"Ein tolles Thema für Trump"
Die dramatischen Folgen des Sturms "Harvey" im Süden der USA werden kein Umdenken bei Präsident Trump in Sachen Klimaschutz bewirken. Davon ist der Präsident des Ecologic Institute US in Washington, Max Grünig, überzeugt. "Harvey" komme Trump sogar gelegen.
Donald Trump, der heute die Flutgebiete in Texas besucht, werde ganz auf den Wiederaufbau, die Infrastruktur und Investitionsprogramme setzen, um zu zeigen, wie "reaktiv, aktiv" die Regierung sei, so Grünig. Der Sturm sei für den US-Präsidenten "ein gelungenes Nebenthema, das von anderen Problemfeldern" ablenke. Wobei er nicht sagen wolle, dass Trump den Sturm gutheiße; "allerdings kommt er zu einer guten Zeit und ist ein tolles Thema für ihn". Mit Blick auf einen mögliche Haltungsänderung beim US-Präsidenten meint Grünig: "Ich denke, dass es insgesamt leider keinen Einfluss haben wird auf einen langfristige Politikentwicklung, denn gerade dafür steht dieser Präsident nicht, dass er eine langfristige Strategie verfolgt und umsetzt." Mit seiner Negierung des menschengemachten Klimawandels stehe Trump allerdings gegen eine Mehrheit der Amerikaner.
Ein 500-Jahre-Ereignis
Einen direkten Zusammenhang zwischen den gravierenden Folgen von "Havey" und der Klimapolitik des Weißen Hauses gebe es nicht, sagt Grünig - zumindest nicht in der tagesaktuellen Politik. In der "großen Kurve" allerdings schon. Auch ohne die Kürzung von Präventionsprogrammen hätte es nach Überzeugung Grünigs großen Schaden gegeben. Denn "Harvey" sei ein 500-Jahre-Ereignis, auf das man sich nicht habe vorbereiten können. (bth)
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Heute wird Donald Trump die von der Flutkatastrophe besonders betroffenen Gebiete in Texas und vielleicht sogar auch in Louisiana, dem Nachbarbundesstaat besuchen, und er wird, so berichten es amerikanische Medien, relativ sicher bei seinem Besuch die Großstadt Houston auslassen, denn Trump hofft eher auf, wenn man das in dem Zusammenhang so sagen kann, positive Bilder, die ihn, den Präsidenten, als Macher zeigen, der den Menschen, die dort von dieser Katastrophe betroffen sind, schnell und unbürokratisch hilft.
Aber wird er wirklich auch einer Diskussion völlig entkommen darüber, ob nicht auch die Klimapolitik und die Präventionspolitik seiner Regierung mit schuld ist an den Folgen von Sturm Harvey – den Sturm selber kann man, glaube ich, nicht mal einem Präsidenten in die Schuhe schieben –, und könnte das, was wir jetzt sehen in Texas, in Louisiana und benachbarten Bundesstaaten, vielleicht sogar die künftige Klimapolitik beeinflussen? Darüber wollen wir jetzt sprechen, und bei mir im Studio ist dazu Max Grünig, er ist Präsident des Ecologic Institute US. Er lebt im Großraum Washington eigentlich, ist aber zurzeit gerade schon seit ein paar Tagen in Deutschland, und deshalb konnte er live zu uns ins Studio kommen. Herr Grünig, schönen guten Morgen erst mal!
Max Grünig: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Kann man tatsächlich aus Ihrer Sicht einen direkten Zusammenhang herstellen zwischen der Klimapolitik der Regierung in Washington und den gravierenden Folgen dieses Sturms?
Grünig: Nein, leider nicht. Das wäre ja besonders schön. Es wäre auch einfach und kommunikativ ein Glücksfall. Leider ist das natürlich jetzt nicht direkt im Zusammenhang. In der großen Kurve sicherlich schon, aber in der tagesaktuellen Politik nicht, und ich glaube, das gefällt auch der aktuellen Regierung sehr gut so, dass auch das Thema jetzt natürlich niemand offiziell spielen will, denn es gilt jetzt ja Gemeinsamkeit zu zeigen, Stärke und Gemeinschaft und nicht Stöcke zwischen die Beine zu werfen. Das wäre auch in den USA als unfein gesehen.
Man hätte sich nicht vorbereiten können
Kassel: Andererseits, es gibt zwei Dinge: Es gibt die eigentliche Klimapolitik, es gibt aber auch die Präventionsmaßnahmen, zum Beispiel Flutpräventionen. Da ist viel gespart worden in letzter Zeit. Kann man nicht da wenigstens sagen …, weil man muss ja mal ganz klar sagen, es hat doch immer Stürme dieser Art gegeben in dieser Region. Das ist nicht die Schuld der Regierung, aber diese gravierenden Folgen, hat das nicht auch etwas damit zu tun, dass man da gespart hat?
Grünig: Also zum einen, ein Sturm dieses Ausmaßes ist jetzt auch für die Region ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich. Man redet auch von einem 500-Jahr-Ereignis, also definitiv über eine Jahrhundertflut oder Sturmereignis. Das heißt, wir sind in einer Situation, wo man sich nicht drauf hätte vorbereiten können. Also selbst mit besten Vorsätzen und reichlich Geld – man hätte großen Schaden gehabt. Man hätte natürlich geringeren Schaden haben können, und das liegt aber auch an der Mentalität in den USA und vor allen Dingen auch in Texas, wo man eben sagt, gut, dann hat man eben Schaden.
Man rechnet eher damit oder man akzeptiert eher, dass man weniger vorbereitet und weniger präventiv aktiv ist und dafür zwischendurch Geld spart und dann aber ab und an einen größeren Schaden hat. Das ist einfach ein kultureller Unterschied zu den Europäern und insbesondere zu den Deutschen. Da sieht man das ganz deutlich. Natürlich, jetzt geht es auch darum, die Leute wollen zusammenhalten und zusammen wieder aufbauen und retten, und das ist auch eine große Chance für die Gemeinschaft dort und auch für die Politik.
Kassel: Gut, Sie sagen, ein Sturm wie Harvey, das sei ein Alle-500-Jahre-Ereignis. Es ist sicherlich extrem, aber wenn wir zurückdenken: Vor Harvey gab es natürlich Katrina, daran erinnern wir uns alle noch, aber zwischendurch gab es auch noch Sandy, diesen großen Sturm, der die Ostküste vor allem betroffen hat, New Jersey unter anderem. Es häuft sich ja – das kann man statistisch nicht wegrechnen. Also die Behauptung, das seien durchaus Folgen des Klimawandels, ist ja sicherlich durchaus wissenschaftlich belegbar, oder?
Grünig: Absolut, es gibt natürlich unterschiedliche Aussagen darüber, ob es jetzt eher um die Frequenz geht oder die Intensität, und es ist ja auch regional sehr unterschiedlich. Also wir haben ja unterschiedliche Wettersysteme, ob wir jetzt den Golf von Mexiko anschauen oder den Atlantik, und die kann man auch nicht einfach zusammenaddieren. Das sind unterschiedliche Quellen, die dahinterliegen. Allerdings ist das natürlich in der Gesamtbetrachtung für viele klar, dass auch gerade insgesamt Extremwetterereignisse zunehmen – Dürren, Hitzeperioden.
Wir haben auch insgesamt gerade sehr extreme Hitzeereignisse. Wenn wir nach Kalifornien gucken, in den Westen gucken, enorme Wetterbedingungen, wo es sonst eigentlich moderates Klima ist. Das häuft sich, und das sehen natürlich auch in den USA viele, und man muss ganz klar sagen, die Mehrheit der Amerikaner, A, glaubt an den Klimawandel, und, B, glaubt sogar daran, dass es ein menschgemachter Klimawandel ist. Das heißt, in den USA, obwohl es beim Präsidenten noch nicht so angekommen ist, ist die allgemeine Meinung vielleicht etwas vorsichtiger als in Deutschland, aber doch auf derselben Seite.
Trump verfolgt keine langfristige Strategie
Kassel: Ich formuliere es jetzt mal sehr vorsichtig: Halten Sie es denn dann zumindest für vorstellbar, dass – auch als, sagen wir, mittelbare Folge dessen, was wir gerade erleben nach Harvey – auch Trump und seine Regierung ihre Einstellung zum Klimawandel und der Frage, ob er von Menschen gemacht wurde, überdenken könnten?
Grünig: Also diese Hoffnung hege ich leider nicht. Ich glaube, dass der Präsident das schon sehr stark in die Richtung drehen wird, Wiederaufbau, Infrastruktur, Investitionsprogramme, um auch zu zeigen, wie reaktiv, aktiv die Regierung ist. Es ist natürlich auch ein gelungenes Nebenthema, das jetzt von anderen Problemfeldern etwas ablenkt, wobei ich nicht sagen möchte, dass der Präsident das jetzt gutheißt den Sturm, allerdings kommt er zu einer guten Zeit und ist ein tolles Thema für ihn. Er hat auch auf Twitter schon sehr massiv darüber gesprochen, wie episch, historisch und so weiter das Ereignis ist, und ich denke, dass es insgesamt leider keinen Einfluss haben wird auf eine langfristige Politikentwicklung, denn gerade dafür steht dieser Präsident ja nicht, dass er eine langfristige Strategie verfolgt und umsetzt.
Kassel: Wissen Sie, was mir bei dem, was Sie sagen, durch den Kopf geht: Wenn man - und ich glaube, da spielt es jetzt gar keine Rolle, dass Sie aus Deutschland kommen - aber wenn man überhaupt im Moment in den USA an einer Einrichtung wie dem Ecologic Institute arbeitet, Sie sind auch noch der Präsident, aber wenn man da überhaupt arbeitet als Wissenschaftler, hat man eigentlich das Gefühl – Sie sind auch, glaube ich, noch … zu Ihren Schwerpunkten gehört ja nachhaltige Entwicklung, auch im Verkehrswesen, in Städten –, hat man das Gefühl, im Moment ist meine Arbeit da besonders wichtig unter diesem Präsidenten oder haben Sie das Gefühl, sie ist im Moment regelrecht sinnlos?
Grünig: Also einerseits ja, Zweifel kommen in den Kopf. Man fragt sich natürlich, was kann ich überhaupt noch tun, aber wie schon gesagt, ein Großteil der Bevölkerung denkt ja durchaus progressiv, ein durchaus wichtiger Teil versteht, dass Klimawandel menschengemacht ist und dass man auch etwas dagegen tun muss und kann, und wenn wir schauen auf die Bundesstaatenebene und vor allen Dingen auf die Stadtebene und Regional- und Lokalebene, da sind sehr viele sehr aktiv.
Wenn man schaut, was Bürgermeister machen, Bürgervereinigungen, was auch einzelne Bürger unternehmen, das ist ganz massiv, und da müssen wir auch unterstützen, und da kommt es auch nicht drauf an, ob ich jetzt als Deutscher dort bin oder nicht, aber da sind im Prinzip diese gesamten zivilgesellschaftlichen Organisationen im Moment besonders aktiv. Natürlich versuchen wir auch weiterhin, auf der Bundesebene Einfluss zu nehmen, und immerhin die Hand zu heben und "ja, aber" zu sagen, aber die Konzentration ist tatsächlich darunter auf der lokalen Ebene.
Kassel: Dann kann ich an dieser Stelle, was ich bei Wissenschaftlern selten tue, aber in dem Fall finde ich es angemessen, Ihnen nicht nur viel Erfolg, sondern auch viel Glück nur wünschen bei Ihrer Arbeit. Herr Grünig, danke, dass Sie bei uns waren heute!
Grünig: Vielen Dank!
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