Cécile Calla: Die Französin lebt seit 2003 in Berlin. Von 2006 bis 2010 war sie Deutschland-Korrespondentin für die französische Tageszeitung "Le Monde", bis zum April 2015 Chefredakteurin des deutsch-französischen Magazins "ParisBerlin". Cécile Calla ist Autorin des Buches "Tour de Franz" über ihre Erlebnisse in Deutschland. Für das Buch "Que reste-t-il du couple franco-allemand?" wurde sie mit dem deutsch-französischen Parlamentspreis 2015 ausgezeichnet.
Pariser Attentat ist "Wahlgeschenk für Le Pen"
Elf Kandidatinnen und Kandidaten - Frankreich hat am Sonntag die Wahl, wer in die Stichwahl um das Präsidentenamt einzieht. Für Marine Le Pen war das jüngste Attentat in Paris ein "Wahlgeschenk", sagt die französische Journalistin Cécile Calla. Außerdem in "Studio 9": Facebook will unsere Gedanken lesen.
Der erste Wahlgang zur Präsidentenwahl in Frankreich wird weltweit mit Spannung erwartet. Am Sonntag stellen sich zwei Kandidatinnen und neun Kandidaten der Bevölkerung. Die beiden Erstplatzierten ziehen in die Stichwahl am 7. Mai.
Wird es ein Duell zwischen dem sozialliberalen Hoffnungsträger Emmanuel Macron und der Führerin des Front National, Marine Le Pen? Oder sorgen der Konservative Francois Fillon und der Linksaußenkandidat Jean-Luc Melenchon noch für eine unerwartete Überraschung? Driftet Frankreich in die Extreme?
Als Frau und Mutter inszeniert
Für Cécile Calla ist klar: Marine Le Pen wird in die Stichwahl kommen. "Die Ideen von Le Pen haben große Teile der französischen Bevölkerung infiziert." Zudem wäre das jüngste Attentat in Paris "ein Wahlgeschenk für Marine Le Pen". Die Vorsitzende des rechtsextremen Front National hätte den Wahlkampf mit ihren Themen wie nationale Grenzen, Protektionismus und Kontrolle der Migration bestimmt. Überraschend viele Frauen würden für Le Pen stimmen wollen. "Sie hat sich im Wahlkampf als Frau und Mutter inszeniert." Le Pen also die kommende Präsidentin? Das bezweifelt Calla. Im zweiten Wahlgang "wird es sehr schwer".
Angst und Depression
Von der französischen Gesellschaft zeichnet Cécile Calla ein düsteres Bild. Die viel beschriebene Brüderlichkeit in Frankreich "verspüre ich nicht". dafür aber "Angst und Depression". Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit, jeder vierte unter 25 Jahren ist ohne Beschäftigung, "drückt sehr auf die Stimmung". Selbst Menschen aus der Mittelklasse würden sich Sorgen um die Zukunft machen.
Frankreich hat einen "Minderwertigkeitskomplex"
Nicht nur Le Pen droht mit dem Austritt aus der EU, auch Linkspopulist Melenchon versucht damit Stimmen zu gewinnen. Die Einheit Europas scheint einmal mehr gefährdet. Wie könnte Deutschland den Kontinent zusammenhalten? Die Deutschen "müssten aufpassen mit ihrer oberlehrerhaften Haltung gegenüber Frankreich und anderen europäischen Ländern", so Calla. Gerade Frankreich "hat gegenüber Deutschland einen großen Minderwertigkeitskomplex". Im Finanzbereich wäre es daher an der Zeit, "Kompromisse zu finden und einige heilige Kühe zu opfern".