Studio 9 - Der Tag mit Jenni Zylka

Hasskommentare zeigen nicht die Welt

Portraitfoto der Journalistin Jenni Zylka
Die Journalistin Jenni Zylka © Deutschlandradio / Andreas Buron
Moderation: Korbinian Frenzel |
Kommentare unter Internet-Artikeln? Die Kulturkritikerin Jenni Zylka könnte gut darauf verzichten: Es komme ja fast nur Hass. Doch wo hört Meinungsfreiheit auf und wo beginnt Beleidigung? Außerdem: Was haben die meisten Terroristen gemeinsam? Und: Wie viel Inszenierung von Macht ist heute noch nötig?
Manche finden einen bestimmten Kommentar interessant, andere beleidigend. Ein altes Problem, findet Jenni Zylka, das sie selbst nicht lösen könne. Als Autorin allerdings, die selbst auch für Internet-Portale wie Spiegel Online schreibt, meint sie:
"Ich fände es gar nicht so schlecht, wenn dann irgendwann mal die Kommentare nicht mehr alle darunter kommen. Es kommt ja fast nur Hass. (…) Das gibt wieder eine Schieflage von der Welt. So ist die Welt ja auch nicht."
Sie wisse, dass sie sich mit dieser Meinung "wieder Feinde" mache. Zu dem von Justizminister Heiko Maas vorgelegten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Hassbotschaften in den sozialen Netzwerken meint sie: Es brauche Zeit, um Kriterien festzulegen: "Ich glaube auch, dass man manche Sachen verbieten muss."

Trump als Geburtshelfer der "Vereinigten Staaten von Europa"?

Zylka nahm auch zu der Aussage von Kanzlerin Merkel Stellung, wonach Europa jetzt sein Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen müsse. In letzter Zeit habe sich gezeigt, dass Europa nicht funktioniere: "Wenn jetzt wirklich Trump dazu beitragen sollte, dass Europa vielleicht dann wieder so ein bisschen näher zusammenrückt - ich meine, das wäre auch möglich. Vielleicht ist es ja eine Chance, dieses ganze Scheitern."
Dem stimmt auch Almut Möller vom Berliner Büro des European Council on Foreign Relations zu. Was der US-Präsident schaffe, sei zu zeigen, wie wichtig europäischer Zusammenhalt sei. Einige Debatten verliefen bereits stärker europäisch - wie etwa die über eine Reform der Währungsunion, die der neue französische Präsident Emmanuel Macron angestoßen habe. Zu dessen Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin in Versailles sagte Möller: Es sei französische Tradition, Machtprojektionen durch diese Orte zu betreiben. Die Politik des Symbolischen sei weiter wichtig. Aber:
"Wo man auch einen wie Wladimir Putin erwischen kann, (…) dass man zeigt: Wir haben die Kulisse, die Geschichte miteinander, wir haben auch eine Verantwortung. 300 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Frankreich und Russland heißt eben auch, dass man kooperativ an Dinge herangeht und dass das die Erwartung ist, die man auch an Putin hat. Diese Erwartung hat er in den letzten Jahren immer wieder (…) enttäuscht."
Ein weiteres Thema der Sendung: Terrorismus und wie westliche Demokratien darauf reagieren. Zylka sagt, bei der Berichterstattung fehle ihr "seit Jahren" ein Aspekt: Männer und Gewalt. "Was die meisten Gewalttäter auf der ganzen Welt meiner Ansicht nach eint, (…) ist das Geschlecht - mehr als die Herkunft oder die Religion." Es müsse ja nicht gewertet, sondern "einfach gesagt" werden. Dass es größtenteils männliche Täter seien, liege an der Erziehung, so Zylka: "dass Aggression zum Männlichkeitsbild in sehr vielen Kulturen absolut dazugehört, dass die Hemmschwelle deswegen geringer ist".

Jenni Zylka, geboren 1969 in Osnabrück, ist Schriftstellerin, freie Journalistin und Moderatorin aus Berlin. Zylka war regelmässig Jurorin für den Grimme-Preis oder Filmsichterin für die Berlinale, unterichtet angehende Mode-Journalisten im kreativen Schreiben und spielt seit 1986 die Orgel bei der Psychobilly-Band Sunny Domestozs. Für ihre Literatursendung im WDR besucht sie Schriftsteller zuhause. Und Zylka kennt auch die andere Seite: 2003 erschein ihr Roman "1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann", 2004 folgte "Beat Baby, beat!"

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