Stück mit mächtigen Durchhängern
Friedrich Hebbels dramatischer Erstling "Judith", den der 26-Jährige 1840 veröffentlichte, führt zwei maßlose Figuren gegen- und zueinander. Der junge Dichter entnahm die Geschichte von der jungen hebräischen Witwe Judith, die ins Lager des ihre Stadt belagernden babylonischen Feldherrn Holofernes geht, ihn erst verführt und dann enthauptet und damit ihre Stadt vor dem grausamen Eroberer errettet, aus einem apokryphen Buch des Alten Testaments.
Bei Hebbel ist Holofernes ein von größenwahnsinnigen Machtgefühlen bestimmter Nihilist, der sich gottgleich fühlt, nach einem Gegner sehnt und in der selbstbewussten und schönen Judith ein erotisches Objekt und eine starke Gegnerin sieht. Während die "jungfräuliche Witwe" Judith, der ihr verstorbener Mann aus geheimnisvollen Gründen nie körperlich nahe trat, zugleich von dem mächtigen Mann fasziniert ist wie von unterdrückter erotischer Sehnsucht bestimmt wird. Ungeheuerlich wirkt hier manches, aber vieles auch nur verstiegen, denn Hebbels Drama ist, obwohl in Prosa geschrieben, manchmal auffahrend pathetisch und oder mächtig kitschig. Nicht zufällig hat es Nestroy und Kaiser zu Parodien provoziert. Auch die Struktur des Stückes ist problematisch: Erst werden seine beiden Hauptfiguren in Einzelauftritten gezeigt, darauf folgen lange Volksszenen, in denen über Religion, Macht und Leben gehandelt wird, und erst dann treffen Judith und Holofernes richtig aufeinander. Das führt in Volker Schmalöers langer Inszenierung dazu, dass die Aufführung gerade in den Volksszenen mächtig durchhängt und zum schlimmen Finale nur schwer wieder Spannung aufzubauen vermag.
Holofernes und Judith sind groß behauptete Figuren, für deren direkte Darstellung unser modernes Theater kaum noch die schauspielerischen Mittel kennt. Der Schauspieler Axel Holst sucht Holofernes als realistische Figur zu spielen: Heraus kommt eine Art intellektueller Kneipen-Räsoneur, der zugleich aggressiv machtbewusst wie kumpelhaft direkt agiert. Obwohl Holst seine Texte, die er mit anbiedernd dargebotenen Pointen meist an der Rampe ins Publikum spricht, kräftig gestisch illustriert, findet er keine sinnliche Körpersprache für Hebbels Texte. Agnes Mann ist als Judith stark, wenn sie zweifelnd denkt. Wenn sie um Holofernes im körperlangen, engen Kleid stöckelt, vermag sie aber nur erotische Attraktivität auszustellen, nicht aber Judiths Schwanken zwischen göttlichem Auftrag und macht-errotischem Rausch zu zeigen. Und wenn sie Holofernes so langwierig wie umständlich den Kopf abtrennt, während die Blutfontänen spritzen, dann wirkt das nicht erst komisch, wenn der Tote schließlich lange dem Publikum sein nacktes Hinterteil entgegenstreckt.
Unfreiwillige (?) Komik gibt es auch bei der Darstellung des Volkes, das unter grauen Wolldecken als dumpfe Zwergenschar erscheint. Ein stählernd rostiger Rundturm mit Sehschlitzen beherrscht die Bühne von Franz Lehr: Um ihn herum müssen sich die Krieger von Holofernes nach vorn schleichen, um hier immer wieder illustrierendes gestisch-mimisches Gezappel zu bieten. Sie ziehen ihre schwarzen Wollmasken aus, waschen sich, präsentieren ihre nackten Oberkörper, hantieren mit den Schwertern oder trinken Bier. Sie sind eben ganz Männer. Das wirkt so albern wie überflüssig, - nicht umsonst konzentrieren sich die meisten Inszenierungen des Stückes völlig auf die Beziehung seiner beiden Hauptfiguren. Der Berg leerer Plastikflaschen, über den Judith bei sich zu Haus steigen muss (Achtung: Wassermangel in der belagerten Bergfestung!) wirken mehr hinderlich als sinnbildlich überzeugend. Und wenn sich Judith und Holofernes unterm Turm, während dessen Wände wieder langsam herunterfahren, bei Schmusemusik zur Liebe vereinen, dann stimmt nichts mehr, weder ästhetisch noch inhaltlich (bei Hebbel wird Judith, obwohl sie Holofernes aufreizte, von diesem vergewaltigt).
Volker Schmalöers Inszenierung findet insgesamt weder eine überzeugende Form für Hebbels Stück noch vermag sie deutlich zu machen, was eigentlich sie uns erzählen will. Über Macht und Rausch und über Gotteskriegerinnen steht mehr im Programmheft als auf der Bühne zu sehen ist.
"Judith"
Von Friedrich Hebbel
Staatstheater Kassel
Regie Volker Schmalöer
Holofernes und Judith sind groß behauptete Figuren, für deren direkte Darstellung unser modernes Theater kaum noch die schauspielerischen Mittel kennt. Der Schauspieler Axel Holst sucht Holofernes als realistische Figur zu spielen: Heraus kommt eine Art intellektueller Kneipen-Räsoneur, der zugleich aggressiv machtbewusst wie kumpelhaft direkt agiert. Obwohl Holst seine Texte, die er mit anbiedernd dargebotenen Pointen meist an der Rampe ins Publikum spricht, kräftig gestisch illustriert, findet er keine sinnliche Körpersprache für Hebbels Texte. Agnes Mann ist als Judith stark, wenn sie zweifelnd denkt. Wenn sie um Holofernes im körperlangen, engen Kleid stöckelt, vermag sie aber nur erotische Attraktivität auszustellen, nicht aber Judiths Schwanken zwischen göttlichem Auftrag und macht-errotischem Rausch zu zeigen. Und wenn sie Holofernes so langwierig wie umständlich den Kopf abtrennt, während die Blutfontänen spritzen, dann wirkt das nicht erst komisch, wenn der Tote schließlich lange dem Publikum sein nacktes Hinterteil entgegenstreckt.
Unfreiwillige (?) Komik gibt es auch bei der Darstellung des Volkes, das unter grauen Wolldecken als dumpfe Zwergenschar erscheint. Ein stählernd rostiger Rundturm mit Sehschlitzen beherrscht die Bühne von Franz Lehr: Um ihn herum müssen sich die Krieger von Holofernes nach vorn schleichen, um hier immer wieder illustrierendes gestisch-mimisches Gezappel zu bieten. Sie ziehen ihre schwarzen Wollmasken aus, waschen sich, präsentieren ihre nackten Oberkörper, hantieren mit den Schwertern oder trinken Bier. Sie sind eben ganz Männer. Das wirkt so albern wie überflüssig, - nicht umsonst konzentrieren sich die meisten Inszenierungen des Stückes völlig auf die Beziehung seiner beiden Hauptfiguren. Der Berg leerer Plastikflaschen, über den Judith bei sich zu Haus steigen muss (Achtung: Wassermangel in der belagerten Bergfestung!) wirken mehr hinderlich als sinnbildlich überzeugend. Und wenn sich Judith und Holofernes unterm Turm, während dessen Wände wieder langsam herunterfahren, bei Schmusemusik zur Liebe vereinen, dann stimmt nichts mehr, weder ästhetisch noch inhaltlich (bei Hebbel wird Judith, obwohl sie Holofernes aufreizte, von diesem vergewaltigt).
Volker Schmalöers Inszenierung findet insgesamt weder eine überzeugende Form für Hebbels Stück noch vermag sie deutlich zu machen, was eigentlich sie uns erzählen will. Über Macht und Rausch und über Gotteskriegerinnen steht mehr im Programmheft als auf der Bühne zu sehen ist.
"Judith"
Von Friedrich Hebbel
Staatstheater Kassel
Regie Volker Schmalöer