Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin, Kolumnistin und Moderatorin in Berlin. Sie studierte Wirtschaftsgeschichte, Germanistik und Volkswirtschaft an den Universitäten Bonn und München und wurde in Bonn mit einer Arbeit über die Wirtschaftspolitik in der Ära Adenauer/Erhard promoviert.
"Einfuhrzölle wären die falscheste Antwort"
Die Deutschen seien "bad", meint US-Präsident Trump, also "schlecht" oder "böse", weil sie so viele Autos in die USA exportieren. Schlimm? Eine Stilkritik der Trumpschen Worte sei überflüssig, findet die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld. Für sie ist die entscheidende Frage: Freihandel oder Protektionismus?
Aufregen mag sich Ursula Weidenfeld über Trumps Deutschland-Bashing nicht. "Jeder weiß inzwischen, wie er sich ausdrückt, welche Medien er benutzt, jeder weiß, wie ungefiltert er reagiert", sagt sie. "Er wird sich nicht mehr ändern. (…) Man muss es hinnehmen, wie es ist." In der Debatte gehe es vielmehr um Handelsschranken: "Trump sagt: 'Wenn ihr euren Überschuss nicht reduziert, dann machen wir einfach Einfuhrzölle.' Das wäre die falscheste Antwort."
Ist Trump dann das größte Wachstumsrisiko für die G7, die heute in Taormina zusammenkommen? Weidenfeld meint: "Das größte Wachstumsrisiko ist tatsächlich die immer noch schlummernde und lauernde Finanzkrise, die möglicherweise wieder ausbricht." Auch die Ölpreise und Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft seien Wachstumsrisiken. "Herr Trump gehört auch dazu, weil man eben einfach nicht weiß, was er tun wird."
Freihandel wirkt nicht immer positiv
Die letzten 30 Jahre habe man geglaubt, der Freihandel verleihe der Weltwirtschaft mehr Dynamik. Das sei immer noch richtig. Allerdings wirke Freihandel nicht nur positiv. Der "zornige weiße alte Mann" etwa sei das Sinnbild für die Verlierer in der unteren Mitte der Gesellschaft - für Facharbeiter, die in einem weltweiten Wettbewerb stünden. Trump versuche dieses Problem national zu lösen. Doch Protektionismus heiße unter dem Strich:
"Volkswirtschaften werden weiter zurückfallen, sie werden weniger innovativ sein, sie werden sich von Entwicklungen möglicherweise zeitweilig abkoppeln, die im Augenblick in der Weltwirtschaft wirken, aber langfristig werden sie davon erwischt, und zwar doppelt und dreifach."
Weidenfeld erkennt derzeit eine verbreitete Skepsis gegenüber großen Politikentwürfen. Man habe den Verdacht, dass große Entwürfe an anderer Stelle viel mehr kaputt machten als sie an der einen Stelle, für die sie gemacht seien, richten. Allerdings habe sich in den ersten Monaten der Schulz-Kandidatur gezeigt, dass es eine Sehnsucht nach Charisma gebe.
Nicht dass Martin Schulz der große Charismatiker sei - aber er sei ein neues Gesicht, und es bestehe der Wunsch nach einem anderen Entwurf als dem von Angela Merkel. Aber man müsse ihn mit einem politischen Programm, mit der Bereitschaft zum Wettbewerb, zu Reibung, zu politischer Auseinandersetzung füllen. "Und man darf nicht immer so tun oder suggerieren: Am Ende wird doch alles eine große Koalition, die Kanzlerin bleibt die Kanzlerin und dann machen wir so weiter wie bisher."