Die Ausstellung "Of Gods, Rainbows and Omissions" (Über Götter, Regenbögen und Auslassungen) ist in London im Somerset House zu sehen.
Ein skurriles Königreich
05:22 Minuten
Er erfindet Länder und benennt sie nach Marihuana-Marken. Der südafrikanische Künstler Athi-Patra Ruga begegnet den Problemen seiner Heimat mit Humor. Sein Königreich kann man in der Londoner Ausstellung "Of Gods, Rainbows and Omissions" erkunden.
Der Künstler Athi-Patra Ruga führt die Autorin Natalie Klinger durch seine Ausstellung.
Natalie Klinger: "Take me to Azania and tell me what it's like there!"
Athi-Patra Ruga: "Yes, let's start here!"
"Hätte ich vielleicht ein Visum gebraucht, um ins Königreich von Azania einzureisen?"
"You don't need a visa."
Okay. Erst mal orientieren. Wir bleiben vor einem Wandteppich stehen. Eine Landkarte, bunte Flicken markieren die Länder von Azania: Ich entdecke Palästina, viel größer als das stark geschrumpfte Somalia, aber auch Staaten, die sich mir gar nicht erschließen.
"Uganda habe ich in Sodom umbenannt, weil Homophobie dort noch immer Teil des Systems ist. Ein anderes Land habe ich Bubba Kush getauft, in Anlehnung an das antike Reich von Kusch, aber Bubba Kush ist auch meine Lieblings-Marihuana-Marke."
Schon Rugas Eltern träumten von einem Azania, damals, als sie mit dem Pan Africanist Congress gegen die Apartheid demonstrierten. Als die 1994 endete, war Athi-Patra Ruga zehn. Als schwuler Jugendlicher merkte er bald, dass für Menschen wie ihn im Mythos vom vereinten Südafrika kein Platz vorgesehen war.
"Aber auch für Frauen. Oder die LGBTQI-Gemeinde allgemein. Mit meiner Version von Azania will ich ihre Geschichten und ihre Mythen enthüllen."
Frauen dominieren das Bild
Frauen, die Femmes, sie dominieren das Bild im matriarchalischen Azania. Ruga richtet das Weibliche zum Angriff.
"Tupierte Haare, rote Lippen, der weibliche Körper als Waffe."
Ihre Anführerin lässt sich selten ohne Zebras blicken, denen nach einem nuklearen Disaster Säbelzähne gewachsen sind.
Anspielungen auf die Jahre der Apartheid
In der Szene eines Wandteppichs trägt "The Versatile Queen Ivy" eine königliche Robe, gestickt aus antikem, metallischem Garn und wird von ihrer weiblichen Gefolgschaft auf Patmos Island umjubelt. Es ist eine Anspielung auf Robben Island, die Insel, auf der Nelson Mandela während der Apartheid jahrelang gefangen war, wie auch viele andere Politiker, die noch immer im Parlament sitzen. Nur Männer, keine Frauen. Das ist gefährlich, meint Ruga.
"In dem Moment, in dem dir klar wird, dass du nicht Teil der Geschichte deines Landes bist, wirst du anfälliger für Angriffe auf dein Selbstbewusstsein von außen."
Vielleicht hat die versatile Queen Ivy deswegen lieber gleich das Exil gewählt, als ein System zu navigieren, in dem sie Männern untergeordnet ist. Und so wohnt dem Mythos eine Tragik inne, die noch dadurch verstärkt wird, dass Ruga selbst immer wieder in seinen Charakteren durchscheint.
Eine Figur heißt "Lebende Wunde"
Am deutlichsten verschmelzen persönliches Schicksal und nationales Trauma in einer Figur. Die "Lebende Wunde" ist bis ins Gesicht bandagiert. Südafrika wird heute so genannt, weil viele Mörder aus der Zeit der Apartheid straffrei blieben, wenn sie im Gegenzug vor der Aufklärungskommission aussagten. Aber für Ruga geht es auch um die Demütigungen, die er am eigenen Leibe erfahren hat:
"Ich wurde gezwungen, Rugby zu spielen, zu reiten und zu schießen, um meine Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Deswegen habe ich diesen bandagierten Charakter erschaffen: Manchmal ist das Trauma so überwältigend, dass mein ganzer Körper schmerzt, so als wäre alles entzündet."
Diese bitterernsten Realitäten versteckt Ruga spielerisch hinter Humor, von Marihuana-Ländernamen bis zu Luftballon-Körpern und tuntiger Seifenoperästhetik.
"Warum mag ich diese vielen Farben? Weil es einen erst mal zum Lächeln bringt. Und dann zum Nachdenken. 'Hier muss doch was falsch sein!' Das ist das Schöne am Schein der Utopie."
Damit meint Ruga die Regenbogennation Südafrika, die als erstes Land der Welt Diskriminierung wegen sexueller Orientierung in seiner Verfassung verbot. Mit seiner Kunst will Ruga aber vor Selbstzufriedenheit warnen.
"Wir klopfen uns auf die Schulter, weil wir glauben, wir hätten alles erreicht. Obama ist dafür ein gutes Beispiel: Wie erklären wir nach dieser Logik Trump?"
Ist es also doch noch ein weiter Weg nach Azania? Ruga widerspricht:
"Azania existiert heute, jetzt, in deinem Herzen und deiner Seele. Azania ist deine Reaktion auf Unterdrückung. Wenn jemand dir hinterherpfeift oder dich beschimpft, beschwörst du Azania herauf und es kann dir nicht mehr so viel anhaben."