"Politik ist Machen und nicht Quatschen"
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Mit der AfD hat sich die parlamentarische Debattenkultur verändert. Das bestätigt eine Studie über den Landtag in Stuttgart. Die derbere Sprache spiegele eine Gesellschaft, die immer weniger kompromissbereit sei, sagt Journalist Hajo Schumacher.
Mehr Störungen und Beschimpfungen: Mit dem Einzug der AfD in die Parlamente hat sich der Ton dort merklich verändert. Das stellt eine Studie des Leibniz-Instituts für deutsche Sprache in Mannheim fest, die im Auftrag von Deutschlandfunk und SWR den Landtag von Baden-Württemberg untersucht hat. Danach kamen auch Themen wie der Umgang mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus deutlich häufiger als in der vorangegangenen Wahlperiode vor.
"Ich glaube, der Blick auf die Sprache ist etwas kurz", kommentiert der Journalist und Buchautor Hajo Schumacher. "Die Sprache ist nicht nur derber, sondern vor allem auch polarisierter geworden. Das heißt, die gemeinsame Spielfläche, die Kompromissfläche wird immer kleiner. Insofern ist die Sprache nur ein Zeichen für eine gesellschaftliche Entwicklung, die auch ganz viel mit Digitalisierung zu tun hat."
Psychologen würden das Phänomen kennen, wonach man unbedingt zu seinem Stamm gehören wolle, so Schumacher. "Es ist ein bisschen so wie bei Fußballfans. Wenn ich Fußballfan bin, dann schalte ich meinen Verstand auch manchmal aus und finde eigentlich alles toll, was mein Verein macht, und alles ekelhaft, was die anderen machen."
Ja-Nein-Entscheidungen statt Verhandlungen
Diese Polarisierung gebe es inzwischen auch in der politischen Debatte, die wie in den USA oder Großbritannien immer mehr zu "Ja-Nein-Entscheidungen" gemacht werde. Die Politik allerdings handele aus und bedarf nach Auffassung Schumachers einer "Kultur des Miteinanders". Dabei wendet er sich aber auch gegen ein "Gleichmachen", wie es in den letzten Jahren der Großen Koalition zugeschrieben wurde. "Ich glaube nur, wenn eine bestimmte Gruppe unser demokratisches System generell ablehnt, dann ist sie auch nicht kompromissbereit, sondern dann ist alles schlecht, was von denen kommt."
Schumachers Vorschlag: "Anstatt jeden Tag eine Stunde vor Twitter zu sitzen, kann man vielleicht auch einmal die Woche anderthalb Stunden bei einer Partei, bei irgendeiner politischen Organisation mitmachen. Politik ist Machen und nicht Quatschen."
(bth)