Kommt jetzt der "Brexit light"?
Kate Connolly, Deutschlandkorrespondentin des "Guardian", bewertet das Ergebnis der Unterhauswahlen in Großbritannien als Zeichen für die Rückkehr der Vernunft. Jetzt stelle sich die Frage, ob das Brexit-Votum in der ursprünglich geplanten Form umgesetzt werden könne.
Darf man nach dem Wahlergebnis zu den Unterhauswahlen in Großbritannien so etwas wie Schadenfreude empfinden? Die "Guardian"-Deutschlandkorrespondentin Kate Connolly zeigt keine Scheu, diesen Ausdruck zu benutzen. Schon beim Brexit-Referendum im Juni 2016 zeigte sie große Emotionen – der Ausstieg brachte sie zum Weinen.
Das heutige Wahlergebnis verknüpft Connolly im Deutschlandfunk Kultur mit den politischen Hintergründen des damaligen Brexit-Votums. Sie schlägt den Bogen zu den aktuellen Ereignissen – dem Verlust der absoluten Mehrheit der Konservativen und dem Debakel für Premierministerin Theresa May:
"Da war schon irgendwie das Gefühl, dass jetzt etwas zurück gekommen ist. Die Tories haben etwas gesucht, um irgendwelche internen Sachen in ihrer eigenen Partei zu lösen. Und das hat zu einer großen Krise geführt. Und dieses Gefühl, Schadenfreude, das kann ich sagen, das habe ich gespürt. Und dann ist es für mich heute sehr emotional – fast so wie vor einem Jahr."
Fatalistische Haltung zum Brexit in Großbritannien
Das Brexit-Votum sei damals ein "tiefer, trauriger Schock" gewesen, sagt Connolly. Heute habe sie den Eindruck, dass die Vernunft bei vielen Menschen wieder zurück gekommen sei. Auch deshalb sei ihr das Wort "Schadenfreude" in den Sinn gekommen.
In Großbritannien sei seit einigen Monaten eine fatalistische Haltung zum Brexit zu beobachten, meint Connolly - auch von den Menschen, die eigentlich für einen Verbleib in der EU gestimmt hätten. Für sie persönlich sei es erträglicher, wenn es künftig zu einem "Brexit light" mit einem Verbleib Großbritanniens in der Zollunion und im Binnenmarkt käme:
"Aber dann ist die Frage, ob es dann ein Brexit ist. Das ist dann auf keinen Fall ein Brexit im Sinne von Nigel Farage und seiner UKIP-Partei, die diese ganze Sache angestoßen hat. Und die Konservativen haben dann nach diesem Referendum gerufen, um diese UKIP zu befriedigen. Es gibt sehr, sehr viele Leute, die irgendwie Angst haben, dass dieser Brexit, den sie haben wollten, jetzt nicht kommen wird."
"Aber dann ist die Frage, ob es dann ein Brexit ist. Das ist dann auf keinen Fall ein Brexit im Sinne von Nigel Farage und seiner UKIP-Partei, die diese ganze Sache angestoßen hat. Und die Konservativen haben dann nach diesem Referendum gerufen, um diese UKIP zu befriedigen. Es gibt sehr, sehr viele Leute, die irgendwie Angst haben, dass dieser Brexit, den sie haben wollten, jetzt nicht kommen wird."
Kate Connolly hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft
Die Journalistin und Kolumnistin Kate Connolly lebt seit über 15 Jahren in Deutschland und ist mit einem Deutschen verheiratet. Sie hat nach dem Brexit-Referendum die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt und auch erhalten. Viele der in Berlin lebenden Briten hätten ähnlich gehandelt, berichtet Connolly:
"Ich kenne keine Person, die hier langfristig gelebt hat, die das nicht gemacht hat. Ich kenne mindestens 20 Leute, Briten, die diesen Antrag gestellt haben. Und viele davon haben das schon bekommen. Also: Das ist ein Trend, kann man sagen."
"Ich kenne keine Person, die hier langfristig gelebt hat, die das nicht gemacht hat. Ich kenne mindestens 20 Leute, Briten, die diesen Antrag gestellt haben. Und viele davon haben das schon bekommen. Also: Das ist ein Trend, kann man sagen."
Sind deutsche Bühnen derzeit eher konservativ?
Neben Großbritannien und der Unterhauswahl war unter anderem auch die Jahrestagung des Deutschen Bühnenvereins Thema der Sendung. Dessen geschäftsführender Direktor Marc Grandmontagne forderte, die deutschen Theater und Orchester sollten stärker als bisher gegen Fremdenhass, Populismus und die Verbreitung von Unwahrheiten in sozialen Medien zu Felde ziehen.
Der Regisseur und künstlerische Leiter des Augsburger Brechtfestivals 2017, Patrick Wengenroth, erwiderte darauf in Studio 9:
"So erhaltenswert die deutsche Bühnenlandschaft ist, merke ich da auch gerade etwas sehr Konservatives bezogen auf die Kunst. Man will alles richtig machen. (…) Deshalb ist es auch so redundant, wenn demnächst das nächste Stück von Frau Jelinek über Trump geht. Ich hab das Gefühl, die Realität ist viel theatraler als das Theater, das versucht, Sachen nachzuahmen."