Der Traum vom Wiederaufbau des syrischen Kulturerbes
Seit acht Jahren tobt in Syrien der Bürgerkrieg, das Land liegt in Trümmern, große Teile des Kulturerbes sind zerstört. Doch bereits jetzt planen engagierte Syrer den Wiederaufbau der Kulturstätten. Dabei hilft das Deutsche Archäologische Institut.
Ahmad Masri war 20, als der Krieg ausbrach. Als die Kämpfe seine Heimatstadt Aleppo erreichten, hatte er gerade sein Studium abgeschlossen und arbeitete als Architekt.
Ihm war klar, was er zu tun hatte: "Wir sahen, wie unsere Stadt und unser Kulturerbe zerstört wurden. Es gab keine Aufzeichnungen, keine Dokumentation dieser historischen Bauten, die jeden Moment vernichtet werden konnten. Deshalb sind wir in die historische Altstadt gegangen und haben alle Gebäude dokumentiert. Einige meiner Kollegen sind dabei getötet worden, aber wir haben jedes Gebäude regelmäßig überprüft. Viele der Bauten sind inzwischen zerstört worden. Aber wir haben jetzt eine große Datenbank, die alles dokumentiert."
Mit dem Syrischen Verein zum Schutz von Kulturerbe tat Ahmad diese gefährliche Arbeit drei Jahre lang, inmitten der Schlacht von Aleppo – dann verließ er die Stadt und zog in die benachbarte Türkei, nach Istanbul. Nicht etwa, um sich in Sicherheit zu bringen: "Es reichte mir nicht, die historischen Bauten von Aleppo zu dokumentieren, ich wollte sie restaurieren können. Ich bin schließlich Architekt, ich will aufbauen. Deshalb bin ich nach Istanbul gegangen, um Restaurierung zu studieren."
Projekt "Stunde Null"
Am Bosporus kreuzte sich Masris Weg mit dem des Deutschen Archäologischen Instituts, das in Istanbul eine Abteilung unterhält. Das DAI machte sich schon länger Gedanken, was es für das vom Krieg bedrohte Kulturerbe in Irak und Syrien tun könne, sagt der Archäologe Felix Pirson, der die Außenstelle in Istanbul leitet:
"In beiden Ländern ist das DAI schon sehr lange wissenschaftlich aktiv, und insofern stehen wir natürlich auch in der Verantwortung, wenn durch Kriege in Irak und Syrien diese Dinge zerstört werden oder von Zerstörung bedroht sind."
"Stunde Null" heißt das Projekt, das vor zwei Jahren aus diesem Gedanken geboren wurde und vom Auswärtigen Amt finanziert wird. Das DAI und andere deutsche Kulturinstitute stellen sich darin die Frage, was jetzt schon getan werden kann, um nach Ende des syrischen Bürgerkriegs den Wiederaufbau der Kulturgüter zu unterstützen.
Das DAI in Istanbul beschloss, syrische Experten auszubilden: "Wir haben syrische Archäologen, Architekten, Denkmalpfleger angesprochen, ob sie interessiert wären, im Rahmen eines zweijährigen Stipendienprogrammes an eigenen Projekten zu arbeiten, die sie zum Teil aus Syrien mitgebracht haben. Wir haben zum Beispiel einen Kollegen, der in Palmyra im Museum gearbeitet hat und dort vor allem auch für Kulturdenkmäler in der Umgebung Palmyras zuständig war, und der hat hier dann Menschen interviewt, die aus dieser Gegend stammen, und die ihm dann wichtige Informationen zu diesen Kulturstätten gegeben haben. Das konnte er in der Türkei derzeit zum Teil besser machen als in Syrien selbst, weil leider ein Großteil der Bevölkerung dieser Gegend fliehen musste."
Stipendiatenförderung für den Wiederaufbau
Auch Ahmad Masri war unter den fünf Stipendiaten, die zwei Jahre lang am DAI gefördert wurden und jetzt ihre Ergebnisse vorgelegt haben. Sein Projekt befasste sich natürlich mit Aleppo: Er entwarf Pläne für die Restaurierung eines osmanischen Schulgebäudes aus dem 17. Jahrhundert.
"Diese Schule ist bedeutend für die osmanische Ära in Aleppo, aber sie ist schwer beschädigt und muss dringend restauriert werden. Falls ich jemals die Gelegenheit dazu bekommen sollte, will ich vorbereitet sein. Oder für den Fall, dass jemand anderes sie restaurieren kann – die Pläne liegen jetzt schon einmal vor."
Dank des deutschen Stipendiums konnte Masri zudem seinen Master in Restaurierung und Konservierung an einer Istanbuler Universität abschließen. Daneben wurden die Stipendiaten vom DAI mit Seminaren, Workshops und Sprachkursen weitergebildet, begegneten renommierten Experten und knüpften Kontakte für ihre künftige Arbeit in Syrien.
Koordiniert wurde das Projekt am DAI von der syrischen Denkmalschützerin Diana Miznazi, die in ihrer Masterarbeit den Wiederaufbau von Aleppo nach dem Krieg geplant hat:
"Wie die anderen Teilnehmer an diesem Projekt habe ich Wissen, das ganz wichtig ist für Syrien, und ich muss es weitergeben. Wir haben in Syrien keine Studiengänge für Kulturerhalt, und natürlich gibt es keine Studiengänge für Wiederaufbau nach einem Krieg – wer hätte je gedacht, dass wir das einmal brauchen? Das Projekt hier am DAI sehe ich als beste Möglichkeit, dieses Wissen weiterzugeben."
Werden die syrischen Stipendiaten ihr Wissen jemals in Syrien anwenden können? Werden sie ihre Pläne zum Wiederaufbau von Aleppo umsetzen können? "Das wünsche ich mir so! Was ich jetzt tun kann, ist nur: mein Wissen weitergeben. Aber was ich tun möchte, das ist: Selbst hingehen und mir die Hände schmutzig machen, in meiner eigenen Stadt."