Strukturwandel im Ruhrgebiet

Duisburg gibt nicht auf

Passanten gehen über die Weseler Straße im Duisburger Stadtteil Marxloh an einem Geschäft für Brautmoden vorbei.
Die Weseler Straße in Marxloh wurde bundesweit für ihre vielen türkischen Brautmodengeschäfte bekannt. © picture alliance / Oliver Berg / dpa
Von Stephanie Kowalewski |
Arbeitslosigkeit, vermeintliche "No-go-Areas" und das Loveparade-Unglück: Um das Image von Duisburg ist es schlecht bestellt. Doch die Stadt gibt nicht auf und sieht sich auf einem guten Weg, die Folgen des Strukturwandels zu meistern.
Duisburg, das war mal eine echte Malocherstadt: Hier fuhren die Kumpel unter Tage und hier kochten die Männer in den Hochöfen den weltbesten Stahl. Tun sie auch heute noch, betont Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link:
"Wir sind der größte Stahlstandort Europas. Das wollen wir auch bleiben. Hier wird High-Tech produziert und hier arbeiten rund 20.000 Menschen, sogar einen Ticken mehr, im Bereich Stahl. Immer noch."
Das muss man so betonen, denn der Arbeitgeber der Stahlkocher, ThyssenKrupp, will sich mit dem indischen Tata-Konzern zusammentun. Das könnte ein weiterer, herber Dämpfer für Duisburg werden. Der Strukturwandel geht also weiter.
"Wir müssen unsere Wirtschafts-, unsere Sozialstruktur, unsere Wohnangebote ständig auf den Prüfstand stellen und gucken, wie können wir uns denn da weiterentwickeln."
Vieles ist auf den Weg gebracht: Beim Masterplan Wirtschaft haben Duisburger Unternehmer zusammen mit der Stadt und anderen Organisationen fast 70 Projekte initiiert, die den Standort aufpeppen sollen – das reicht von mehr Kinderspielplätzen bis zum neu eingerichteten Wirtschaftsdezernat. Im Sommer startet das Digitalisierungsprojekt "Smart City", zusammen mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei.
"Und wir erschließen neue Branchen, wie zum Beispiel das Thema Tourismus. Mittlerweile haben wir stark steigende Übernachtungszahlen, über 500.000 im letzten Jahr. Und entsprechend entstehen hier gerade mehrere Hotels."
Und im Stadtteil Wedau wird gerade das größte Wohnbauprojekt Nordrhein-Westfalens realisiert. Hier werden Sozialwohnungen und Lofts mit Blick aufs Wasser gebaut - für finanzstarke Duisburger und die, die es mal werden wollen.

Der Hafen wird zur Drehscheibe

Wasser spielt in der Stadt, in der Rhein und Ruhr zusammenfließen, auch wirtschaftlich eine große Rolle. So war das schon immer, sagt Erich Staake, Chef der Duisburger Hafen AG.
"Die Bedeutung des Duisburger Hafens, als weltgrößter Binnenhafen, wurde damals immer am Güterumschlag gemessen und beruhte ganz wesentlich auf der Montanindustrie."
Ein Containerschiff wird im Duisburger Hafen entladen
Der Duisburger Hafen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt.© Deutschlandradio / Frederik Rother
Doch als die Hüttenwerke und Zechen dicht gemacht wurden, gab es so wenig Stahl und Kohle zu verschiffen, dass dem Hafen das Aus drohte.
"Und niemand hatte eine Idee, weil das war ja wirklich ein Jahrhundertprojekt, so ein riesen Areal umzustrukturieren."
Seit 30 Jahren gestaltet Erich Staake nun schon den Strukturwandel des Duisburger Hafens: Statt Schüttgut werden hier heute Container bewegt, vier Millionen pro Jahr. Und von Anfang an setzte er auf das Zusammenspiel von Wasser, Straße und Schiene. Die Zauberformel für moderne Logistik und für Duisburg.
"Und wir müssen vor allen Dingen einen zentralen Hub, eine Drehscheibe schaffen - im Hinterland der Seehäfen, insbesondere Rotterdam und Antwerpen. Indem wir die Waren hier konsolidieren, aus dieser größten Industrieregion Europas, der Rhein-Ruhr-Region, und indem wir vor allem Ansiedlungserfolge schaffen."
Unter der Dachmarke "logport" entwickelt und vermarktet der Hafen auf ehemaligen Industrieflächen moderne Logistikareale. Logport I entstand 1998 auf dem ehemaligen Krupp-Hüttenwerk-Gelände in Duisburg-Rheinhausen. Gerade entsteht Logport 7, sagt Erich Staake nicht ohne Stolz:
"Über 500 Hektar vermarktet. Man muss sich die Dimensionen mal klar machen. Das gibt es in ganz Europa kein zweites Mal."
Hunderte Firmen haben sich auf den Logistikflächen angesiedelt, mehrmals pro Woche fahren vom Duisburger Hafen aus Züge über die neue Seidenstraße nach China. Das alles sorgt für mehr als 45.000 Arbeitsplätze. Aus dem einstigen Montanhafen ist ein hochmoderner Logistikriese geworden. Ein Vorbild für Häfen in aller Welt und ein gelungenes Beispiel für erfolgreichen Strukturwandel.

Marxloh wurde zum Sorgenkind

Dennoch leidet Duisburg immer noch unter einer überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit von zwölf Prozent. Das spürt man vor allem in Marxloh: einem Stadtteil, der bundesweit in Verruf geriet, weil es hier laut Polizeigewerkschaft "No-go-Areas" geben soll. Das macht die meisten Marxloher und den Oberbürgermeister richtig sauer:
"Es gibt keine ‚No-go-Areas‘ in Duisburg. Es gibt Ecken, wo es nicht schön ist, aber es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass der Staat die Gewalt über bestimmte Straßen verloren hätte."
Aber es stimmt, sagt er, dass Marxloh besonders unter dem Strukturwandel zu leiden hat. Erst zogen die Malocher weg, die sich durch ihre harte Arbeit ein kleines Häuschen am Stadtrand leisten konnten. Dann kamen die Kohle- und Stahlkrisen und der einst reiche Stadtteil wurde zum Sorgenkind in der ohnehin bereits überschuldeten Stadt, erzählt Stadtteilmanagerin Karen Dietrich.
Eine Problemimmobilie im Stadtteil Marxloh: das Haus steht leer und verfällt.
Eine Problemimmobilie im Stadtteil Marxloh: das Haus steht leer und verfällt. © picture alliance / Oliver Berg / dpa
"Wir haben 41 Prozent Transferleistungen. Das heißt Harz IV plus Arbeitslosengeld plus Sozialgeld. Das heißt, sie sind abgehängt wirtschaftlich und auch im Hinblick auf ihre Perspektiven. Was wir brauchen hier, ist Bildung, Bildung, Bildung. Und wir brauchen auch Unterstützung, damit Menschen wissen, wie sie hier besser ankommen können."
Denn heute leben in Marxloh gut 20.000 Menschen, von denen 70 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Noch sind die meisten türkischstämmig. Aber seit ein paar Jahren kommen immer mehr sogenannten Armuts-Immigranten aus Bulgarien und Rumänien in den Stadtteil, weil hier die Mieten so niedrig sind. Mit fatalen Folgen, erklärt mir Karen Dietrich bei unserem Bummel durch das Zentrum des Multi-Kulti-Viertels.

Erfolgreiches Multi-Kulti-Viertel

"Wir haben hier auf der Straße drei oder vier Häuser, die bereits von der ‚Task-Force Problemimmobilien‘ geschlossen worden sind, aufgrund von, ja – baurechtlichen, ordnungsrechtlichen oder Hygieneproblemen."
"Also wenn wir die Straße mal reinschauen: Sie ist begrünt, es stehen Bäume da, schöne bunte Häuser, hier und da ein Erkerchen dran – eigentlich doch chic."
"Eigentlich chic. Also wenn es jetzt mitten in Köln stehen würde, würde man hier bestimmt 2000 Euro im Monat für eine Wohnung bezahlen."
Ein paar Schritte weiter auf der Weseler Straße, die bundesweit für ihre vielen türkischen Brautmodengeschäfte bekannt ist, treffen wir Lydia Windrich, die schon seit 33 Jahren in Marxloh lebt.
"Als ich damals hierher gezogen bin, war die Weseler Straße grau, viele geschlossene Geschäfte. Ja und heute: lebendig, voller Menschen. Einfach klasse."
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