"Studio Berlin" im Berghain

Ein Techno-Club als Kunsthalle

05:19 Minuten
Das Berliner Berghain wird zur temporären Ausstellungshalle.
Im Berghain stellen bald über 100 Künstler ihre Werke aus - eine private Stiftung organisiert die Schau. © picture alliance / AP Photo / Markus Schreiber
Von Claudia Wheeler |
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Die Clubs sind von den Pandemie-Maßnahmen wohl am schlimmsten bedroht. Wann wieder getanzt werden kann, weiß keiner. Der weltberühmte Techno-Club Berghain ist in der Not erfinderisch und wird solange zur temporären Ausstellungshalle "Studio Berlin".
"Das Berghain ist der Ort der ganz persönlichen Freiheit, wo dann eben die ganze individuelle Freiheit noch gelebt werden kann. Ein Heimatort für Selbstbestimmtheit." So definiert Christian Boros den Mythos des legendären Techno-Clubs, wo theoretisch jeder reindarf, praktisch aber nicht jeder reinkommt.
Bevor man jetzt die heiligen, aber menschenleeren Hallen des Berghains betritt, heißt es erst einmal Taschenkontrolle: keine Fotos, keine Filme, keine Tonaufnahmen. Die Kamera am Handy wird abgeklebt. Striktes Fotoverbot herrscht im Club schon immer und das gilt nun auch für die Kunst, die sich auf 3500 Quadratmetern verteilt: auf dem Dancefloor, den Unisextoiletten, an den Bars und in den Separees.

Kunstszenen müssen in der Krise zusammenarbeiten

"Ich glaube, es ist sehr spannend, zu sehen, wie die Kunst mit schwierigen Räumen ringt. Es ist nicht nur der Mythos des einen Ortes, sondern es ist die Idee, dass man jetzt übergreifend über die Szenen zusammenarbeiten muss. Es ist nicht die Zeit, sich abzugrenzen als Clubszene, als Kunstproduktionsszene, als Sammlerszene, sondern es ist wieder die Zeit, gemeinsam zu wirken, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und zu überlegen, was können wir tun, dass wir einen Moment von Hoffnung und konstruktivem Denken wiederbekommen."
117 Künstlerinnen und Künstler habe sich von diesem Gemeinschaftsprojekt begeistern lassen, darunter große Namen wie Isa Genzken, Ólafur Elíasson, Rosemarie Trockel. Aber auch Kunstschaffende, die bisher noch von keiner Galerie vertreten werden, sind mit dabei.
Viele Arbeiten werden von der wuchtigen Industriearchitektur erdrückt, andere sind durchaus beeindruckend und wirken fast schon wie für das Berghain gemacht: ein neuer Song und ein Video von Wolfgang Tillmanns.

Werbung für Berlin als Kunsthotspot

Riesige Noten, die Christine Sun Kim mit schwarzer Lackfarbe auf den Dancefloor gemalt hat. Eine hyperrealistische Skulptur von Anna Uddenberg, die sich auf der Bar rekelt und scheinbar ihren Hintern anbietet. Eine riesige Boje von Julius von Bismarck, die vom Dancefloor aus 18 Meter in die Tiefe bedrohlich hin und her schwingt, wie das tosende Meer.
"Es gibt ganz viele mögliche Metaphern, je nach dem, wo man im Raum steht, ist man entweder über Wasser, unter Wasser oder ist auf der gleichen Höhe wie die Boje. Und das sind ganz verschiedene Gefühle, die dabei vielleicht entstehen können", erklärt Julius von Bismarck.
Diese Ausstellung soll explizit für Berlin als Kunsthotspot werben. Wochenlang sind sie durch die Berliner Ateliers gegangen, haben mit Künstlerinnen und Künstlern gesprochen und waren selber überrascht, wie offen alle waren.
"Dass wir gar nicht gefragt wurden: Wer ist denn sonst noch auf der Künstlerliste? Wie stellt ihr euch das vor? Warum macht ihr das als Sammler? All diese Fragen waren gar nicht so da. Viele haben sich gefreut, dass es wieder losgeht, dass es eine Initiative gibt. Das hat uns ein bisschen überrascht", sagt Karen Boros.

Künstlern eine dringend nötige Plattform bieten

Und so wuchs die Künstlerliste von 50 auf 117. Und da das Sammlerpaar das finanziell alleine nicht stemmen konnte, hat es den Berliner Kultursenator von seinem Projekt überzeugt und mit ins Boot geholt. Vielleicht will der auch den negativen Schlagzeilen der letzten Monate, dass Berlin nicht mehr attraktiv für Sammler und Kunstschaffende sei, etwas Positives entgegensetzen.
"Ich glaube, diese Ausstellung kann helfen klarzustellen, auch allen Verantwortlichen, dass die zahllosen Berliner Künstler, die hier schöpferisch tätig sind, Diskussionsräume für ihre Arbeiten brauchen. Die müssen gesehen werden und die sollten nicht nur auf Kunstmessen oder in anderen Weltstädten betrachtet werden, sondern auch mehr hier. Das ist vielleicht eine Anregung, noch mehr an Visibilitätsplattformen für die Berliner Künstler zu arbeiten", findet Christian Boros.
Vielleicht bekommt durch dieses Projekt die lange Diskussion um eine Berliner Kunsthalle neuen Auftrieb. Dem Berghain aber kann man nur wünschen, dass hier bald wieder getanzt wird. Denn ganz ohne schwitzende Körper und Musik ist der Club doch etwas blutleer.

Mehr Infos über die ausgestellten Werke finden sich auf der Website Studio.Berlin.

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