Südafrika

Die neuen Mandelas

Die Zukunft Südafrikas: Jugendliche vor einem Nelson Mandela Porträt in Johannesburg
Die Zukunft Südafrikas: Jugendliche vor einem Nelson Mandela Porträt in Johannesburg © picture alliance / dpa / Foto: Ihsaan Haffejee
Von Leonie March |
Erst kürzlich zu seinem Geburtstag, am 18. Juli, wurde der Verlust Nelson Mandelas den Menschen wieder schmerzlich bewusst. Da Afrika Persönlichkeiten seines Formats fehlen, hat ein Ex-Unternehmensberater eine Schule für die zukünftige Elite des Kontinents gegründet.
"Ich bin Mariam Bahmane. Ich bin 19 Jahre alt. Ich komme aus Marokko."
Mariam Bahmane sitzt mit ihren Mitschülern beim Frühstück in der Kantine. So wie jeder hier sagt sie schon bei der Begrüßung, aus welchem Land sie stammt. Denn auf dieses Internat gehen Jugendliche aus ganz Afrika. Neben Mariam sitzen ein Mädchen aus dem Sudan, Jungen aus Simbabwe und Burkina Faso. Eines haben sie gemeinsam: Jeder von ihnen wurde aus tausenden Bewerbern handverlesen. Über Lehrer, Sozialarbeiter und soziale Netzwerke spürt die "African Leadership Academy" überall auf dem Kontinent besondere Talente auf, erzählt Mariam. Denn gute Noten allein reichen nicht, um hier ein Stipendium zu bekommen.
"Zu den Aufnahmekriterien gehören neben der akademischen Exzellenz auch die Leidenschaft für Afrika, Führungsqualitäten und unternehmerischer Geist. Es wird genau nachgefragt, inwieweit man sich schon für sein Land und seine Landsleute eingesetzt hat. Das war wohl auch bei mir ausschlaggebend. Ich bin sehr gut in der Schule, aber ich habe mich auch schon immer in sozialen Projekten engagiert. Meine besondere Leidenschaft gilt dem Umweltschutz."
Überall enormes Potenzial
Nach dem Frühstück beeilt sich Mariam, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Von der Kantine führt ein überdachter Weg rund um eine Rasenfläche zu den Klassenzimmern, den Wohnblocks und dem Verwaltungsgebäude. Im ersten Stock sitzt der Gründer der Akademie, Fred Swaniker vor seinem Laptop. Sorgfältig gebügeltes Hemd, kahl geschorener Kopf, erstaunlich jung. Mit 37 hat der Ghanaer einen beeindruckenden Lebenslauf: Studium in den USA, Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey in mehreren afrikanischen Ländern. Dabei ist mir überall enormes Potenzial aufgefallen, betont Swaniker, leider aber auch ein Mangel visionärer Führungspersönlichkeiten.
"Wir brauchen Führungspersönlichkeiten in allen Bereichen, um Afrika grundlegend zu verändern. Wissenschaftler und Forscher, die innovative Lösungen im Kampf gegen Malaria entwickeln. Politiker, die als die neuen Nelson Mandelas für Frieden, Stabilität, Demokratie und Menschenrechte sorgen. Unternehmer, die erfolgreiche Konzerne gründen - afrikanische Googles und Microsofts - die Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Um unsere Vision zu erfüllen sind also nicht nur politische Führungskräfte nötig."
Ein Gebäude weiter sitzen sechzehn dieser künftigen Führungskräfte im Kreis. In der Mitte steht eine junge blonde Lehrerin aus den USA und stellt die Aufgabe der nächsten Tage vor. Viele Schüler haben in ihrer Heimat Bürgerkriege, Vertreibung und Hunger erlebt. Nun sollen sie aufschreiben, welche Hürden sie schon überwunden haben, welche Motivation sie antreibt und welches Ziel sie erreichen möchten. Gemeinsam entwickelt die Klasse Ideen. Frontalunterricht ist hier ein Fremdwort. Und auch der Lehrplan unterscheidet sich von gewöhnlichen Schulen, sagt Mariam.
"Jeden Tag stehen Unternehmens- und Führungsseminare sowie afrikanische Studien auf dem Stundenplan. Das ist das Besondere hier. Wir lernen nicht nur theoretische Grundlagen in einzelnen Fächern, sondern entwickeln auch Modelle praktischer Umsetzung und beschäftigen uns viel mit Wertesystemen und Ethik. Es geht nicht in erster Linie darum, die richtige Antwort zu finden, sondern darum, die Vielschichtigkeit zu verstehen. Wir beschäftigen uns mit den komplizierten Problemen unseres Kontinents und bekommen das Rüstzeug, sie auch zu lösen. Es ist also eine sehr umfassende Ausbildung."
Konferenz an der Harvard Universität
Am Nachmittag versammelt sich die gesamte Akademie in der Aula: Schüler und Lehrer, auch Gründer Fred Swaniker ist gekommen. Eine Gruppe erzählt von einer Konferenz an der Harvard Universität. Andere stellen ein kleines Unternehmen vor, das sie gerade gegründet haben. Auch das wird hier erwartet, erzählt Mariam Bahmane.
"Ich habe die Organisation NAKI gegründet, die dabei helfen soll, afrikanische Dörfer mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Ich habe ein eigenes System zur Wasseraufbereitung entwickelt und Dorfbewohnern in Marokko gezeigt, wie sie es nutzen können. Nach dem Studium würde ich gern in meine Heimat zurückkehren und dieses Projekt weiter entwickeln."
Eine Schülerin tritt aufs Podium und stimmt ein Lied an. Denn auch für Kreativität soll hier trotz des straffen Zeitplans Platz sein. Ihre Stimme erfüllt die Aula mit einem Gefühl der Hoffnung. In ein paar Wochen wird Mariam's Klasse ihren internationalen Schulabschluss machen. Die meisten gehen anschließend zum Studium ins Ausland. Danach aber müssen sie auf den Kontinent zurückkehren und mindestens zehn Jahre bleiben, erklärt Fred Swaniker. Das ist die Bedingung für das Stipendium an der "African Leadership Academy".
"Es liegt an den Afrikaner selbst, ihren Kontinent voranzubringen. Entwicklungshilfe und ausländische Investitionen mögen helfen, aber am Ende liegt es in den Händen unserer Politiker und Unternehmer, für Wohlstand und Stabilität zu sorgen. Unsere jungen Nachwuchstalente hier bringen viel Mut und Ideen mit. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie sich untereinander kennen. Das wird im Endeffekt zu mehr Frieden beitragen. Man führt keinen Krieg mit seinem Nachbarn, wenn man ihn noch aus der Schule kennt. Bei Konflikten können sich Staatspräsidenten einfach anrufen und das Problem beilegen, statt in den Krieg zu ziehen."
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