Von der Energiewende zum europäischen Markt
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NordLink ist ein wichtiger Baustein der Energiewende, der Versorgungssicherheit bringen soll. In Deutschland ist das Hochspannungskabel, das überwiegend auf dem Grund der Nordsee verläuft, weitgehend akzeptiert. Skepsis regt sich eher in Norwegen.
Am Badestrand etwas außerhalb von Büsum, einem herausgeputzten Urlaubsstädtchen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. 300 Meter vor dem Deich liegt ein stählernes Ungetüm im Watt und macht merkwürdige Geräusche. Urlauber zücken ihre Kameras.
"Die sind alle sehr neugierig was hier gemacht wird", sagt Lothar Schulz. "Jeder kommt hier hin: Was ist das? Ist das ein Schiff oder sonst was? Machen Fotos. Man sieht so was ja auch nicht alle Tage."
Lothar Schulz ist als Minijobber bei der Gemeinde als Strandaufsicht beschäftigt.
"Ich erzähle den Leuten dann, dass hier das Kabel NordLink von Norwegen hier runtergelegt wird nach Deutschland und die jetzt dabei sind, das Kabel einzuziehen. Und dann sind sie hier durch die Nordsee durch. Ja, und dann sind die Leute damit zufrieden und haben wieder was Neues gehört."
Ab 2020 soll hier regenerativer Strom fließen
Eigentlich sollte die über 600 Kilometer lange Stromtrasse, die vom Verlegeschiff in den Grund der Nordsee eingespült wird, schon im vergangenen Jahr fertiggestellt werden. Doch dann hat das Wetter einen Strich durch die Rechnung von Projektleiter Gunnar Spengel gemacht:
"Im letzten Jahr haben wir hier im Büsumer Watt auf eine Springtide gewartet. Die brauchen wir, um über das Büsumer Watt herüber zu kommen. Und wir haben zum Zeitpunkt der Springtide leider schlechtes Wetter bekommen, so schlechtes Wetter, dass wir die Arbeiten abbrechen und den Einzug auf 2019 verschieben mussten. Wir hatten bei der ganzen Seekabelverlegung ungefähr ein Jahr Puffer, von daher ist das für uns unschön, ja, aber es ist alles kein Problem."
Ein grünes Leuchtturmprojekt
Fast zwei Milliarden Euro investieren die Stromnetzbetreiber Tennet und Statnett zusammen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau in das NordLink-Projekt. Sie sprechen gerne von einem grünen Kabel – auch wenn das, was gerade vom Verlegeschiff abgerollt und unter dem Deich hindurchgezogen wird, ziemlich grau verschmiert aussieht.
Der Sprecher von Tennet, Mathias Fischer, sagt:
"Das Kabel ist eine ganz wichtige Verbindung damit wir viel erneuerbare Energie ins Netz bekommen und damit wir auch die Versorgungssicherheit hoch halten können in Deutschland, das ist ein Leuchtturmprojekt der Energiewende."
Geldsegen durch Gewerbesteuer
Bisher stehen die vielen Windparks an der Nordseeküste häufig still, wenn sie bei stürmischem Wetter besonders viel Elektrizität produzieren könnten. Denn es fehlen die Kabel, um den Strom zu den Verbrauchern im Süden zu bringen.
In Zukunft soll ein Teil der Überschüsse über NordLink nach Norwegen exportiert werden. Bei Flaute könnte dann Strom aus dortigen Wasserkraftwerken ins deutsche Netz zurück fließen. Proteste oder Klagen gab es gegen den Zusammenschluss der Stromnetze nicht.
Auch Hans-Jürgen Lütje, der Bürgermeister von Büsum, ist dafür:
"Hier oben wissen wir, dass wir die Energiewende brauchen. Auch weil viele Profiteure sind. Es gibt ja zum Beispiel auch viele Bürgerwindparks, an denen die Bürger beteiligt sind. Und dadurch, dass auch viel Gewerbesteuer hier hängen bleibt. Wir haben eine kleine Gemeinde, die hat nicht mal 300 Einwohner, die haben eine Million Gewerbesteuer im Jahr durch die Windmühlen, das ist enorm."
Norweger befürchten Strompreisanstieg
Auf der anderen Seite der Nordsee gibt es dagegen auch skeptische Stimmen. An Norwegens Fjorden werden Aluminium, Zink und andere Metalle produziert – eine energieintensive Industrie, die trotz der hohen Löhne dort angesiedelt ist, weil der Strompreis dank vieler Wasserkraftwerke weniger als ein Drittel des deutschen Strompreises beträgt.
Atle Naterstad, Schatzmeister im Gemeinderat von Kvam, der größten Stadt am Hardangerfjord, sagt:
"Viele fürchten, dass die Integration in den europäischen Markt zu stark steigenden Strompreisen führen wird. Unser Wohlstand basiert ja auf Elektrizität. Wenn sie teurer wird, gefährdet uns das doppelt: Wir müssen alle mehr für unseren Strom bezahlen und die Fabriken hier könnten abwandern."
Stein Håvard Auno widerspricht. Er leitet das NordLink-Projekt beim staatlichen norwegischen Netzbetreiber Statnett.
"In unserer Analyse zeigen sich im Jahresdurchschnitt nur leichte Veränderungen des Strompreises, denn in der trockenen Jahreszeit muss Norwegen Energie importieren. Bisher beziehen wir sie aus Dänemark und Schweden. Künftig haben wir auch Zugang zum deutschen Markt. Und wir können unsere Wasserkraft nach Deutschland verkaufen, wenn dort der Wind nicht weht."
"Hier entsteht ein europäischer Markt"
Für sich alleine betrachtet wird das NordLink-Kabel wohl tatsächlich keine großen Auswirkungen auf Norwegens Strompreis haben. Dafür ist die Übertragungskapazität mit 1,4 Gigawatt – das entspricht der Leistung eines einzelnen Atomkraftwerks – nicht groß genug.
Allerdings gibt es bereits weitere Kabel von Norwegen nach Dänemark und in die Niederlande, eine Verbindung nach England ist gerade in Bau und eine nach Schottland in Planung. Zusammen wird ihre Kapazität acht Gigawatt erreichen – und das entspricht bereits einem Viertel der Gesamtleistung aller norwegischen Kraftwerke.
Tennet-Sprecher Fischer gibt denn auch eine vorsichtigere Prognose:
"Es kann natürlich tendenziell sein, dass sich das Preisniveau ein bisschen angleicht. Das haben Sie aber immer wenn Interkonnektoren gebaut werden. Und dadurch, dass wir ganz Europa vernetzen, wird ein europäischer Markt entstehen. Wenn wir alle nur national denken würden, dann würden wir keine Energiewende in Europa hinbekommen. Und die Klimaziele von Paris, die wollen wir alle gemeinsam erreichen."
Auch Lothar Schulz, der Minijobber am Büsumer Deich, ist für die Energiewende. Jedenfalls im Prinzip.
"Auf der anderen Seite wundert man sich natürlich: Überall wird hier Strom erzeugt mit Windrädern und was der Teufel alles, bloß an meinem Portemonnaie, da merke ich nichts davon", sagt er und lacht.
"Im Gegenteil: ich muss noch mehr bezahlen."