Südafrikanischer Künstler William Kentridge

Die Welt - auseinandergenommen und zusammengesetzt

04:37 Minuten
Der südafrikanische Künstler William Kentridge vor seinem Werk "Sophiatown". Das Kunstmuseum Basel zeigt hier seine Ausstellung "A Poem That Is Not Our Own".
Kentridge im bewährten Outfit vor "Sophiatown", benannt nach einem ethnisch diversen Stadtteil, den das Apartheidregime 1963 abreißen ließ © picture alliance / Keystone/Georgios Kefalas
Von Jana Genth |
Audio herunterladen
Die Kunst des Südafrikaners William Kentridge nimmt weiße wie schwarze Eliten seines Heimatlandes aufs Korn. Kentridge spricht vom "wahnwitzigen politischen Strudel Südafrikas". Er hat sich aber fürs Bleiben in der Heimat entschieden.
Buschige, hellgraue Augenbrauen, die Haare fast weiß und kaum frisiert – William Kentridge wirkt wenig eitel, wohl aber wie eine ganz eigene Marke. Er taucht immer in schwarzer Hose und im weißen Hemd auf, auf seiner Nase eine Brille ohne Bügel festgeklemmt. Auch wenn er über ernste Themen redet, wirkt er doch immer auch ein bisschen spitzbübisch. Der 64-Jährige hat sich seinen Ruf als Querdenker lange erarbeitet.
"Einige Leute bezeichnen mich als politischen Künstler, und politische Künstler sagen, ich wäre keiner. Ich interessiere mich für die eindeutige Politik und dafür, wie etwas Eindeutiges aufhetzen kann, für den notdürftigen und zerbrechlichen Ansatz, dieser Welt Sinn zu geben. Das beinhaltet sicherlich Politik. Mir liegt nicht daran, bestimmte politische Grundsätze zu veranschaulichen, vielmehr aber deren vorübergehenden Charakter."

Ein unbequemer Künstler

Doch er hat schon oft zugegeben, dass Kunst auch eine politische Rolle hat. So hat William Kentridge zwar inzwischen ein hohes Ansehen, aber dafür hat er schon einige Menschen vor den Kopf gestoßen.
Betrachterin vor William Kentridges Bild "Head (Orange)"
"Head (Orange)" von William Kentridge© picture alliance / Photoshot
Im Laufe seiner Karriere hat er sowohl schwarze als auch weiße Eliten auf die Schippe genommen, er hat sich mit Kolonialgeschichte und der Apartheid beschäftigt. Seine Installationen und Filme werden auf allen Kontinenten ausgestellt und gezeigt, aber sie entstehen in seinem Studio in Johannesburg.

Der "Kompressor" beschäftigt sich in einer Serie damit, "wo Kunst noch wehtut". Provokation, Tabubruch, Schock: All das kann, soll Kunst vielleicht auch auslösen. Aber womit kann man überhaupt noch schocken? Ist ein Tabubruch überhaupt noch möglich, in einer Zeit, in der alle Grenzen ausgetestet zu sein scheinen? Unsere Korrespondenten und Autoren porträtieren Künstlerinnen und Künstler, die in ihrem jeweiligen Heimatland für Diskussionsstoff sorgen.

In Ruhe sortiert William Kentridge seine Zeichnungen mit Holzkohle. Die Ideen dafür, erzählt er, bekomme er ganz einfach: "Man lädt die Welt ins Studio ein, dann nimmt man sie auseinander, dann setzt man sie auf ganz verschiedene Weise wieder zusammen und schickt das wieder raus in die Welt."

Kreuzverhör beim Abendessen

Kentridge wirkt bodenständig, obwohl er Künstler ist. So ganz zufällig ist das nicht, sagt er selbst. Schließlich waren seine Eltern Anwälte. Beide hatten sich für die eingesetzt, die während der Rassentrennung in Südafrika keine Stimme hatten. Sein Vater Sydney hatte Nelson Mandela vertreten, Erzbischof Desmond Tutu und die Familie von Steve Biko.
"Dass ich Künstler bin, hängt damit zusammen, dass meine Eltern Anwälte waren, nämlich der Welt einen Sinn zu geben, der dem Kreuzverhör beim Abendessen standhalten kann, ganz ohne Logik und Rationalität – und trotzdem eine rationale Sicht der Welt zu bekommen. Ich bin sicher, das war wichtig."
Betrachterin vor William Kentridges animierter Landschaft "More Sweetly Play The Dance" im Cincinatti Art Museum
Kentridges animierte Landschaft "More Sweetly Play The Dance"© picture alliance / AP Photo/John Minchillo
Kentridge hat auch Filme gemacht, viele drehen sich um die Politik in Südafrika. Viele Geschichten sind in den Bergbaugebieten rund um Johannesburg angesiedelt, genau dort, wo sich Ungerechtigkeiten und Ausbeutung abgespielt haben. Der Künstler legt gern den Finger in die Wunde. Das gehe am besten, wenn er in Johannesburg lebe und arbeite, sagte er vor kurzem in einem Fernsehinterview:
"Es ist nicht so, dass ich beschlossen hätte, mich hier niederzulassen. Ich habe entschieden, den Ort nicht zu verlassen, an dem ich bin, an dem ich war und wo ich herkomme. Obwohl es oft wie eine gute Idee schien, nicht in diesem wahnwitzigen politischen Strudel Südafrikas zu sein. Aber ich habe grundlegend verstanden, dass die Verbindung zu den Menschen hier auch meine Verbindung zur Welt ist. Denn diese Stadt ist selbst eine Inspiration. Für mich ist das wertvoll, und deshalb bin ich all die Jahre hier geblieben."

Nicht von allen geliebt, aber respektiert

In Südafrika wird Kentridge nicht von allen geliebt, aber doch von allen respektiert. Nicht zuletzt, weil er auch die Welt über den Kontinent aufklärt, so wie bei einem Vortrag in den USA, wo er die Geschichte Afrikas erzählt. Der echte William Kentridge erzählt auf der Bühne, und im Hintergrund auf der Leinwand läuft eine Collage von vier weiteren Versionen des William Kentridge. Weil die Geschichte des Kontinentes so vielfältig ist, erzählt jeder der fünf eine andere Variante, und das gleichzeitig – bis zum Ende der Geschichte.
Mehr zum Thema