Deutschland ist nur mäßig attraktiv für ausländische Fachkräfte
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Fachkräfte verzweifelt gesucht: Mit einem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz setzt Deutschland mal wieder auf die Anwerbung in anderen Staaten. Bei der Attraktivität für Einwanderer sei "durchaus noch Luft nach oben", sagt der Historiker Jochen Oltmer.
Eine Migrationsdebatte jagt die nächste. Es hilft nichts: Ohne Fachkräfte aus dem Ausland sind Arbeitsstellen in Deutschland nicht mehr zu besetzen. Im März kommenden Jahres tritt ein neues Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in Kraft. Danach soll den Außenhandelskammern bei der Suche nach Fachkräften eine zentrale Rolle zukommen.
Die Vorstellung, dass irgendjemand woanders weggehe, komme und bleibe, sei allerdings "grundfalsch", betont der Historiker und Migrationsforscher an der Universität Osnabrück, Jochen Oltmer.
Rückwanderung oder Weiterwanderung seien sehr stark ausgeprägt: "Man braucht einen sehr, sehr langen Atem, wenn es wirklich darum geht, so etwas wie Fachkräftemangel steuern zu wollen."
Schon lange würden Menschen mit einem akademischen Abschluss bei der Einwanderung oder beim Aufenthalt in Deutschland privilegiert, sagt Oltmer. "Hier gibt es inzwischen eine längere Tradition, aber kaum Diskussion."
"Element der Nützlichkeit" in Migrationsdebatten
Viele Menschen hätten offenbar den Eindruck, dass diese Form der Migration der deutschen Gesellschaft nütze. "Und dieses Element der Nützlichkeit ist im Kontext von Debatten über Migration von höchster Bedeutung." Übersehen werde dabei aber, dass Migration auch "Fluktuation" bedeute.
Nach einer aktuellen Studie ist Deutschland für hoch qualifizierte Zuwanderer aus dem Ausland nur mäßig attraktiv. Die Untersuchung der OECD - gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung - hat 35 westliche Industrieländer im Hinblick auf ihre Attraktivität für Fachkräfte bewertet. Dabei kam Deutschland bei ausländischen Akademikern nur auf Platz 12. Australien, Schweden und die Schweiz lagen vorn.
Deutschland belegt bei den Nettolöhnen für Hochqualifizierte demnach nur einen Platz im hinteren Drittel. Hauptdefizit für qualifizierte Zuwanderer sind laut OECD aber vor allem schlechte berufliche Perspektiven. So arbeiteten ausländische Akademiker, insbesondere wenn sie aus Nicht-EU-Ländern kommen, in Deutschland häufig in Jobs unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation. Formale Hürden bei der Anerkennung der ausländischen Abschlüsse sowie Diskriminierung werden als weitere Ursachen für Deutschland Attraktivitätsmangel genannt.
Vorteile für ausländische Studierende
Attraktiver könnte Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland werden, wenn auch die Lebenssituation der Familien mitbedacht würde, so etwa der Wunsch des Partners oder der Partnerin, ebenfalls einen Arbeitsplatz zu finden. In Kanada sei dies der Fall. Eine wichtige Rolle für den Anwerbeerfolg spiele auch, wie divers und offen für Zuwanderung eine Gesellschaft sein. Da sei in Deutschland "durchaus noch Luft nach oben", sagt Oltmer.
Deutschland schneidet hingegen bei internationalen Studierenden sehr gut ab und gehört hier zu den drittattraktivsten Ländern unter den westlichen Industriestaaten, unter anderem weil keine Studiengebühren erhoben werden und weil Jobben neben dem Studium vergleichsweise einfach ist.
(huc)
Deutschland ist nur mäßig attraktiv für ausländische Fachkräfte; hier den Beitrag über die OECD-Studie hören: