Subversive Energie statt Zigeunerromantik
Jenseits von Spanien-Folklore und Kostüm-Plunder: Regisseur Joan Anton Rechi sucht in Oberhausen nach einem neuen Zugriff auf "Carmen".
Ungewohnter Schauplatz für Georges Bizet. Auf der Bühne des Theaters Oberhausen singen und spielen Schauspieler die tödliche Liebesgeschichte um die Zigeunerin Carmen und den Soldaten José, die Rolle des Orchesters übernimmt eine Band mit sechs Instrumentalisten. Nach Bachs "Johannespassion" haben sich der Regisseur Joan Anton Rechi und der Bühnenmusiker Otto Beatus zum zweiten Mal an die Bearbeitung eines Stücks aus dem Olymp der E-Musik gewagt. Die überraschende Einladung des immer wieder von Sparvorhaben bedrohten Reviertheaters zum diesjährigen Berliner Theatertreffen sichert ihnen zusätzliche Aufmerksamkeit.
Dominierendes Element der Bühne von Alfons Flores ist ein Gitterkäfig – das Gefängnis, aus dem Don José am Anfang Carmen entkommen lässt und in dem er am Ende seine Hinrichtung erwartet, nachdem er die Geliebte und den Rivalen Escamillo getötet hat. Wie in Prosper Mérimées Novelle, der Bizet den Stoff seiner Oper entnahm, ist das in Oberhausen der Beginn der Geschichte. Das Geschehen entwickelt sich in der Rückschau. Und natürlich beherrscht das Bild die beklemmende Atmosphäre des Abends. Außer dem Käfig, in dessen Gestänge eine heruntergekommene Bar-Theke eingebaut ist und in dem auch die Band ihren Platz hat, gibt es nur schwarze, über und über mit aggressiv glühenden Graffiti besprühte Wände.
Karg und rau auch das musikalische Setting. Otto Beatus hat einen von Klavier, Schlagzeug und E-Gitarre dominierten Sound gemixt, der elektronisch verfremdet, "verschmutzt", immer wieder geräuschhaft verzerrt klingt. Die Partitur ist reduziert auf die solistischen Nummern, für Schauspieler-Stimmen arrangiert. Wenn eine Oper sich für einen solchen Zugriff eignet, dann ganz gewiss "Carmen". Spanische Folklore, Zigeunerromantik, die touristische Buntheit der Stierkampfszenen übertönen nämlich in manchen Operninszenierungen, dass es hier um eine harte Geschichte geht, um krasse Außenseiter und um einen tödlichen Liebeskampf.
Die Originalform mit gesprochenen Dialogen, Bizets eigene Vorstellungen, der Carmens Musik eher chansonhaft als mit dramatischem Operntremolo gesungen haben wollte, weisen schon den Weg. Und in seinen besten Momenten findet der Abend auch diesen Kern, wirft ein neues Licht auf die allzu bekannten Nummern, legt subversive Energie frei oder verdächtige Larmoyanz, die sich im bauschigen Opernkostüm manchmal verlieren.
Nora Buzalka findet auch singend erstaunlich viele Zwischentöne, lässt unter der mit strohblonder Perücke und allen professionellen Posen sich ausstaffierenden Verführerin echte Gefühle, unbeugsame Kraft und manchmal sogar kindliche Naivität spüren. Neben ihr ragt Jürgen Sarkiss als Escamillo aus dem auf sechs Personen reduzieren Ensemble heraus.
Dass man das Theater Oberhausen doch mit gemischten Gefühlen verlässt, geht auf das Konto des Regisseurs Joan Anton Rechi. Er nutzt die Chance nicht, aus dem reduzierten Material einen schnellen, filmisch beiläufigen, scharf profilierten Theaterabend zu machen, sondern verbraucht annähernd drei fast schon opernlange Stunden. Immer wieder dreht bedeutungsschwer die Drehbühne, ohne dass irgendwelche Bedeutung spürbar wäre, Liebes- und Gewaltszenen werden zu quälenden Pantomimen ausgebreitet.
Durch ihr überdehntes Timing und freiwillig oder unfreiwillig komische Grand-Guignol-Effekte schwächt Rechi die Kraft, die eine raue, realistische, von den Opernhöhen auf den Boden der Tatsachen geholte "Carmen" haben könnte.
Dominierendes Element der Bühne von Alfons Flores ist ein Gitterkäfig – das Gefängnis, aus dem Don José am Anfang Carmen entkommen lässt und in dem er am Ende seine Hinrichtung erwartet, nachdem er die Geliebte und den Rivalen Escamillo getötet hat. Wie in Prosper Mérimées Novelle, der Bizet den Stoff seiner Oper entnahm, ist das in Oberhausen der Beginn der Geschichte. Das Geschehen entwickelt sich in der Rückschau. Und natürlich beherrscht das Bild die beklemmende Atmosphäre des Abends. Außer dem Käfig, in dessen Gestänge eine heruntergekommene Bar-Theke eingebaut ist und in dem auch die Band ihren Platz hat, gibt es nur schwarze, über und über mit aggressiv glühenden Graffiti besprühte Wände.
Karg und rau auch das musikalische Setting. Otto Beatus hat einen von Klavier, Schlagzeug und E-Gitarre dominierten Sound gemixt, der elektronisch verfremdet, "verschmutzt", immer wieder geräuschhaft verzerrt klingt. Die Partitur ist reduziert auf die solistischen Nummern, für Schauspieler-Stimmen arrangiert. Wenn eine Oper sich für einen solchen Zugriff eignet, dann ganz gewiss "Carmen". Spanische Folklore, Zigeunerromantik, die touristische Buntheit der Stierkampfszenen übertönen nämlich in manchen Operninszenierungen, dass es hier um eine harte Geschichte geht, um krasse Außenseiter und um einen tödlichen Liebeskampf.
Die Originalform mit gesprochenen Dialogen, Bizets eigene Vorstellungen, der Carmens Musik eher chansonhaft als mit dramatischem Operntremolo gesungen haben wollte, weisen schon den Weg. Und in seinen besten Momenten findet der Abend auch diesen Kern, wirft ein neues Licht auf die allzu bekannten Nummern, legt subversive Energie frei oder verdächtige Larmoyanz, die sich im bauschigen Opernkostüm manchmal verlieren.
Nora Buzalka findet auch singend erstaunlich viele Zwischentöne, lässt unter der mit strohblonder Perücke und allen professionellen Posen sich ausstaffierenden Verführerin echte Gefühle, unbeugsame Kraft und manchmal sogar kindliche Naivität spüren. Neben ihr ragt Jürgen Sarkiss als Escamillo aus dem auf sechs Personen reduzieren Ensemble heraus.
Dass man das Theater Oberhausen doch mit gemischten Gefühlen verlässt, geht auf das Konto des Regisseurs Joan Anton Rechi. Er nutzt die Chance nicht, aus dem reduzierten Material einen schnellen, filmisch beiläufigen, scharf profilierten Theaterabend zu machen, sondern verbraucht annähernd drei fast schon opernlange Stunden. Immer wieder dreht bedeutungsschwer die Drehbühne, ohne dass irgendwelche Bedeutung spürbar wäre, Liebes- und Gewaltszenen werden zu quälenden Pantomimen ausgebreitet.
Durch ihr überdehntes Timing und freiwillig oder unfreiwillig komische Grand-Guignol-Effekte schwächt Rechi die Kraft, die eine raue, realistische, von den Opernhöhen auf den Boden der Tatsachen geholte "Carmen" haben könnte.