Studie zu Portraitfotos

Bitte lächeln!

Ein junges Paar sitzt auf einer Terrasse im Sonnenuntergang.
Ein junges Paar sitzt auf einer Terrasse im Sonnenuntergang. © Imago / Westend61
Von Marcus Richter |
An der US-Universität Berkeley beschäftigen sich Studierende mit dem Lächeln. Sie untersuchten Jahrbücher von US-Colleges. Das Ergebnis: Die Portraitierten lächeln heute öfter und breiter als etwa im Jahre 1905.
Shiry Ginosar und ihre Kollegen an der Universität von Berkeley in Kalifornien wollten eigentlich nicht direkt das Lächeln erforschen, sondern ein hilfreiches Werkzeug für Geisteswissenschaftler bauen. Ihr Ziel: Eine Software soll automatisch entdecken können, wie sich zum Beispiel Gesichter im Laufe der Jahrzehnte verändern. Dabei sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten auffallen, die ein Mensch sofort entdecken würde, zum Beispiel Frisurenmoden oder die Häufigkeit von Brillen.
Menschen sind zwar schnell darin Muster zu erkennen - brauchen aber lange für viele Bilder. Computer sind schnell - müssen aber erst auf Mustererkennung trainiert werden.
"Wir wollen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, welche die Entdeckung solcher Gemeinsamkeiten dem Computer überlassen, der das besser und schneller kann."
Erklärt Shiry Ginosar per Skype direkt aus Kalifornien. Damit das funktioniert, brauchte man am Anfang viele Bildern, die sich möglichst ähnlich sind - was in den USA glücklicherweise kein Problem ist - denn hier gibt es ein Fotoritual, das sich seit hundert Jahren kaum verändert hat.
"Das Format ist immer das Gleiche. Du stehst morgens in deinem letzten High-School-Schuljahr auf, gehst zur Schule, präsentierst dich in deinen schönsten Kleidern und lässt dein Porträt machen."
Amerikanische High Schools - grob vergleichbar mit unseren Gesamtschulen - veröffentlichen jährlich ein sogenanntes "Yearbook". Darin enthalten: Portraits der Schüler. Shiry Ginosa und ihre Kollegen benutzten Jahrbücher, von 1905 bis 2013 und untersuchten die Fotos der jeweiligen Abschlussklassen.
Gründe für mehr Lächeln
Durch Algorithmen wurden nur die Fotos ausgewählt, in denen die Portraitierten direkt in die Kamera schauen. Übrig blieben ein Viertel der ursprünglichen Bilder - immerhin noch 37.921 - und ein hilfreiches Nebenergebnis.
"Und damit bekommen wir automatisch die Schlüsselpunkte des Gesichts. Koordinaten wie den inneren Punkt der Augen, die Außenpunkte der Lippe, das obere Ende der Lippe, den Mittelpunkt der Nase und ähnliche Daten."
Dann hatte ein Student des Teams die simple Idee, einfach die beiden Endpunkte der Mundwinkel mit dem oberen Ende der Unterlippe zu verbinden..
"Raus kommt ein rechtwinkliges Dreieck, an dem man genau die Krümmung des Mundes ablesen kann."
Ein kurzer Testlauf mit bereits untersuchten Fotos ergab: Am Wert dieser Krümmung lässt sich sicher ablesen, ob ein Mensch lächelt oder nicht. Schnell stand fest:
"Wir lächeln anscheinend immer mehr. Zumindest bis 2013 und in Yearbook-Bildern."
Shiry Ginosa nimmt es ganz genau und will nicht über mögliche Gründe für die Ursachen des Lächelanstiegs spekulieren - das sei die Aufgabe der Geisteswissenschaften, sagt sie.
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