Albrecht von Lucke, 1967 geboren, ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist Lucke als Redakteur der politischen Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik".
"Und jetzt?" - Stimmung machen!
Leben in Zeiten des Populismus: Unser zweiter Thementag steht unter dem Motto "Und jetzt?"- Stimmung machen! Auch mit dem Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke haben wir gesprochen, insbesondere über die Diskussion zur Leitkultur. Außerdem ein Thema: die 70. Filmfestspiele in Cannes.
Wie sollen wir auf eine Politik reagieren, die mit Fake News operiert und die Gewaltenteilung in Frage stellt? Wie wichtig sind uns Themen, die von anonymen Massen in den Sozialen Netzwerken hochgejubelt werden? Wie erzeugen als "Lügenpresse" beschimpfte Medien wieder Vertrauen? Sollen sie Stimmung abbilden oder besser selbst für Stimmung sorgen? Das sind Fragen, die man sich in diesen Zeiten fast täglich stellen muss - Fragen, die wir mit dem Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke diskutiert haben.
Leitkultur vs. Integrationsthesen
Mit der Aussage, Deutschland sei nicht Burka, hat Bundesinnenminister de Maizière eine hitzige Diskusssion über die Gepflogenheiten unseres Zusammenlebens losgelöst. Die Initiative kulturelle Integration überreichte Kanzlerin Merkel ihre 15 Thesen zu gesellschaftlichem Zusammenhalt und kultureller Integration.
In der dritten These dieses Papiers heißt es: "Geschlechtergerechtigkeit ist ein Eckpfeiler unseres Zusammenlebens". Damit wird auch Bezug auf die Aussagen de Maizières genommen, der in seinen zehn Thesen zur deutschen Leitkultur unter anderem gesagt hatte: "Wir geben uns zur Begrüßung die Hand."
De Maizières Feststellungen hätten eine "appellative, fast schon autoritäre Stoßrichtung", kritisiert unser Studiogast von Lucke. In West-Deutschland habe man sich vor dreißig Jahren keineswegs die Hand gegeben, das werde jetzt von ihm aber "quasi autoritativ" verordnet. Die oben zitierte dritte These habe viel weiter reichende Dimensionen:
"Das ist ein Satz, der sehr viel mehr mit dem Grundgesetz schwanger geht, in dem ganz klar steht: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Wir müssen die unterschiedlichen Rechte des jeweils anderen respektieren. Deswegen hat er aber auch den stärkeren formalen Zugang. Aber natürlich: ich würde ihn wesentlich eher unterschreiben als den Satz von Thomas de Maizière."
"Das ist ein Satz, der sehr viel mehr mit dem Grundgesetz schwanger geht, in dem ganz klar steht: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Wir müssen die unterschiedlichen Rechte des jeweils anderen respektieren. Deswegen hat er aber auch den stärkeren formalen Zugang. Aber natürlich: ich würde ihn wesentlich eher unterschreiben als den Satz von Thomas de Maizière."
Neue Umfrage: Jeder zweite Deutsche wünscht sich Leitkultur
Doch brauchen wir überhaupt so etwas wie eine Leitkultur? Jeder zweite Deutsche ist für eine Leitkultur als Beschreibung eines gmeeinsamen Wertekanons, so zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "YouGov". In der laufenden Diskussion habe der Innenminister offenbar eine bestimmte Richtung vorgeben wollen, kommentiert von Lucke. Er halte es aber für problematisch, wenn ein Innenminister in einem Wahlkampf einen solchen "autoritativen Debattenaufschlag" unternehme:
"Wir haben aber einen Rahmen, der uns vorgegeben ist. Das ist in der Tat das Grundgesetz. Es sagt sehr genau, was die Rechte eines jeden Menschen sind, wie sie zu beachten sind und wie sie auch nicht zu beachten sind. Was sich in diesem Leitkultur-Bedürfnis artikuliert, ist meinem Eindruck nach eine sehr viel festere Festschreibung gegen die großen Anwürfe, die wir haben."
"Kulturelle Vielfalt ist eine Stärke" ist für viele eine Bedrohung
So empfänden etwa viele Menschen den Satz "Kulturelle Vielfalt ist eine Stärke" als Bedrohung und als problematisch, sagt von Lucke. Diese Aussage findet sich auch in der These 15 des Papiers der Initiative kulturelle Integration mit dem Titel "Zusammenhalt in Vielfalt". Das große Problem bei Fragen der Integration sei, wie das gemeinsame Zusammenleben organisiert werden könne, meint von Lucke:
"Man wird nicht ohne weiteres der Burka-Trägerin diktieren können, dass sie die Burka auszuziehen hat. Das ist eine Frage der Gerichte. Das ist eine Frage des Verfassungsgerichts. Wenn es heißt 'Wir sind nicht Burka', dann ist das ein Satz, der ziemlich klar sagt: 'Das gehört geächtet.' Um es einmal deutlich zu nennen."
"Man wird nicht ohne weiteres der Burka-Trägerin diktieren können, dass sie die Burka auszuziehen hat. Das ist eine Frage der Gerichte. Das ist eine Frage des Verfassungsgerichts. Wenn es heißt 'Wir sind nicht Burka', dann ist das ein Satz, der ziemlich klar sagt: 'Das gehört geächtet.' Um es einmal deutlich zu nennen."