Südkoreanische Bienennester an der Alster

Von Anette Schneider |
Das Ergebnis einer abenteuerlichen Reise ist im Kunstverein Hamburg zu sehen. Lange mussten die Hanseaten nach den südkoreanischen Künstlern suchen, die jetzt ihre Werke ausstellen. Präsentiert werden große Collagen, Keramiken und Selbstbildnisse.
"Ja, das ist eine lustige Geschichte, weil: Obwohl Busan eine sehr große Stadt ist, ist es nicht so einfach, zeitgenössische Künstler-Innen vor Ort zu finden. Wir haben sehr viele Ateliers und Studios besucht, auch Galerien. Aber speziell in Busan sind die traditionellen Ebenen noch sehr stark. Deswegen sind wir auch viele Tage von unseren Guides umgefahren (worden), und haben fast hunderte von Ateliers besucht, und haben eigentlich diese Künstler-Innen, die wir ausstellen, fast durch Zufall entdeckt."

Erinnert sich Martijn van Dyk, der die Ausstellung kuratierte. Immer wieder fuhr er mit der Leiterin des Busaner Kunstzentrums und Kunstvereinsleiter Florian Waldvogel durch die Millionenmetropole - doch was ihnen die Busaner Kollegen vorschlugen, entsprach so gar nicht ihren Vorstellungen. Traditionelles Handwerk sei das gewesen, so Florian Waldvogel. Keramik. Teeservice hoch und runter. Dazu traditionelle Malerei.

"Es gab ein großes Missverständnis zwischen dem, was wir eigentlich dort sehen wollten, und dem, was man uns gezeigt hat."

Ein Missverständnis, das sich auch nicht einfach ausräumen ließ. Denn das riesengroße Problem sei gewesen ...

"Dass keiner Englisch spricht! Also Frau Oh, die uns rumgefahren hat, spricht gar kein Englisch, spricht kein Deutsch, und es war eigentlich im Endeffekt, wie soll man sagen: So ein positives Missverständnis. Wir haben immer versucht, etwas zu erklären. Frau Oh hat die ganze Zeit gelacht."

Dass man nun dennoch Arbeiten von sechs meist jungen, sehr unterschiedlichen Künstlerinnen zu sehen bekommt, ist also alles andere als selbstverständlich. Gleichsam als Basis der Ausstellung begrüßt den Besucher allerdings erst einmal eine Fotoserie des fast 80-jährigen Fotografen Min-Shik Choi’s. 1960, wenige Jahre nach dem Koreakrieg und der Gründung Südkoreas, hielt er den Alltag auf einem riesigen Fischmarkt fest.

Längst gibt es solche Märkte nicht mehr, und auch das gemeinschaftliche Leben ist zerstört: Binnen 50 Jahren - davon fast die Hälfte als Militärdiktatur - wurde Südkorea durch international agierende Unternehmen zu einem boomenden Industriestaat. Die Folgen, die das für Mensch und Gesellschaft hat, treibt fast alle der Künstlerinnen um:

"I have a lot of rabbits. Rabbit symbolized people, modern people. They lost there dreams."

Die 19 Jährige Ji Young Song steht vor einer ihrer knallbunten Keramikarbeiten: In einem kleinen, pinkfarbenen Pavillon drängen sich weiße Kaninchen. Die bunte Konsumwelt als Gefängnis des modernen Menschen, der nur noch an Arbeit und Geld denkt.

"So this is: modern people, and they are in prison, about busy life."

Auch Arum Chun formuliert ihr Unbehagen gegenüber den gesellschaftlich vorherrschenden Werten. In einer Reihe von Selbstbildnissen sieht man die 3o-jährige, wie sie sich in einen sehr langen, geflochtenen Zopf hüllt, wie in einen schützenden Mantel. Der Verweis auf den traditionellen Zopf wird so zu einer Rückbesinnung auf andere, menschlichere Werte.

Ein Stück weiter hängt eine große Collage, in der Won-Jeong Yang den Widerspruch zwischen glitzernder, moderner Geschäftswelt und der Sehnsucht nach einem Leben in der Natur thematisiert. Und Doo Im Son lässt Formen aus Keramik von der Decke hängen, die an Bienen- und Wespennester erinnern - und damit an ihre immer arbeitenden Landsleute.

Alle Ausstellungsteilnehmerinnen erzählen, wie schwer es sei, sich in ihrem Land als Künstler bzw. Künstlerin zu behaupten. Die meisten würden bald nach dem Studium wieder aufgeben, so Ji Young Song:

"Es ist sehr schwierig, Ausstellungen zu organisieren, oder Arbeiten zu verkaufen. Es ist schwieriger, als in anderen Ländern. In Europa, oder in Deutschland gibt es ein viel größeres Interesse an Kunst. Das fehlt bei uns, das ist der Unterschied."

So waren es wirklich glückliche Zufälle, durch die Martijn van Dyjk und Florian Waldvogel auf die Künstlerinnen stießen. Doo im Song mit ihren Wespennestern entdeckten sie z.B. in einem winzigen Laden eines riesigen Marktes. Über den Fotografen stolperten sie, als irgendwo im Dunkeln eine Ausstellung von ihm aufgebaut wurde. Und Ji Young Song ...

"... die saß einmal halt zufällig bei uns. Und dann haben wir sie gefragt, was sie macht. Dann hat sie gesagt, "Ja, Keramik", und dann haben wir sie am nächsten Tag in ihrem Atelier besucht. Da standen wir da in so einer Trabantenstadt, riesige Hochhäuser. Und dann stand da so ein Mädchen in einem "Hello Kitty-Outfit" mit Hasenöhrchen, in pinkfarbenem Outfit."

Womit Ji Young Song - so darf man angesichts ihrer bonbonfarbenen konsum- und gesellschaftskritischen Keramiken vermuten - den Gästen aus Deutschland ironisch sämtliche Klischees über Südkora vorführte. Bleibt zu hoffen, dass dieses abenteuerliche Projekt fortgesetzt wird - in welcher Form auch immer.