Das grüne Kabel durch die Nordsee
06:38 Minuten
Wasserkraft aus Norwegen gegen Windkraft aus Deutschland: Mit dem Seekabel Nordlink soll Ökostrom in beide Richtungen durch die Nordsee fließen. Sogar die Umweltverbände befürworten die Trasse, obwohl sie mitten durch das Wattenmeer führt.
"It's coming. Es geht los. It’s coming." Was eine Winde da langsam aus einem Leerrohr unter dem Nordseedeich hervorzieht, ist ein oberschenkeldickes Kabel. Es kommt von einem Verlegeschiff, das 300 Meter vor der schleswig-holsteinischen Küste im Watt festgemacht hat.
"Das, was Sie hier heute sehen, ist der schwierigste Kilometer, weil wir hier Ebbe und Flut haben. Wir haben immer das Wetterrisiko und wir haben natürlich hier den Nationalpark Wattenmeer, den es zu schützen gilt", sagt Gunnar Spengel.
"Das, was Sie hier heute sehen, ist der schwierigste Kilometer, weil wir hier Ebbe und Flut haben. Wir haben immer das Wetterrisiko und wir haben natürlich hier den Nationalpark Wattenmeer, den es zu schützen gilt", sagt Gunnar Spengel.
Er leitet das sogenannte Nordlink-Projekt beim Netzbetreiber Tennet. Hier soll eines Tages Ökostrom fließen zwischen Norwegen und Deutschland, die beteiligten Unternehmen sprechen deswegen gerne von einem grünen Kabel – auch wenn das, was unter dem Deich hervorkommt, ziemlich grau verschmiert aussieht.
Wasserkraft aus Norwegen, Windkraft aus Deutschland
Seit drei Jahren wird an der über 600 Kilometer langen, vorwiegend in den Grund der Nordsee eingespülten Stromtrasse gebaut, 2020 soll sie in Betrieb gehen. Und das Erstaunliche ist: Es gab weder Proteste noch Klagen – obwohl das Kabel mitten durch den Nationalpark Wattenmeer führt.
"Hier oben wissen wir, dass wir die Energiewende brauchen. Wir brauchen diese Kabel, diese Anbindung." Hans-Jürgen Lütje ist der Bürgermeister von Büsum, einem herausgeputzten Urlaubsstädtchen an der Nordseeküste. Ganz in der Nähe quert das Nordlink-Kabel den Deich. Bisher stehen die vielen Windparks an Schleswig-Holsteins Westküste gerade dann häufig still, wenn sie bei stürmischem Wetter besonders viel Elektrizität produzieren könnten.
"Hier oben wissen wir, dass wir die Energiewende brauchen. Wir brauchen diese Kabel, diese Anbindung." Hans-Jürgen Lütje ist der Bürgermeister von Büsum, einem herausgeputzten Urlaubsstädtchen an der Nordseeküste. Ganz in der Nähe quert das Nordlink-Kabel den Deich. Bisher stehen die vielen Windparks an Schleswig-Holsteins Westküste gerade dann häufig still, wenn sie bei stürmischem Wetter besonders viel Elektrizität produzieren könnten.
In Zukunft soll ein Teil der Überschüsse über Nordlink nach Norwegen exportiert werden. Und bei Flaute könnte dann Strom aus dortigen Wasserkraftwerken ins deutsche Netz zurückfließen, bis in den Süden nach Bayern. Wenn denn die Stromtrassen dorthin rechtzeitig gebaut werden. Europas Energiewende braucht diesen Zusammenschluss der Stromnetze. Und Schleswig-Holsteins Küstenregion profitiert auch wirtschaftlich davon, sagt Hans-Jürgen Lütje:
"Es gibt ja viele Bürgerwindparks zum Beispiel, wo die Bürger beteiligt sind. Und dadurch, dass auch viel Gewerbesteuer hier hängen bleibt. Wir haben eine kleine Gemeinde, die hat nicht mal 300 Einwohner, die haben eine Million Gewerbesteuer im Jahr durch die Windmühlen, das ist enorm."
"Es gibt ja viele Bürgerwindparks zum Beispiel, wo die Bürger beteiligt sind. Und dadurch, dass auch viel Gewerbesteuer hier hängen bleibt. Wir haben eine kleine Gemeinde, die hat nicht mal 300 Einwohner, die haben eine Million Gewerbesteuer im Jahr durch die Windmühlen, das ist enorm."
Klimaschützer gegen Naturschützer
Der Preis dafür ist eine Landschaft, in der sich Tausende Rotoren drehen. Dazu kommen die großen Offshore-Windparks. Die sind zwar so weit von der Küste entfernt, dass man sie vom Ufer aus nicht sehen kann. Doch auch sie brauchen Starkstromkabel, und die müssen den Nationalpark Wattenmeer queren, ein besonders sensibles Ökosystem mit vielen geschützten Pflanzen- und Tierarten.
Umwelteingriffe für umweltfreundliche Energie – Rainer Schulz war an diesem Konflikt von Anfang an beteiligt. Der Biologe arbeitet seit 25 Jahren in der Schutzstation Wattenmeer. "Quer durch den Naturschutz ist quasi eine Spaltung aufgetreten", erzählt Schulz. "Auf der einen Seite sagen die Klimaschützer: Wir brauchen unbedingt Offshore-Windkraft als regenerative Energiequelle. Und die Naturschützer heben aber dann den Finger und sagen: Aber bitte nicht auf Kosten der Meeresnatur."
Schutz der Brandgänse
Auch die Planungen für ein Unterseekabel nach Norwegen hat Rainer Schulz genau beobachtet. Begonnen hatten sie schon 1995. Damals sollte die Trasse auf geradem Weg mitten durch das strengste Schutzgebiet führen, die sogenannte Ruhezone. Für die Stromnetzbetreiber wäre es die billigste Lösung gewesen, für die Vogelwelt aber fatal.
"Im südlichen schleswig-holsteinischen Nationalpark mausern jedes Jahr im Juli, August und September bis zu 200.000 Brandgänse. Die sind dann größtenteils flugunfähig für einige Wochen und sehr empfindlich", sagt Rainer Schulz. "Und in diesem Gebiet wollten wir natürlich möglichst gar keine Eingriffe haben. Und deshalb haben wir damals gegen den Vorgänger des Nordlink-Kabels auch sogar geklagt, um diese Trasse zu verhindern."
In den Jahren danach gab es viel Streit um die Kabelanbindung der neuen Offshore-Windparks, zwei weitere Klagen der Naturschutzverbände folgten. Am Ende stand 2010 eine außergerichtliche Einigung: Alle Kabel werden auf der sogenannten Büsum-Trasse gebündelt, ganz in der Nähe von Schifffahrtswegen und an allen Ruhezonen des Nationalparks vorbei. "Wir waren eigentlich ganz froh, dass Nordlink nicht nochmal auf eine eigene Trasse bestanden hat, sondern dass wir jetzt diese Bündelung mit den Windstromkabeln dort haben", sagt Rainer Schulz.
"Im südlichen schleswig-holsteinischen Nationalpark mausern jedes Jahr im Juli, August und September bis zu 200.000 Brandgänse. Die sind dann größtenteils flugunfähig für einige Wochen und sehr empfindlich", sagt Rainer Schulz. "Und in diesem Gebiet wollten wir natürlich möglichst gar keine Eingriffe haben. Und deshalb haben wir damals gegen den Vorgänger des Nordlink-Kabels auch sogar geklagt, um diese Trasse zu verhindern."
In den Jahren danach gab es viel Streit um die Kabelanbindung der neuen Offshore-Windparks, zwei weitere Klagen der Naturschutzverbände folgten. Am Ende stand 2010 eine außergerichtliche Einigung: Alle Kabel werden auf der sogenannten Büsum-Trasse gebündelt, ganz in der Nähe von Schifffahrtswegen und an allen Ruhezonen des Nationalparks vorbei. "Wir waren eigentlich ganz froh, dass Nordlink nicht nochmal auf eine eigene Trasse bestanden hat, sondern dass wir jetzt diese Bündelung mit den Windstromkabeln dort haben", sagt Rainer Schulz.
Das Verlegeschiff ist eine Touristenattraktion
Eigentlich sollte das Kabel schon im vergangenen Sommer vollständig verlegt sein. Doch dann hat das Wetter einen Strich durch die Rechnung von Projektleiter Gunnar Spengel gemacht.
"Im letzten Jahr haben wir hier im Büsumer Watt auf eine Springtide gewartet. Die brauchen wir, um über das Büsumer Watt herüberzukommen. Eine Springtide erfolgt alle 30 Tage und wir haben zum Zeitpunkt der Springtide leider schlechtes Wetter bekommen, so schlechtes Wetter, dass wir die Arbeiten abbrechen und den Einzug auf 2019 verschieben mussten. Wir hatten bei der ganzen Seekabelverlegung ungefähr ein Jahr Puffer, von daher ist das für uns unschön, ja, aber es ist alles kein Problem."
Die Verzögerung hat ihren Preis. Trotzdem sollen die Gesamtkosten des Nordlink-Projekts unter zwei Milliarden Euro bleiben. Und für die Urlauber ist das Verlegeschiff, das jetzt schon im zweiten Sommer vor dem Büsumer Deich liegt, eine Attraktion. Lothar Schulz, der die Strandaufsicht für die Gemeinde führt, beobachtet es täglich:
"Die sind alle sehr neugierig, was hier gemacht wird. Jeder kommt hier hin: Was ist das? Ist das ein Schiff oder sonst was? Sie machen Fotos. Man sieht so etwas ja auch nicht alle Tage. Und beschwert hat sich hier überhaupt noch gar keiner."
"Im letzten Jahr haben wir hier im Büsumer Watt auf eine Springtide gewartet. Die brauchen wir, um über das Büsumer Watt herüberzukommen. Eine Springtide erfolgt alle 30 Tage und wir haben zum Zeitpunkt der Springtide leider schlechtes Wetter bekommen, so schlechtes Wetter, dass wir die Arbeiten abbrechen und den Einzug auf 2019 verschieben mussten. Wir hatten bei der ganzen Seekabelverlegung ungefähr ein Jahr Puffer, von daher ist das für uns unschön, ja, aber es ist alles kein Problem."
Die Verzögerung hat ihren Preis. Trotzdem sollen die Gesamtkosten des Nordlink-Projekts unter zwei Milliarden Euro bleiben. Und für die Urlauber ist das Verlegeschiff, das jetzt schon im zweiten Sommer vor dem Büsumer Deich liegt, eine Attraktion. Lothar Schulz, der die Strandaufsicht für die Gemeinde führt, beobachtet es täglich:
"Die sind alle sehr neugierig, was hier gemacht wird. Jeder kommt hier hin: Was ist das? Ist das ein Schiff oder sonst was? Sie machen Fotos. Man sieht so etwas ja auch nicht alle Tage. Und beschwert hat sich hier überhaupt noch gar keiner."