Harald Welzer ist der Direktor von "Futurzwei – Stiftung Zukunftsfähigkeit" und Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Der Soziologe ist Autor zahlreicher Bücher wie "Opa war kein Nazi" oder "Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden" und zuletzt "Die smarte Dikatur. Der Angriff auf unsere Freiheit".
Keine Rücksicht auf Rüpeleien
Affront gegen Bundesaußenminister Gabriel in Israel: Regierungschef Netanjahu ließ ein Treffen platzen, weil Gabriel sich mit NGOs treffen will. Die Begegnungen mit Oppositionellen dürften auf keinen Fall abgesagt werden, meint Soziologe Harald Welzer. "Es wäre fatal, auf diese Rüpelei Rücksicht zu nehmen." Weiteres Thema: Europa und der Populismus.
Netanjahu sei schon lange als problematischer Politiker bekannt, hinzu käme die Besonderheit des deutsch-israelischen Verhältnisses aufgrund der Geschichte des Nationalsozialismus. Gerade deshalb müssten die deutschen Politiker und Diplomaten in dieser "Minikrise" politisch souverän agieren, eine Entscheidung aus der Situation heraus treffen, meint Welzer. "Je radikaler Netanjahu ist, desto schwieriger wird es, sich dazu zu verhalten. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht bewältigen, das deutsch-israelische Verhältnis wird immer kompliziert bleiben."
Seehofer gefährlicher als die AfD
Die Niederlande - jetzt Frankreich. Europa zeigt sich weniger empfänglich für Populismus als befürchtet, sagt Welzer. Die Situation jetzt sei besonders spannend, weil die Bürger sich von der Situation in den USA "abschrecken lassen, anders als es die Neurechten erwartet haben. Der Impuls geht genau in die andere Richtung. Bürger sagen, ich mache mein Kreuz bei einer demokratischen Partei und engagiere mich politisch." Beunruhigend sei aber, dass Inhalte der Rechten von den etablierten Parteien übernommen würden. Daher sei "Seehofer gefährlicher als die Vertreter der AfD, weil Inhalte sagbar werden, die eigentlich in der rechten Ecke stehen. Der politische Diskurs ändert sich, das ist die eigentliche Gefahr."
Perverse Fußnote: Orban war Stipendiat von Soros
Die drohende Schließung der privaten Central European University in Budapest ordnet Welzer, der selbst schon an der Hochschule gearbeitet hat, als aggressiven Akt der ungarischen Regierung ein. Das passe in das Gesamtkonzert zahlreicher Angriffe auf den US-Milliardär George Soros, der die Universität gegründet hat und finanziert: "Die perverse Fußnote ist, dass Orban Stipendiat der Foundation Soros war und seine politische Situation nicht zu denken ist ohne dieses Privileg." Da seine Politik aber jetzt autoritäre Züge trage, passten Internationalisierung und Modernisierung von Demokratie da nicht mehr rein.