Stunde des algerischen Sozialismus
Nach dem Kolonialkrieg gegen Frankreich ergriff Ben Bella, Mitglied der Führungsriege der Nationalen Befreiungsfront, die Macht in Algier und erklärte den arabischen Sozialismus in Algerien. Doch sein damaliger Verteidigungsminister Boumedienne, ein streng gläubiger Muslim, stürzte Ben Bella nur drei Jahre später bei einem blutigen Militärputsch. Am 19. Juni 1965 ließ er Ben Bella verhaften.
Der 1916 im äußersten Nordosten Algeriens geborene Bauernsohn Ahmed Ben Bella hatte im Zweiten Weltkrieg für Frankreich gekämpft und dafür von Charles de Gaulle persönlich eine Tapferkeitsmedaille angesteckt bekommen. Später organisierte er als einer der Köpfe der Nationalen Befreiungsfront FLN den algerischen Widerstand. 1956 wurde Ben Bella - der Krieg gegen die Kolonialmacht war bereits offen ausgebrochen - gefasst und in ein französisches Gefängnis gesteckt, was ihn zum Volkshelden machte. Der Politikwissenschaftler Werner Ruf:
" Ben Bella hatte wirklich eine charismatische Dimension. Ben Bella konnte die Massen begeistern, konnte zu bestimmten populistischen Themen tolle Reden halten. "
" Das zweite ist, dass die Leute, die in Frankreich in Haft saßen, fast sechs Jahre immerhin, das Glück hatten, dass sie nicht in die Reibereien und Intrigen des FLN hineingerieten, sondern symbolische Figuren als Helden, Märtyrer außerhalb des Gerangels waren. "
Ahmed Ben Bellas Rückkehr aus französischer Haft kurz nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 wird zum Triumphzug. Nach wenigen Monaten bereits zieht er wieder die Fäden in der zerstrittenen FLN. Ben Bella wird Generalsekretär des Politbüros und setzt eine neue Verfassung durch. Als neu gewählter Staatspräsident besitzt er nun umfassende Vollmachten. Das Militär unter der Führung seines alten Kampfgefährten Oberst Houari Boumedienne unterstützt Ben Bella, als dieser eine radikale Bodenreform einleitet.
" Die Bodenfrage ist die Schlüsselfrage in diesem Land, und zwar aus wirtschaftlichen und aus politischen Gründen. Die Bauern waren die Basis unserer Aktion während des Befreiungskrieges und sie bestimmen immer noch die Grundlage unseres Handelns. Dass uns der Boden unseres Vaterlandes nun wieder gehört, ist für uns die wichtigste Folge unserer Unabhängigkeit. "
Ben Bella will in Algerien einen arabischen Sozialismus nach dem Vorbild Nassers in Ägypten verwirklichen - in enger Verbindung zur Sowjetunion. Die FLN wird 1964 zur Staats- und Regierungspartei. Anlässlich eines Staatsbesuches in Moskau bekommt Ben Bella gar den Orden "Held der Sowjetunion" von Chruschtschov verliehen.
Die islamische Orthodoxie befürchtet, dass die traditionellen Wertvorstellungen in Algerien an Bedeutung verlieren und stellt sich gegen Ben Bella. Für ihn sind Islam und Sozialismus allerdings keine Gegensätze, sagt Werner Ruf.
" So ist das überall übersetzt worden: Der Islam ist sozialistisch. Und der Sozialismus hat was von Islam, denn der Islam ist die Solidarität der Gläubigen, der Islam will soziale Gerechtigkeit, also hat der Islam schon lange, schon seit anderthalb Jahrtausenden das Programm, was der Sozialismus erst von Hundert Jahren entdeckt hat. "
Doch den Militärs und ihrem Chef, dem strenggläubigen Boumedienne, geht das zu weit. In der Nacht zum 19. Juni 1965 wird Ben Bella von bewaffneten Offizieren in seinem Schlafzimmer verhaftet, aller seiner Ämter enthoben und ins Gefängnis gesteckt.
Eine konsequente Industrialisierung des Landes, Freundschaft zur Sowjetunion, aber keine Abhängigkeit, Sozialismus, aber keinen Kommunismus sowjetischer Prägung: Dies sind die Leitlinien der neuen Politik. Boumedienne stellt islamische Traditionen wieder in den Vordergrund und propagiert einen eigenen Weg Algeriens.
" Für Algerien gibt es keine Vorbilder, die sich einfach übernehmen lassen. Weder die Sowjetunion noch Kuba, weder Ägypten, China oder Indochina können Algerien als Beispiel dienen. Algerien ist Algerien. Es muss seinen eigenen Weg gehen. "
Den algerischen Sonderweg der sozialistischen Planwirtschaft verfolgt Ahmed Ben Bella während 15 Jahren Haft und strengem Hausarrest nur vor dem Fernseher. 1978 stirbt Houari Boumedienne. Zwei Jahre später darf sein alter Widersacher Ben Bella das Land verlassen und geht ins Exil nach Frankreich. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz lebt Ben Bella seit 12 Jahren wieder in Algerien. In die Politik hat sich der alte Mann - inzwischen fast 90 Jahre alt - nicht mehr eingemischt.
" Ben Bella hatte wirklich eine charismatische Dimension. Ben Bella konnte die Massen begeistern, konnte zu bestimmten populistischen Themen tolle Reden halten. "
" Das zweite ist, dass die Leute, die in Frankreich in Haft saßen, fast sechs Jahre immerhin, das Glück hatten, dass sie nicht in die Reibereien und Intrigen des FLN hineingerieten, sondern symbolische Figuren als Helden, Märtyrer außerhalb des Gerangels waren. "
Ahmed Ben Bellas Rückkehr aus französischer Haft kurz nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 wird zum Triumphzug. Nach wenigen Monaten bereits zieht er wieder die Fäden in der zerstrittenen FLN. Ben Bella wird Generalsekretär des Politbüros und setzt eine neue Verfassung durch. Als neu gewählter Staatspräsident besitzt er nun umfassende Vollmachten. Das Militär unter der Führung seines alten Kampfgefährten Oberst Houari Boumedienne unterstützt Ben Bella, als dieser eine radikale Bodenreform einleitet.
" Die Bodenfrage ist die Schlüsselfrage in diesem Land, und zwar aus wirtschaftlichen und aus politischen Gründen. Die Bauern waren die Basis unserer Aktion während des Befreiungskrieges und sie bestimmen immer noch die Grundlage unseres Handelns. Dass uns der Boden unseres Vaterlandes nun wieder gehört, ist für uns die wichtigste Folge unserer Unabhängigkeit. "
Ben Bella will in Algerien einen arabischen Sozialismus nach dem Vorbild Nassers in Ägypten verwirklichen - in enger Verbindung zur Sowjetunion. Die FLN wird 1964 zur Staats- und Regierungspartei. Anlässlich eines Staatsbesuches in Moskau bekommt Ben Bella gar den Orden "Held der Sowjetunion" von Chruschtschov verliehen.
Die islamische Orthodoxie befürchtet, dass die traditionellen Wertvorstellungen in Algerien an Bedeutung verlieren und stellt sich gegen Ben Bella. Für ihn sind Islam und Sozialismus allerdings keine Gegensätze, sagt Werner Ruf.
" So ist das überall übersetzt worden: Der Islam ist sozialistisch. Und der Sozialismus hat was von Islam, denn der Islam ist die Solidarität der Gläubigen, der Islam will soziale Gerechtigkeit, also hat der Islam schon lange, schon seit anderthalb Jahrtausenden das Programm, was der Sozialismus erst von Hundert Jahren entdeckt hat. "
Doch den Militärs und ihrem Chef, dem strenggläubigen Boumedienne, geht das zu weit. In der Nacht zum 19. Juni 1965 wird Ben Bella von bewaffneten Offizieren in seinem Schlafzimmer verhaftet, aller seiner Ämter enthoben und ins Gefängnis gesteckt.
Eine konsequente Industrialisierung des Landes, Freundschaft zur Sowjetunion, aber keine Abhängigkeit, Sozialismus, aber keinen Kommunismus sowjetischer Prägung: Dies sind die Leitlinien der neuen Politik. Boumedienne stellt islamische Traditionen wieder in den Vordergrund und propagiert einen eigenen Weg Algeriens.
" Für Algerien gibt es keine Vorbilder, die sich einfach übernehmen lassen. Weder die Sowjetunion noch Kuba, weder Ägypten, China oder Indochina können Algerien als Beispiel dienen. Algerien ist Algerien. Es muss seinen eigenen Weg gehen. "
Den algerischen Sonderweg der sozialistischen Planwirtschaft verfolgt Ahmed Ben Bella während 15 Jahren Haft und strengem Hausarrest nur vor dem Fernseher. 1978 stirbt Houari Boumedienne. Zwei Jahre später darf sein alter Widersacher Ben Bella das Land verlassen und geht ins Exil nach Frankreich. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Schweiz lebt Ben Bella seit 12 Jahren wieder in Algerien. In die Politik hat sich der alte Mann - inzwischen fast 90 Jahre alt - nicht mehr eingemischt.