Sehnsuchtsort Opernbühne
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Die Bertelsmann Stiftung hat eine Studie zur Ausbildungs- und Beschäftigungssituation junger Sängerinnen und Sänger vorgelegt. Die meisten schaffen es nicht bis auf die große Opernbühne - und müssen als flexible Freiberufler mit wenig Geld auskommen.
Die Musikhochschulen in Deutschland haben voll besetzte Gesangsklassen. Viele junge Sängerinnen und Sänger träumen von einer großen Karriere auf der Bühne - doch die meisten schaffen es noch nicht mal bis zu einem festen Arbeitsverhältnis an einem Opernhaus. Gerade einmal fünf bis maximal zehn Prozent erhalten ein festes Engagement - das meistens auch noch auf einige Monate oder Jahre beschränkt ist und oftmals nicht verlängert wird.
Organisierte Perspektivlosigkeit
Das ist die ernüchternde Situation für viele Abgänger im Fach Gesang, die in einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung analysiert wird. Die Autoren der Studie, Achim Müller und Klaus Siebenhaar vom Institut für Kultur- und Medienwirtschaft Berlin, fassen zusammen: "Die Situation ist hoffnungslos, aber unter Kontrolle."
Aussichtslos ist die Situation vor allem für junge Sängerinnen, die auf feste Stellen in einem Ensemble spekulieren. Die meisten müssen sich freiberuflich breit aufstellen. Das verlangt viel Flexibilität. Die hohe Belastung wird zudem auch noch gering vergütet.
Die Musikhochschulen haben - so ein weiteres Ergebnis der Studie - auf diese Situation in den letzten 15 Jahren bereits reagiert, indem sie immer mehr fachübergreifende Kompetenzen vermitteln und Beschäftigungsalternativen schon im Studium aufzeigen.
Drang auf die deutschen Opernbühnen
Laut Achim Müller und Klaus Siebenhaar gibt es zu viele junge Menschen, die sich "berufen fühlen" - und auch zu viele mit den falschen Stimmlagen. Die Opernbühne biete gerade Männern deutlich mehr Rollen als Frauen. Das liegt an der historischen Entwicklung der Oper.
Und doch seien es vor allem junge Frauen mit leichterem Stimmtimbre, die ein Gesangsstudium abschlössen. Der Bedarf liege aber bei Sängern mit tiefen Stimmlagen, heißt es in der Untersuchung.
Hinzu komme, dass die Bühnen mehr und mehr auf Aussehen achteten und auf die Bereitschaft, sich szenisch zu produzieren. Eine hervorragende Stimme allein zähle schon lange nicht mehr.
Die Ausbildungsinstitute erhalten der Studie zufolge nur dann die volle staatliche Förderung, wenn sie eine volle Auslastung vorweisen können. Somit werden alle Studienplätze belegt, auch mit weniger talentierten Anwärtern. Das größte Manko, das die Studie benennt, ist eine als mangelhaft beschriebene Feedbackkultur an den Hochschulen. Die jungen Menschen erhielten keine offene und ehrliche Meinung zu ihrer Stimme.
Hinzu kommt, dass nicht nur hierzulande ausgebildete Sänger und Sängerinnen auf den Markt drängen, sondern auch solche aus anderen europäischen Ländern, aus Nordamerika und Asien. Für sie alle ist Deutschland ein Opernparadies. Immerhin präsentieren 80 Opernhäuser im Land ihre Programme.
Doch die Ensembles wurden in den letzten Jahren mehr und mehr verkleinert, auch um Rollen flexibel vergeben zu können. Und da immer neue Sänger und Sängerinnen aus den Hochschulen nachströmen, müssen die Bühnen auch nicht vorsichtig mit den Stimmen umzugehen.
(cdr)