Singen auf Arabisch ist trendy in Israel
Arabisch galt in Israel lange als die Sprache des Feindes. Nun ist sie plötzlich hip – zumindest in der israelischen Popmusik. Auch die Künstlerin Neta Elkayam singt auf Arabisch.
Arabische Klänge ertönen an diesem Abend in dem kleinen, urigen Restaurant Barood, in einem Hinterhof in Zentrum Jerusalems. Gerade noch einen Hocker hat die Wirtin an der Bar dazwischen quetschen können. Wer jetzt noch kommt, muss stehen. Ums Essen allein geht es den rund 35 Gästen heute sowieso nicht.
Im Mittelpunkt steht die israelische Sängerin Neta Elkayam: eine kleine Frau mit dunklen Haaren. Sie trägt ein schwarzes Shirt mit bunten, orientalischen Stickereien und singt traditionelle Lieder – auf Arabisch. Es ist die Sprache ihrer jüdischen Großeltern, die vor mehr als 60 Jahren aus Marokko einwanderten.
"Ich komme aus einer jüdisch-marokkanischen Familie, meine Großeltern haben arabisch gesprochen, auch meine Eltern ein wenig, allerdings nicht mit uns. In meiner Kindheit habe ich mich in diese Sprache verliebt. Als ich dann anfing, arabisch zu singen, gefiel mir das gut. Der Klang der Sprache, das war wie die Erinnerung an ein Land, in dem ich nie gelebt habe, das Land meiner Großeltern. Sie sind mittlerweile verstorben, aber die Erinnerung, die Kultur und die Musik, die sie mitgebracht haben, die sind geblieben. Ich nutze nun die Sprache, um diese Erinnerungen aufrechtzuerhalten."
Begleitet wird Neta Elkayam von den Klängen der Darbuka, der arabischen Trommel, dem Banjo und der Mandoline.
Die Sprache des Feindes
Lange Zeit war es tabu, in der Öffentlichkeit Arabisch zu sprechen. Im Schmelztiegel Israel sollte eine westlich geprägte Kultur entstehen und Neu-Hebräisch gesprochen werden. Obendrein galt Arabisch als die Sprache des Feindes, wie die israelische Soziologin Talia Sagiv erklärt:
"Die Einwanderer aus den westlichen Ländern, die damals in Israel das Sagen hatten, mussten eine klare Trennung machen zwischen den einheimischen, Arabisch sprechenden Palästinensern, und den jüdischen Einwanderern aus islamischen Ländern, die Teil des zionistischen Traums waren. Und obwohl die einzelnen Kulturen aller Einwanderer im Schmelztiegel nicht erwünscht waren und verdrängt wurden, waren die Kultur und die Sprache der islamischen Länder stärker davon betroffen, eben weil Arabisch als die Sprache des Feindes galt."
Nun aber, in der Enkelgeneration, gilt Arabisch wieder als hip. "Ya Umi" war das erste arabische Lied, dass Neta vor vier Jahren sang. Wie viele junge israelische Künstler begab sie sich musikalisch auf die Suche nach ihren Wurzeln und ihrer Identität. Eigentlich arbeitete sie als Kunstlehrerin und wollte für ihre Mutter nur zum Geburtstag ein traditionelles Lied aufnehmen.
"Ich habe nach einem wirklich schönen Lied gesucht, und stieß auf eine Sängerin aus Algerien. Sie hatte drei verschiedene Namen und drei Identitäten, sie war jüdisch, französisch und arabisch, all das, was ich auch bin. Ich wählte eines ihrer Lieder, nahm es auf und lernte dafür die Wörter auszusprechen. Damals verstand ich nur hier und da ein Wort, konnte die Sprache nicht wirklich."
"Es ist auch ein klares Statement"
Neta stellte die Aufnahmen online. Die Menschen waren begeistert, ihre Stimme auf Arabisch zu hören. Sie verbesserte ihr Arabisch, reiste nach Marokko, um das Land ihrer Großeltern kennenzulernen. In diesem Jahr hat sie ihren Job als Kunstlehrerin an den Nagel gehängt, um sich der Musik zu widmen.
"Seit damals habe ich verstanden, dass ich noch sehr viel über diese Kultur herausfinden kann, nicht nur über die Musik. Es ist auch ein klares Statement, diese Sprache zu verwenden, gerade weil die Beziehungen zu unseren Nachbarn und auch zwischen den Identitäten innerhalb der Gesellschaft schwierig sind."
Und Neta ist damit nicht die Einzige. "Habib Galbi" singen die drei Schwestern der Band A-WA. Das arabische Lied, gemischt mit Hip-Hop und Elektroklängen, schallte im Sommer 2015 durch die Bars und Clubs des Landes und wurde zum Hit. Es basiert auf einem Lied, das die Großmutter aus dem Jemen den drei Schwestern beibrachte. Sie singen im jemenitischen Dialekt und treten mittlerweile sogar im Ausland auf.
Die Kultur weiterleben lassen
"Ich denke, es geht eben nicht nur mir so: Nicht nur ich erlebte den Tod meiner Großmutter und frage mich: Wie kann ich meinen Kindern erklären, wer meine marokkanische Großmutter war? Dafür gibt es nicht genügend Worte, für die Kultur und die Sprache und alles, was zur Großmutter gehörte. Und nicht nur ich, auch die anderen sehen, dass diese Generation ausstirbt und die Sprache und die Kultur in großer Gefahr sind. Und deshalb müssen wir etwas dagegen tun."
Es gehe aber nicht nur darum, die Lieder folkloristisch zu bewahren, sondern sie auch in die heutige Zeit zu integrieren und die Kultur weiterzuleben. So arbeitet Neta deshalb derzeit an ihrem ersten Album mit selbst getexteten arabischen Liedern.