Aufbruch im Norden, Chaos im Süden
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Die Erhöhung der Brotpreise trieb die Sudanesen letzten Sommer auf die Straße. Danach war der Protest nicht mehr aufzuhalten. Gewaltherrscher Omar al-Bashir wurde gestürzt. Jetzt schöpft vor allem die sudanesische Jugend große Hoffnung.
Omar al-Baschir regierte den Sudan 30 Jahre lang mit harter Hand. Krieg, Korruption und Gewalt prägten das Leben von Generationen in dem Land, bis im vergangenen Jahr eine bis dahin kaum wahr genommene Zivilgesellschaft den Umbruch forcierte. Die Erhöhung der Brot- und Treibstoffpreise trieb die Menschen auf die Straße, für viele überraschend beteiligten sich sehr viele Frauen an den Protesten.
Gewaltfreie Aktionen sollen das Militär in die Knie zwingen
Unter dem Druck der Demonstranten musste schließlich das al-Baschir-Regime weichen. Der Diktator sitzt nun im Gefängnis und ein Übergangsrat aus Zivilisten und Militärs regiert das Land. Das ist eine komplizierte Liaison, findet der sudanesische Aktivist und Journalist Mosaab Baba, denn das Militär ist mit dem früheren Machtapparat verstrickt und muss sich früher oder später zurückziehen. Er ist überzeugt davon, dass dies auch gelingt.
"Die Zivilgesellschaft hat erreicht, dass das al-Baschir-Regime gehen musste. Also können die sudanesischen Bürger auch erreichen, dass das Militär aus der Regierung verschwindet, und zwar mit denselben Mitteln, die während der Revolution erfolgreich waren: gewaltfreie, direkte Aktionen, um das Militär dazu zu zwingen, seine Rolle einzunehmen und sich einer zivilen Regierung unterzuordnen."
Zur den wichtigsten Aufgaben in der Zukunft gehört es, die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten und Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. In der Konfliktregion Darfur leben immer noch eine Million Binnenflüchtlinge. Aber Mosaab Baba ist zuversichtlich.
"Es wird seine Zeit dauern. Aber der zivile Flügel der Regierung wird von außen gestützt, von den Bürgern im Sudan, aber auch von Sudanesen in der Diaspora, gut ausgebildete Leute, Politikwissenschaftler, zivilgesellschaftliche Organisationen. Wir alle wollen erleben, wie die Zivilisten in der Regierung ihren Platz nach und nach erobern mit dem Ziel, in drei Jahren demokratische Wahlen abhalten zu können."
Saudi-Arabien rekrutiert Söldner für den Jemen
Der innerafrikanische Zusammenhalt soll gestärkt werden, insbesondere Äthiopien hat eine unterstützende Rolle bei dem demokratischen Umbruch im Sudan gespielt. Saudi-Arabien hingegen hat sich als mächtiger Gegenspieler inszeniert.
"Seit 2014 haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Milizen der Baschir-Regierung legitimiert, weil sie die im Jemen als Kämpfer brauchten. Es wurde viel Geld bezahlt, es fand ein Rekrutierungsprozess statt und nicht nur die Milizen, auch andere Rekruten hatten ein gutes Einkommen. Saudi-Arabien hat keine Armee, die mit Bodentruppen im Jemen kämpfen könnte. Sie benutzen Söldner aus dem Sudan - speziell die Milizen - als Bodentruppen und bombardieren mit ihrer Luftwaffe gleichzeitig von oben. Im Jemen spielt sich ein Menschen gemachtes Desaster ab und leider lassen sich die Sudanesen von den Saudis dafür benutzen."
Saudi-Arabien unterstützt deshalb den militärischen Flügel im Übergangsrat. Auch die wichtige Rolle der Frauen während der sudanesischen Proteste und ihr Platz in der jetztigen Regierung dürfte den beiden Golfstaaten nicht gefallen, so Mosaab Baba.
"Sie waren von Anfang an dabei, in allen Bereichen: Proteste, Strategien, Medien – alles. Sie waren kompromisslos, sie zeigten oft viel mehr Rückgrat als Männer. Das ist in der sudanesischen Kultur schon bedeutsam, wenn also eine Frau zu einem Mann sagt: 'Wieso gehst du nicht für deine Rechte auf die Straße?' Dann fühlt sich der Mann natürlich gekränkt und steht auf. Ich würde sagen, die wichtigste Rolle während der Revolution haben die Frauen gespielt."
Der Südsudan versinkt im Chaos
Während vor allem die Jugend im Sudan wieder Hoffnung schöpft und auch mittels der Sozialen Medien viele Sudanesinnen und Sudanesen in der Diaspora mobilisiert, ist die Situation im Nachbarland Südsudan zum Verzweifeln. Nicht einmal in der Hauptstatt Juba gibt es Trinkwasser und Strom. Der Südsudan hat sich vor fast zehn Jahren vom Sudan losgesagt und wollte ein demokratisches, prosperierendes Land werden, das sich wirtschaftlich durch die Ausbeutung großer Ölvorkommen entwickeln sollte.
Nichts davon ist eingetroffen. Stattdessen bekriegen sich die Südsudanesen untereinander. Allerdings hat die Entwicklung im Norden auch dort Spuren hinterlassen. Die Tatsache, dass das al-Baschir-Regime fortgejagt wurde und nun neue, zivile Kräfte am Regierungstisch sitzen, ist auch für den Südsudan eine positive Nachricht. Denn Omar al-Baschir, so Mosaab Baba, war ein "toxischer Akteur" dort.
"Wir können von einem Land, das seit 70 Jahren mit einem aufgezwungenen Krieg lebt, nicht erwarten, dass es von heute auf morgen den Schalter umlegt und Demokratie und Menschenrechte pflegt. Das konnte ja damals nur schief gehen. Jetzt sind die negativen Akteure weg, nun müssen sich die Südsudanesen zusammensetzen und sich selbst um ihre Angelegenheiten kümmern. Aber ich gehe davon aus, dass sich auch dort die Zivilgesellschaft, die politischen Parteien, die Frauen und die Jugend durchsetzen."