Ein Leben nach Opel
Vor einem Jahr endete im Opel-Werk Bochum ein Kapitel der Industriegeschichte. Statt der 3000 ehemaligen Mitarbeiter hat sich auf dem Gelände ein Turmfalkenpärchen angesiedelt. Hoffnung auf neue Arbeitsplätze gibt es dennoch.
Als vor einem Jahr der letzte Neuwagen im Opel-Werk Bochum vom Band lief, endete nach 52 Jahren und über 13 Millionen produzierten Autos ein Kapitel Industriegeschichte.
In der Kalkulation des Mutterkonzerns General Motors mit Sitz in Detroit war das Werk schlicht nicht mehr rentabel. Zwar kam das Aus absehbar quasi mit Ansage, doch in Bochum fielen auf einen Schlag rund 3.000 Arbeitsplätze weg. Allerdings gehört Schwarzmalen nicht zur Mentalität des Ruhrgebietes. Natürlich sei das ein Schlag für den Arbeitsmarkt und für die betroffenen Opelaner mit ihren Familien gewesen, sagt Dr. Rolf Heyer, Geschäftsführer der Projektgesellschaft "Bochum Perspektive 2022":
"Aber auf der anderen Seite ist das natürlich auch ne Chance auf neue Arbeit, neue Arbeitsplätze und natürlich wieder noch mal einen neuen Strukturwandel in Gang zu setzen."
Und zwar auf dem riesigen Gelände des Autobauers, auf dem Abbruchbagger schon ganze Arbeit geleistet haben. Für eine Ansiedlung auf diesem verkehrstechnisch günstig angebundenen Gelände gibt es bereits zahlreiche Interessenten.
Erst Nokia, dann Opel
"Wir haben zurzeit etwa 300 Anfragen gehabt. Von denen sind also wirklich interessiert und nachhaltig interessiert etwa 60, 70. Der größte Interessent, mit dem wir auch in konkreten Verhandlungen sind, ist die Firma DHL, die hier ein Verteilzentrum für Pakete mit einer Leistung von etwa 50.000 Paketen pro Stunde errichten will. Arbeitsplätze in der ersten Ausbaustufe: etwa 500."
Der Leiter der Projektgesellschaft muss auch für vermeintlich kleine Hindernisse auf dem Gelände eine Lösung finden.
"Wir haben zum Beispiel bei der Frage Artenschutz keine Probleme. Da müssen wir zwar ein Turmfalkenpärchen umsiedeln. Da habe ich gerade die entsprechenden Schreiben an mögliche Ersatzstandorte unterschrieben. Das heißt: die werden dann auf Kirchtürme oder ähnliches umgesiedelt."
Aufgrund gesetzlicher Vorschriften, so Rolf Heyer, könne jedoch nicht die gesamte Fläche für eine rein industriegewerbliche Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Mit Blick nach vorn setzt man in Bochum auf eine Verzahnung von Forschung und Produktion.
"Und wir wollen in einem Bereich auch urbane Quartiere schaffen. Insbesondere diese Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Produktion, zwischen Produktion und Technologieentwicklung stärken."
Nach der Schließung des Werkes des finnischen Handy-Herstellers Nokia im Jahr 2008 und dem Aus von Opel hat Bochum über 5.000 Arbeitsplätze verloren. Inzwischen ist die Ruhr-Universität mit rund 6.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in der Stadt, doch eine Universität bietet keine industriellen Arbeitsplätze. Aber genau daran mangelt es nach den Worten der zuständigen IG-Metall-Bevollmächtigten Eva Kerkemeier auch im Umland.
"Wenn ich nur auf die letzten fünf Jahre kucke in dieser Region, sind uns locker 10.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Und die fehlen."
Von 17.900 Arbeitslosen über 14.100 Langzeitarbeitslose
Daran, befürchtet Eva Kerkemeier, wir auch die Erschließung des Opel-Areals wenig ändern.
"Es hilft uns nichts, wenn wir was weiß ich alles Mögliche ansiedeln. Nur: das wird den jetzigen Opelanern nicht helfen, weil die Entwicklung des Geländes dauert Zeit."
Zeit, die den ehemaligen Opel-Beschäftigten davon läuft. Nur knapp 300 von mehr als 2.600, die zurzeit noch von einer Transfergesellschaft betreut werden, haben bisher einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Etwa nach einer Umschulung zum Lokführer bei der Bahn oder bei Berufs- und Werksfeuerwehren. Projektleiter Heyer mag schon von Amtswegen nicht schwarz sehen. Nicht nur, weil der Vertrag mit dem DHL so gut wie unterschriftsreif ist. Sondern auch weil am alten Standort ein Teil von Opel bleibt. In einem zentralen Ersatzteillager wird der Autobauer statt wie geplant 430 nun 700 Mitarbeiter beschäftigen.
"Opel ist dabei 60 Millionen zu investieren. Das sind die guten Botschaften. Das heißt: von den dreieinhalbtausend Mitarbeitern bei Opel bleiben etwa 700 in Lohn und Brot bei Opel."
Auf den ersten Blick fällt die aktuelle Arbeitslosenquote im Raum Bochum mit 9,5 Prozent nicht aus dem Rahmen. Allerdings sind von 17.900 Arbeitslosen über 14.100 langzeitarbeitslos. Und in dieser Statistik taucht noch keiner der ehemaligen Opel-Mitarbeiter auf. Im Jahr eins nach der Werksschließung noch nicht.