Gesine Schwan ist Präsidentin und Mitgründerin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform. Die Politikwissenschaftlerin ist Mitglied der SPD und Vorsitzende der Grundwertekommission ihrer Partei. 2004 und 2009 kandidierte sie für das Amt der Bundespräsidentin, beide Male scheiterte sie im 1. Wahlgang gegen Horst Köhler.
Macron - ungeliebt wie Clinton?
Zu sehr "System", zu sehr Elite? Wie berechtigt ist die Kritik am französischen Präsidentschaftskandidaten Macron? Das besprechen wir mit der Politologin Gesine Schwan. Außerdem: die Bundeswehr und ihr Korpsgeist, Martin Schulz sowie der "Tag der Pressefreiheit"
Kind der Elite gegen enfant terrible: Im Vorfeld der Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag scheinen sich die Bilder von den beiden Kanidaten in diesem Sinne zu verfestigen. Marine Le Pen vom Front National kämpft gegen das Image, das Land von rechts außen umkrempeln zu wollen und bedient sich auffallend direkt der Sprache des unterlegenen konservativen Kandidaten Francois Fillon.
Die Politologin Gesine Schwan gab im Deutschlandfunk Kultur vor dem heutigen Fernsehduell zwischen den beiden Kandidaten folgende Einschätzung über die Selbstdarstellung Le Pens:
"Ich habe den Eindruck, dass Marine Le Pen erstens sehr geschickt ist als Frau, dort einerseits sozusagen eine verheerende Botschaft zu geben. Und andrerseits mit guter Laune und Dynamik anziehend zu wirken. Und außerdem fischt sie jetzt ganz und gar bei denen, die schlecht dran sind, das heißt ganz und gar in dem früheren linken Lager fischt. Das Argument – und das ist nicht von ungefähr - ist, dass die anderen daran nichts Wesentliches geändert haben."
"Ich habe den Eindruck, dass Marine Le Pen erstens sehr geschickt ist als Frau, dort einerseits sozusagen eine verheerende Botschaft zu geben. Und andrerseits mit guter Laune und Dynamik anziehend zu wirken. Und außerdem fischt sie jetzt ganz und gar bei denen, die schlecht dran sind, das heißt ganz und gar in dem früheren linken Lager fischt. Das Argument – und das ist nicht von ungefähr - ist, dass die anderen daran nichts Wesentliches geändert haben."
Für den linksliberalen Emmanuel Macron, den Favoriten, weht der Wind des Widerstands vor allem von links. Ist er ein Kandidat, hinter dem sich auch die Anhänger der gescheiterten Kandidaten Hamon und Melenchon versammeln? Schwan machte klar, vor welchen Schwierigkeiten Macron jetzt stehe:
"In der Tat hat Macron ein anderes Problem als Le Pen. Weil sie dauernd gegen das Establishment wettert, wird es ihr nicht als inkonsequent angeredet, wenn sich ihr ein Gaullist aus alten Zeiten zuwendet. Während Macron sich nicht zu sehr – auch zum Beispiel den Sozialisten – nähern darf, damit nicht der Vorwurf, er setzt das alte System fort, ihn noch besonders trifft. Das ist schon schwierig."
Prozess der Re-Nationalisierung - auch in der Rede
Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in Frankreich und einer ungeregelten neo-liberalen Politik habe es dort eine "Re-Nationalisierung" auch in der Rede gegeben, sagt Schwan. Es falle vielen Menschen gar nicht mehr auf, was da in "rabiaten Worten" geredet werde.
"Während es sich aber in die Köpfe der Menschen senkt. Und damit durchaus die Hoffähigkeit von Le Pen – oder auch der AfD, das ist ja bei uns eine ganz ähnliche Sache wie mit der CSU – verstärkt. Und deswegen enbtsteht da ein ganz gefährlicher Prozess, dass man das banalisiert, dass man das nicht mehr für so wichtig hält. Andrerseits gibt aber diese Hoffähigkeit den Rechten die Möglichkeit, in weitere Bereiche hineinzugehen."
Wirtschaftswachstum als Garant für Macrons Erfolg?
Wolle Macron als Präsident Erfolg haben, so brauche er Wirtschaftswachstum, so schreibt Joschka Fischer heute in einem Zeitschriftenbeitrag. Dafür müsse auch Deutschland etwas tun, lautet dessen Forderung. Damit zeigt sich Schwan einverstanden:
"Ich glaube auch, dass die Sozialdemokratie sich dazu öffentlich positiv äußern sollte. Macron wird ja auch von Le Pen öffentlich vorgeworfen, dass alle seine Investitionsinitiativen, die er plant, mit den Deutschen gar nicht zu machen sind. Das ist auch ein anti-deutscher Vorwurf, den sie macht. Ich glaube, es ist dringend geboten, hier die Bereitschaft von der deutschen Seite zu nennen. Allerdings hat bisher die CDU/CSU immer das radikal abgelehnt, was dafür unverzichtbar ist."
"Ich glaube auch, dass die Sozialdemokratie sich dazu öffentlich positiv äußern sollte. Macron wird ja auch von Le Pen öffentlich vorgeworfen, dass alle seine Investitionsinitiativen, die er plant, mit den Deutschen gar nicht zu machen sind. Das ist auch ein anti-deutscher Vorwurf, den sie macht. Ich glaube, es ist dringend geboten, hier die Bereitschaft von der deutschen Seite zu nennen. Allerdings hat bisher die CDU/CSU immer das radikal abgelehnt, was dafür unverzichtbar ist."
Bundeswehr: Nestbeschmutzung oder Wachruf?
Die Debatte über den Zustand der Bundeswehr reißt nicht ab - oder ist es eine Debatte um die Führungskultur der zuständigen Ministerin? Ursula von der Leyen wird heute nicht wie geplant nach New York reisen, sondern zum Standort der deutsch-französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg, um sich dort über den Fall Franco A. zu informieren. Der Oberleutnant leistete zuletzt dort seinen Dienst. Er war am Freitag festgenommen worden, weil er offenbar einen Anschlag plante.
In den vergangenen Tagen hatte der Fall mit Bekanntwerden weiterer Fakten immer größere Kreise gezogen. Demnach lagen der Bundeswehr schon seit 2014 Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Offiziers vor, ohne dass Konsequenzen folgten. Berichten zufolge gibt es den Verdacht auf ein rechtes Netzwerk in der Truppe, zudem geht es um Munitionsdiebstahl in Illkirch und eingeritzte Hakenkreuze.
Sind das die Anfänge eines "Staates im Staate"? Entfernt sich die Bundeswehr von der Idee des Staatsbürgers in Uniform - auch als Resultat der Abschaffung der Wehrpflicht? Reagiert die Ministerin richtig, in dem sie den Weg über die Öffentlichkeit sucht?