"Ausgesprochen dämlich" oder "legitim"?
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AfD-Gründer Bernd Lucke lehrt wieder an der Uni. Die Proteste der Studierenden gegen ihn seien berechtigt, finden einhellig Robert Fietzke von der Linken und Ruprecht Polenz von der CDU. Über die Form allerdings streiten sie.
Seine Rückkehr an die Uni Hamburg hatte sich AfD-Gründer Bernd Lucke sicher anders vorgestellt. Mehrere hundert Studierende verhinderten am Mittwoch Luckes Makroökonomik-Vorlesung, indem sie im Hörsaal Transparente entrollten, Lucke mit Parolen wie "Nazi-Schwein" beschimpften, mit Papierkugeln bewarfen und auch körperlich bedrängten. Die Studierendenvertretung hatte zu Protesten aufgerufen – allerdings vor dem Gebäude. Zur Begründung sagte Asta-Vorsitzender Karim Kuropka: "Herr Lucke trägt durch die Gründung und seinen zweijährigen Parteivorsitz der AfD eine erhebliche Mitschuld an der gesellschaftlichen Spaltung, die durch die AfD mittlerweile hervorgerufen wird." Im Hörsaal dann kam Lucke kaum zu Wort – und verließ nach knapp zwei Stunden den Campus. Die Kritik der Protestierenden wies er zurück. Sie richteten sich "gegen den Falschen", sagte Lucke: "Ich habe gekämpft gegen die rechtsextremen Stimmungen und bin unterlegen. Deshalb habe ich kein Verständnis für diese Proteste."
Ist es legitim, die Lehre zu verhindern?
Die Universität betont, das Grundrecht auf freie wissenschaftliche Lehre müsse auch für Lucke gelten. Sein Seminar am Donnerstag nun konnte Lucke ungestört abhalten, die Studierendenvertretung traf er zum Gespräch.
Was bleibt, ist die grundsätzliche Frage: Sind solche Verhinderungsaktionen legitim oder undemokratisch? Für den Linkenpolitiker Robert Fietzke ist der Protest grundsätzlich legitim und auch sehr gut begründet. Ähnlich sieht das der CDU-Politiker Ruprecht Polenz und spricht von einer berechtigten Willensbekundung. Gleichzeitig betont er: "Auch Herr Lucke ist als Volkswirt und als Professor der Universität Hamburg jemand, der die Wissenschaftsfreiheit in Anspruch nehmen kann, und dazu gehört auch ungestört Vorlesungen über Makroökonomie halten zu können."
Linkenpolitiker Fietzke zitiert als Beleg dafür, dass dieses Recht Lucke auch eingeräumt wird, die Studierendenvertretung, die betont, dass auch sie nicht die Lehre Luckes stören, sondern ihn "inhaltlich und sachlich" kritisieren wollten. "Man kann den Protest kritisieren, man kann kritisieren, dass der Begriff ‚Nazischwein‘ verwendet worden ist, aber das Problem ist wesentlich komplexer, als sich über den Stil zu unterhalten: Ich finde den Protest legitim und möchte das begründen mit Aussagen, die er getätigt hat", sagt Fietzke.
Mit Slogans wie "Klassische Bildung statt Multi-Kulti-Umerziehung" habe die AfD auch schon unter Lucke geworben, auf Plakaten habe die AfD damals den NPD-Slogan "Wir sind nicht das Weltsozialamt!" verwendet. Lucke selbst habe nach der Wahl 2013 von "Entartungen der Demokratie und des Parlamentarismus" gesprochen und sich damit klar des Vokabulars der Nationalsozialisten bedient, begründet Fietze seine Zustimmung für den Protest.
Polenz von der CDU nennt den Protest im Hörsaal und den Umstand, dass es Lucke deshalb unmöglich war, die Vorlesung zu halten, "Wasser auf die Mühlen der AfD, die ja immer mit der Behauptung, es gäbe keine Meinungsfreiheit, durch die Gegend zieht". Insofern sei die Aktion im Hörsaal "ausgesprochen dämlich" gewesen. Der Protest vor dem Hörsaal, wie es es der Asta gemacht habe, sei okay gewesen, betont Polenz.
Sehr klar die Grenze überschritten sei dann, wenn "die freiheitlich, demokratische Grundordnung" in Frage gestellt werde, so Polenz. Diese Grenze habe nach seiner Einschätzung sehr deutlich der Thüringer AfD-Politiker und Lehrer Björn Höcke überschritten: "Wer Beamter sein will, muss die Gewähr dafür bieten, für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Das, was Höcke macht, weckt daran – vorsichtig ausgedrückt – sehr begründete Zweifel." Die Freiheit der Wissenschaft und die Lehre an der Uni sei hier auch noch anders zu bewerten als etwa das Unterrichten von Kindern. "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Herr Höcke noch einmal Geschichtslehrer wird."