Studio 9 - Der Tag mit Ferda Ataman

"Wir verhalten uns als Journalisten wie Getriebene"

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Die Journalistin Ferda Ataman fordert mehr Zurückhaltung bei der Berichterstattung nach Anschlägen wie in Manchester © Deutschlandradio/Mareike Knoke
Moderation: Korbinian Frenzel |
Die Journalistin Ferda Ataman kritisiert, dass viele Medien sich im Wettrennen mit Twitter versuchen. Sie plädiert stattdessen dafür, sich eher als "Gatekeeper für seriöse Informationen" zu verstehen und zunächst echte Nachrichten abzuwarten.
Es ist die große Frage nach dem Warum. Nach dem Anschlag von Manchester mit mindestens 22 Toten fragen wir nach den Hintergründen der Tat. Und nach dem richtigen Umgang mit dem Terror. Wie viel Berichterstattung ist richtig, wie viel Emotion wollen wir transportieren? Ab wann betreiben wir genau damit das Geschäft derjenigen, die die freien Gesellschaften mit ihrer Gewalt erschüttern wollen?

Lieber erstmal abwarten

"Es immer das gleiche", sagte die Journalistin Ferda Ataman und Mitbegründerin der Initiative "Neue deutsche Medienmacher" im Deutschlandfunk Kultur. Es passiere etwas Schreckliches und es fehlten zunächst die Informationen über das, was genau passiert ist. "Wir wissen nur, es gibt viel Leid, es gibt Tote – es ist schrecklich." Die Journalisten versuchten die ersten Stunden mit einer Dauerschleife zu füllen. "Minütlich wird da etwas geschrieben, obwohl wir gar nicht so viel wissen, statt erst einmal abzuwarten." Ataman sagte, sie verstehe nicht, warum sich beispielsweise ein Radiosender mit Twitter in Konkurrenz sehe.
In Manchester sind am 23.5.2017 nach der Explosion Anti-Terroreinheiten im Einsatz
Ataman: "Was wäre denn, wenn wir nicht berichten?"© AFP PHOTO / Paul ELLIS

PR als Logik des Terrors

"Wir verhalten uns als Journalisten wie Getriebene", kritisierte sie. Stattdessen sollte man sich lieber wie ein "Gate-Keeper für die seriösen Informationen" verhalten. Auf Twitter werde so getan, als stehe schon fest, dass es sich in Manchester um einen islamistischen Anschlag gehandelt habe und auch mögliche Konsequenzen wie die Ausweisung von Flüchtlingen würden bereits debattiert. "Man stelle sich einfach mal vor, es passiert ein Terroranschlag und die großen Medien berichten erstmal nicht oder nur das, was passiert", sagte die Journalistin. "Ich würde sogar mal das Gedankenspiel wagen, was wäre denn, wenn wir gar nicht berichten?" Die Logik des Terrors sei schließlich möglichst viel PR. Die Medien lieferten sogar eine "Rundum-PR" und sehr viel Aufmerksamkeit.

Schweigen der Medien

Ataman erinnerte daran, dass die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher bereits 1985 bei der Entführung eines Flugzeugs durch Hisbollah-Milizen gesagt habe, dass das Schweigen der Medien das Ende des Terrors sei. Es gehe ihr als Journalistin nicht darum, dass Medien nicht berichteten, sondern dass man es bei den Nachrichten belasse statt ständiger Live-Ticker und Sondersendungen, sagte Ataman. "Warum nicht eine Sondersendung machen, wenn man dann die ersten echten Informationen hat und auch das Umfeld kennt."

Die Krux mit dem Kreuz

Zu der Debatte über das Berliner Stadtschloss und die Frage, ob das dort geplante Humboldt Forum ein Kreuz bekommen sollte, zeigte sich die Journalistin skeptisch: "Ich liebe Debatten über das Kreuz oder die Burka", sagte Ataman. "Da passiert endlich mal was. Da sind die Gemüter erhitzt und es gibt klare Meinungen." Das finde sie eine schöne Sache. Wenn man sich allerdings ansehe, wofür das Humboldt Forum stehen wolle, gehe das Kreuz gar nicht, sagte die Journalistin. Sie räumte aber ein: "Wir sind ein christlich geprägtes Land, eine Mehrheit der Menschen ist christlich, das muss man überhaupt nicht verstecken." Allerdings verstehe sie nicht, warum das Kreuz auf der Kuppel dieses Gebäudes angebracht werden sollte. Wenn man für alle Kulturen offen sein wolle und für Vielfalt stehen wolle, passe ein Kreuz dort nicht hin.

Ferda Ataman ist Politikwissenschaftlerin und Journalistin und lebt in Berlin. Sie ist Mitbegründerin der Initiative "Neue deutsche Medienmacher".

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