Suche nach Liebe und Schönheit

Sonne, Licht, Hitze, Wind und das Meer: In seinen filigranen Prosatexten, die in den dreißiger und vierziger Jahren entstanden, umkreist Camus die Landschaft seiner Jugend und macht sie zum Ausgangspunkt seines Schreibens.
Dabei verschmilzt der Betrachter förmlich mit seiner Umgebung. Er löst sich auf in den Stimmen, die er hört, nimmt Düfte wahr, berührt Ruinen und Pflanzen mit seinen Händen und will sich die Welt vollständig einverleiben. Im Zentrum steht das sinnliche Erleben: "Sehen! Auf dieser Erde sehen! Wie könnte man diese Lehre vergessen?", heißt es emphatisch.

Die gleißende Helligkeit Algeriens scheint den Kern der Existenz zu bergen. Ähnlich metaphorisch verdichtet ist auch die Schilderung des Schwimmens im Meer – hier wird das Bad zu einem Bild für den Sinn des Daseins und die Notwendigkeit der Liebe. In einem anderen Text ist es der Wind, der den Ich-Erzähler auf sich selbst zurückführt. In dieser Umgebung bestünde eine "Freundschaft mit dem Tode", heißt es weiter. Überhaupt sei Algerien ein Ort, an dem es auf Jugend und einen makellosen Körper ankäme. Die weihevolle Feier physischer Schönheit nehme auch den raschen Verfall in Kauf.

Die Handlung der Prosatexte ist insgesamt äußerst karg. Außer dass der Erzähler Spaziergänge in "dorrender Glut" unternimmt, die Stadt Oran besucht, in Algier die Boulevards hinabschlendert, einen Kaffee trinkt, bei einem Boxkampf zuschaut oder zum Baden geht, passiert nicht viel. In "Heimkehr nach Tipasa" bringt die Rückkehr nach längerer Abwesenheit Ernüchterung mit sich. Die sinnliche Fülle der Jugend ist verloren gegangen und lebt nur noch in der Erinnerung. Gleichzeitig ist die afrikanische Vergangenheit die Voraussetzung für Camus' ewige Suche nach Liebe und Schönheit.

Camus' Prosatexte aus "Hochzeit des Lichts" nehmen in seinem Werk eine Zwischenposition ein: Sie changieren zwischen Tagebucheintragungen, Erzählungen, philosophischen Erörterungen und Reiseberichten. So erinnern die Schilderungen der lichtdurchfluteten Landschaft an die berühmte Szene in Camus' Roman "Der Fremde" (1942), als der Held Mersault am Strand von Algier auf einen Araber schießt und später ohne jede innere Beteiligung vor dem Richter steht.

Ähnlich wie in seinen Theaterstücken und Romanen kreist auch die Prosa um die Fähigkeit des Menschen, Extreme zu ertragen und die Hässlichkeit der Welt in einen Erkenntnismoment umzumünzen - erst dann ist er frei. Gleichzeitig unterstreichen die impressionistischen Beschreibungen den Bezug auf die griechische Mythologie und geben verdeckt auch eine private Seite des Schriftstellers preis.

Albert Camus, der 1940 nach Frankreich übersiedelte, im Widerstand aktiv war, ein Literaturstar wurde und nach dem Krieg neben Sartre zum wichtigsten französischen Intellektuellen aufstieg, hat sich Zeit seines Lebens nach Afrika gesehnt. Er habe immer das Gefühl gehabt, auf hoher See zu leben, heißt es ganz am Ende des Bandes. Dazu passt sein spektakulärer Tod: Camus starb am 4. Januar vor 50 Jahren bei einem Autounfall. Der Fahrer Michel Gallimard war auf vollkommen gerade Strecke gegen einen Baum gerast.

Albert Camus (1913-1960) hat Romane, Theaterstücke, Prosa und philosophische Essays verfasst und gilt als Vertreter des Existenzialismus. In seiner Jugend schwer an Lungentuberkulose erkrankt, war er von einem Schaffensdrang besessen. 1940 ging er von Algerien nach Frankreich, war im Widerstand aktiv, wurde Lektor bei Gallimard und nach Kriegsende einer der herausragenden Intellektuellen der französischen Nachkriegszeit. Er wurde 1957 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Besprochen von Maike Albath


Albert Camus, Hochzeit des Lichts,
Aus dem Französischen von Peter Gan und Monique Lang,
Arche Paradies, Zürich/ Hamburg 2009, 171 Seiten, 16,00 Euro
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