Stefan Gosepath lehrt am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Gerechtigkeit, Gleichheit, Menschenrechte, Verantwortung, Demokratie, Theorien der Vernunft und Rationalität, Moralphilosophie, Ethik und Handlungstheorie.
"Wir sollten uns die Grundrechte nicht nehmen lassen"
Die SPD hat einen "Zukunftsplan" und denkt wieder über Gerechtigkeit nach. Der Philosoph und Gerechtigkeits-Experte Stefan Gosepath empfiehlt, konsequent auf Bildung zu setzen. Und die Demokratie in Ehren zu halten - dazu gehört auch, die Feinde der Demokratie "auszuhalten".
Zehn Wochen vor der Bundestagswahl versucht sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz erneut an der Offensive und hat in Berlin einen "Zukunftsplan" für Deutschland vorgelegt. Darin macht er sich unter anderem für eine Investitionspflicht des Staates stark, ein Chancenkonto und mehr Bildung.
Über allem schwebt die Vorstellung, Deutschland gerechter zu machen. Doch was ist gerecht? Der Philosoph Stefan Gosepath denkt Verteilungs- und Chancengerechtigkeit zusammen.
Auch bei der Bildung gehe es um Verteilung, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. Um zukünftig wirtschaftlich zu bestehen, müsse der Bildungsgrad weiter steigen. Dass Bildung immer noch stark von der sozialen Herkunft abhänge, sei ungerecht.
Zum von der SPD vorgeschlagenen Chancen-Konto sagte Gosepath, dass jeder dort gleich viel Geld bekommen solle, leuchte ihm nicht ein. Ein großes Problem sei zudem, dass viele Menschen ihre Chancen gar nicht wahrnähmen. "Ich glaube, da wird viel auf den Konten liegenbleiben."
Gosepath plädierte deswegen für Zuckerbrot und Peitsche. Bildungsferne Elternhäuser müsse man ein Stück weit auch in die richtige Richtung "tragen" - bei der frühkindlichen Bildung sei er dafür, diese zur Pflicht zu machen. "Kindergarten sollte Pflicht sein für alle" - insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund.
Je weiter der Bildungsweg gehe, umso mehr könne man dann auch auf Angebote und freie Wahl setzen, so Gosepath. Insgesamt müsse man den Kinder aber vermitteln, dass es bei ihnen lebenslanges Lernen geben werde. Wenn sie dann mit 40 oder 50 Jahren umschulen müssten, seien sie darauf schon mental schon vorbereitet.
Den Vorschlag des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke), das Versammlungsrecht zu ändern, kritisierte Gosepath. Ramelow will damit gegen Neonazi-Konzerte wie das im südthüringischen Themar vorgehen.
Durch die Umsetzung des Vorschlags würde der liberale Rechtsstaat abgebaut - und Demokratie lebe aber im Rechtsstaat, betonte Gosepath:
"Insofern sollten wir uns die Grundrechte nicht nehmen lassen, nur wenn die gesichert sind, können wir die Demokratie auch wirklich ausleben."
Die Bundesrepublik sei insgesamt gut gefahren mit einer liberalen Haltung. "Wir sollten viel mehr geduldiger aushalten können", sagte der Philosoph. (ahe)