Studierende in Frankfurt am Main

Obdachlose Erstsemester

Viola von der Eltz, die im ersten Semester Medizin studiert, sitzt am 07.10.2014 in Frankfurt am Main auf einem Feldbett im Studierendenhaus.
Zu Semesterbeginn fehlen Unterkünfte für Studierende - und das nicht erst seit diesem Jahr. © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Von Ludger Fittkau |
Kein Studentenheim, keine WG, keine eigene Wohnung: Die Situation von Erstsemestern in Frankfurt am Main ist dramatisch. Und weil sie keine Bleibe finden, müssen viele in Notunterkünften übernachten.
Die Lage ist hier furchtbar! Ganz viele Leute, die hier studieren, die müssen über die Hälfte des Geldes, was sie haben, in einzelne Zimmer investieren. Die Neuvermietung liegt bei 400, 500 Euro aufwärts."
"Dass es eigentlich keine Wohnungen mehr gibt in der Innenstadt, vor allen Dingen für Studies. Und wenn, dann unbezahlbar und eigentlich nur für die Bourgeoisie-Elite von Studies, die vom Elternhaus direkt alles bezahlt bekommen, sonst gibt es keine Wohnungen."
"Ich kenne das WG-Leben, ich weiß, wie es hier aussieht. Es ist schon schwierig, in Frankfurt WGs zu kriegen, also das Durchschnittszimmer für 600 Euro."
"Die Lage wird nur noch schlimmer! Wo soziale Wohnungsbauten einfach komplett fehlen und über die zunehmende Verdichtung in Frankfurt, wo aber Wohnungen für begüterte Leute gebaut werden und nicht für Studierende oder für arme Leute, für Arbeiterinnen, für wen auch immer."

Riesiger Frust

Wen man auch fragt vor dem Sozialzentrum des Studentenwerks auf dem Campus Bockenheim in Frankfurt am Main – der Frust über das Wohnungsangebot für die 60.000 Studierenden der Stadt ist riesig:
"Und für das Studentenheim habe ich mich seit anderthalb Jahren beworben und es hat immer noch nicht geklappt."
"Zum Wintersemester ist es immer schwierig, wenn du dann keine Alternative hast, wie bei deinen Eltern wohnen, ist es blöd."
"Und das ist ein sehr großes Problem! Ich habe schon Studierende erlebt, die hier im Studi-Haus schlafen müssen."

Feldbetten beim AStA

Das "Studi-Haus" ist eigentlich keine Notunterkunft für obdachlose Studierende, sondern das Kommunikationszentrum des AStA der Goethe-Uni Frankfurt am Main. Doch auch in diesem Jahr werden die Versammlungsräume schon in der kommenden Woche wieder notdürftig als Übernachtungsräume für Erstsemester eingerichtet, die für das Mitte Oktober beginnende Wintersemester noch auf Wohnungssuche sind.
"In den letzten Jahren war es immer so, dass 50 bis 70 Leute hier waren. Dann wurden drei Räume eröffnet und so wird es auch dieses Jahr wieder sein. Das ist ein Schlafsaal für Frauen, einer für Männer und ein gemischter. Hier sind dann Feldbetten oder Isomatten, Leute bringen sich Schlafsäcke mit und schlafen hier den ganzen Tag über und können hier gemeinsam kochen und andere Dinge tun."
"Das ist eine Katastrophe. Die Leute haben ihre Ersti-Woche, das auch noch auf einem anderen Campus, das heißt, man muss pendeln. Sind total neu in der Stadt, kennen sich hier vielleicht gar nicht aus, kommen aus einem anderen Bundesland, dann erfahren sie – wir schalten Werbung auf Immobilienportalen – erfahren die davon, dass sie auf den Portalen einfach nichts finden und hier schlafen können."
Manche hätten auch nach einer Woche noch nichts gefunden, erzählt Newal Yalcin:
"Es passiert dann auch, dass man schauen müsste, wenn es wirklich sehr, sehr viele sind, ob man dann tatsächlich noch eine zweite Woche öffnet. Wir versuchen aber auch immer, die Personen unterzubringen. Bei Leuten, die man kennt, die vielleicht einen Platz in der WG auf der Couch haben oder ähnliches. Und das ist halt absurd, dass das der AStA macht für die Studierenden und das wir dafür sorgen müssen, dass Leute, die hier neu hinkommen und von nichts eine Ahnung haben, untergebracht werden müssen."

Hessen beitet zu wenig Unterkünfte

Gleich neben dem Studierendenhaus liegt das Sozialzentrum des Campus-Bockenheim der Goethe-Uni Frankfurt am Main mit rege genutzter Cafeteria. Betrieben wird das Haus vom örtlichen Studentenwerk, das auch für den Bau und den Betrieb von Wohnheimplätzen zuständig ist. Doch auch davon gibt es in Frankfurt viel zu wenige, erklärt Konrad Zündorf, der Geschäftsführer des örtlichen Studentenwerks. Ganz Hessen liege bei der Versorgung mit Wohnheimplätzen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Besonders drastisch ist die Lage in Frankfurt und Darmstadt. Ein Grund ist, so Konrad Zündorf …
"… dass über Jahrzehnte viel zu wenig gebaut wurde. Wir haben in den letzten 15 Jahren angefangen, zu bauen und auch massiv zuzulegen. Wir haben deutlich über 1000 Plätze gebaut. Aber in der Zeit sind gleichzeitig auch noch die Studierendenzahlen gestiegen, also wir haben jetzt fast 80.000 Studierende und hatten vor zehn Jahren etwa 50.000. Und insoweit haben diese Fortschritte bei der Versorgungsquote nichts gebracht."
Die Quote liegt bei sieben Prozent aller Studierenden, der bundesweite Durchschnitt liegt bei zehn Prozent. Die hessischen Studentenwerke haben deshalb allen Landtagsparteien vor der Wahl am 28. Oktober Wahlprüfsteine vorgelegt. Gefragt wurde unter anderem, was die Parteien tun wollen, um die studentische Wohnungsnot zu lindern. Konrad Zündorf von Studentenwerk Frankfurt am Main beschreibt die Reaktionen von CDU und SPD, die den Ministerpräsidenten stellen wollen:
"Also, ich muss sagen, dass ich bei den großen Parteien, also denen, die voraussichtlich oder möglicherweise die Regierung stellen, mindestens das Verständnis da habe, auch das Versprechen da ist, dass man an der Stelle mehr tun wird. Aber es ist auch noch nicht so konkret, dass man wirklich die Parteien festlegen kann, es wird tatsächlich diese Versorgungsquote von zehn Prozent und eine angemessene Förderung geben. Und das würden wir natürlich begrüßen, wenn das im Wahlkampf noch käme."

Demo für mehr bezahlbaren Wohnraum

Bayern sei da beispielsweise Hessen deutlich voraus - auch was die Zuschüsse für den Bau von Studierendenheimen betrifft.
Der AStA der Goethe-Uni will sich im Landtagswahlkampf nicht mit Appellen an die Politik begnügen. Er unterstützt deshalb die Initiative "Mietentscheid" von Initiativen und Verbänden in der Stadt, die zur Europawahl 2019 ein Plebiszit für deutlich stärkeren Sozialwohnungsbau durchsetzen will. Felix Sauer vom AStA erklärt, dass in der ersten Stufe des Bürgerentscheids 20.000 Stimmen gebraucht werden:
"Und so, wie das aussieht und wie wir die Lage in der Uni einschätzen, werden wir diese Unterschriften locker bekommen."
Vor der Landtagswahl am 28. Oktober werden die Studierenden in Frankfurt am Main auf die Straße gehen- am 20.Oktober wollen sie für mehr bezahlbaren Wohnraum demonstrieren – mit vielen anderen Initiativen der Stadt:
"Ich glaube, es ist wichtig, wirklich auf diese Demo zu gehen, zu demonstrieren und auch zu schauen, dass man außerhalb von Wahlen einen beständigen Druck aufbaut. Und das nicht nur alle vier Jahre kurz mal darüber gesprochen wird."
"Ich bin ein großer Fan von Demos. Aber ob es hilft? Ich kann nur hoffen, Daumen drücken."
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