit denen Sie nicht unbedingt zu kämpfen haben?
KD Wolff: Nein. Die Autoren, die wir verlegen, sind ja zum großen Teil nicht mehr lebendig, wir verlebendigen sie, aber auf andere Weise.
Heise: Wie nehmen Sie jetzt im Moment die Stimmung auf der Buchmesse wahr, was die Ökonomie der Verlage angeht, die Schwierigkeiten, die finanziellen?
KD Wolff: Die kleinen Verlage haben alle Sorgen. Und was die großen angeht, das kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich glaube, die kleinen Verlage können nur durchhalten, wenn sie das, was sie können, und das, was sie besser können als große Verlage, wenn sie da dran festhalten und es weitermachen.
Heise: Ihr Verlag, der Stroemfeld Verlag, gilt als einer mit einem unverwechselbaren Profil und auch als Musterfall eines unabhängigen Verlages. Haben Sie Angst, dass das jetzt in Gefahr gerät, dass Sie nicht mehr unabhängig sein können?
KD Wolff: Wenn Sie damit darauf anspielen wollen, dass vielleicht irgendein größerer Verlag oder eine Bank uns gerne kaufen würden - solche Gespräche würde ich gerne führen. Bis jetzt hat es solche Angebote nicht gegeben. Ich glaube, die großen Verlage haben eher Angst gehabt davor, was wir machen. Wir haben jetzt – die Kleist-Ausgabe wird ja auch gerade fertig – das erste Mal den Fall, dass ein größerer Verlag sich für eine Lizenz von einer unserer Editionen beworben hat, und dann wird wohl demnächst unsere Kleist-Ausgabe erst in einer Ausgabe bei Hanser auch erscheinen und danach dann auch als Taschenbuch bei DTV.
Heise: Das heißt, Sie schauen schon hoffnungsvoll in die Zukunft, gerade auch jetzt, zu Zeiten der Frankfurter Buchmesse?
KD Wolff: Die Frankfurter Buchmesse ist für uns ganz entscheidend, nicht so sehr, dass heute noch Buchhändler kämen, das ist weniger der Fall, aber es gibt auch sehr viele Leser, die auf die Buchmesse gehen, um auch Sachen anzugucken, die sie bei ihrem Buchhändler nicht mehr finden. Da kommt jemand und sagt: Ach, ich habe ja schon oft von Ihrer Frankfurter Hölderlin-Ausgabe gehört, aber jetzt kann ich sie hier mal angucken.
Heise: Ich danke Ihnen, KD Wolff, Begründer des Stroemfeld Verlages, und drücke Ihnen die Daumen.
KD Wolff: Guten Tag!
Heise: Sind Sie eins der ersten Opfer der Finanzkrise?
KD Wolff: Ach, das kann man so direkt vielleicht nicht sagen, aber die Regelungen, die in den letzten Jahren diskutiert worden sind, die unter dem Namen Basel I und Basel II laufen, die beeinträchtigen uns. Man hätte denken können, die Banken hätten damit lieber Lehman Brothers besser behandeln, besser prüfen sollen, statt immer zu denken, dass die ein AAA-Rating haben. Und stattdessen werden halt kleine Firmen bedrängt. Wir haben einen Überziehungskredit seit, ich glaube, sechs Jahren gehabt, mit einer persönlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft eines Freundes, und dieser Kredit wurde jetzt kurzfristig gekündigt, weil er sich nach den Richtlinien von Basel II nicht mehr darstellen lasse. Wir haben jetzt einen Rundbrief an alle unsere Freunde geschrieben und sie gebeten, für 100 Euro Bücher zu kaufen oder uns Darlehen zu geben, und ich hoffe, dass wir mit diesem Appell das Geld zusammenkriegen und den Kredit bei der Bank ablösen können.
Heise: Denn jetzt woanders einen Kredit zu bekommen in den heutigen Zeiten, scheint unmöglich zu sein?
KD Wolff: Bis jetzt ist uns das jedenfalls von niemandem angeboten worden, aber gerade eben war der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt bei uns am Stand und hat sich für nächsten Dienstag mit mir verabredet, und hat auch angedeutet, dass er irgendwas für uns machen will. Die Städte haben ja doch immer noch verschiedene Einflussmöglichkeiten, da sitzt der eine oder der andere in irgendwelchen Aufsichtsräten, mal sehen, was dabei rauskommt.
Heise: Was bedeutet das jetzt eigentlich konkret für Ihren Verlag, für das tägliche Geschäft?
KD Wolff: Na, wir haben ja eigentlich genug Arbeit. Wir sind ja ein kleiner Verlag, der mit sechs Leuten große Editionen realisiert, und jetzt muss ich halt die letzten drei Wochen andauernd rumrennen und versuchen, Geld aufzutreiben. Ich würde mich lieber um die neue Robert Walser-Ausgabe kümmern.
Heise: Ihrem Verlag kann man ja nun absolut nicht das Schielen nach dem schnellen Geschäft vorwerfen. Er zeichnet sich vor allem durch das Durchhaltevermögen aus, ich habe es ja schon erwähnt. 33 Jahre arbeitete man da an der nun gefeierten, vollständigen Hölderlin-Ausgabe. Sind solche ehrgeizigen Editionsvorhaben in heutigen Zeiten einfach, wie Ihre Bank schreibt, nicht mehr darstellbar, nicht mehr durchführbar?
KD Wolff: Na ja, die Banken denken ja schon lange, dass unbedrucktes Papier wertvoller ist als bedrucktes. Bedrucktes soll schnell abgeschrieben werden, und wenn wir eine gewisse Zähigkeit nicht hätten, dann würde es die Editionen, die Handschriften von Hölderlin, die Handschriften von Kafka, jetzt die Handschriften von Robert Walser, sicher würde es die dann nicht geben. Und diese Zähigkeit, die wird uns auch eine Sparkasse aus der Gegend hier nicht abgewöhnen.
Heise: Das passt doch insgesamt irgendwie ein bisschen zu der Kritik, die Marcel Reich-Ranicki gerade äußerte, an der Fernsehunterhaltung. Alles irgendwie schnell, alles ein bisschen flach, und wenn es um tiefe Projekte geht, dann hat man Schwierigkeiten - oder sehen Sie sich da nicht unbedingt mit in einer Linie?
KD Wolff: Es wäre eigentlich schön gewesen, wenn jemand wie Reich-Ranicki, als er noch "Das literarische Quartett" im Fernsehen gemacht hat, auch mal eine von unseren Editionen erörtert hätte, aber da hat er immer gesagt: Nein, das geht im Fernsehen nicht! Also insofern hat er vielleicht jetzt auch auf sein Alter noch was dazugelernt.
Heise: Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Honnefelder sprach gestern hier im Radiofeuilleton auch die Schwierigkeiten an, die Verlage haben durch große Vorauszahlungen. Das sind aber Schwierigkeiten, mit denen Sie nicht unbedingt zu kämpfen haben?
KD Wolff: Nein. Die Autoren, die wir verlegen, sind ja zum großen Teil nicht mehr lebendig, wir verlebendigen sie, aber auf andere Weise.
Heise: Wie nehmen Sie jetzt im Moment die Stimmung auf der Buchmesse wahr, was die Ökonomie der Verlage angeht, die Schwierigkeiten, die finanziellen?
KD Wolff: Die kleinen Verlage haben alle Sorgen. Und was die großen angeht, das kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich glaube, die kleinen Verlage können nur durchhalten, wenn sie das, was sie können, und das, was sie besser können als große Verlage, wenn sie da dran festhalten und es weitermachen.
Heise: Ihr Verlag, der Stroemfeld Verlag, gilt als einer mit einem unverwechselbaren Profil und auch als Musterfall eines unabhängigen Verlages. Haben Sie Angst, dass das jetzt in Gefahr gerät, dass Sie nicht mehr unabhängig sein können?
KD Wolff: Wenn Sie damit darauf anspielen wollen, dass vielleicht irgendein größerer Verlag oder eine Bank uns gerne kaufen würden - solche Gespräche würde ich gerne führen. Bis jetzt hat es solche Angebote nicht gegeben. Ich glaube, die großen Verlage haben eher Angst gehabt davor, was wir machen. Wir haben jetzt – die Kleist-Ausgabe wird ja auch gerade fertig – das erste Mal den Fall, dass ein größerer Verlag sich für eine Lizenz von einer unserer Editionen beworben hat, und dann wird wohl demnächst unsere Kleist-Ausgabe erst in einer Ausgabe bei Hanser auch erscheinen und danach dann auch als Taschenbuch bei DTV.
Heise: Das heißt, Sie schauen schon hoffnungsvoll in die Zukunft, gerade auch jetzt, zu Zeiten der Frankfurter Buchmesse?
KD Wolff: Die Frankfurter Buchmesse ist für uns ganz entscheidend, nicht so sehr, dass heute noch Buchhändler kämen, das ist weniger der Fall, aber es gibt auch sehr viele Leser, die auf die Buchmesse gehen, um auch Sachen anzugucken, die sie bei ihrem Buchhändler nicht mehr finden. Da kommt jemand und sagt: Ach, ich habe ja schon oft von Ihrer Frankfurter Hölderlin-Ausgabe gehört, aber jetzt kann ich sie hier mal angucken.
Heise: Ich danke Ihnen, KD Wolff, Begründer des Stroemfeld Verlages, und drücke Ihnen die Daumen.