Südsee-Abteilung des Ethnologischen Museums

Neuinszenierung im Berliner Humboldt-Forum

Boote der Bewohner von Südseeinseln stehen in der großen Bootshalle der Südsee-Abteilung des Ethnologischen Museums in Berlin.
Boote der Bewohner von Südseeinseln stehen in der großen Bootshalle der Südsee-Abteilung des Ethnologischen Museums in Berlin. © picture alliance / ZB / Jan Woitas
Von Jochen Stöckmann |
Im Martin-Gropius-Bau ist gegenwärtig die Ausstellung "Tanz der Ahnen. Kunst vom Sepik in Papua-Neuguinea" zu sehen. Ab 2019 werden viele der Objekte im Humboldt-Forum des neuen Berliner Schlosses präsentiert. Aber wie?
Ein ganzes Dutzend Südsee-Boote, vom Einbaum bis zum Katamaran, sind im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem zu sehen. Mehr noch: der Besucher kann die eindrucksvollen Objekte umrunden, sie regelrecht begreifen. Demnächst soll die Flotte, deren prächtigsten Stücke derzeit den Parcours der "Sepik"-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau anführen, für immer ins Humboldt-Forum umsiedeln. Aber dort, in dem ursprünglich als Schloss-Replik, nicht als Museum geplanten Gebäude, muss erst einmal eine Zwischendecke herausgerissen, muss Platz geschaffen werden. Um schließlich einige Boote an die Wand zu nageln. Aber ganz gleich, ob die Südsee-Sammlung damit am Ende besser oder schlechter dasteht – sie wird auf jeden Fall anders präsentiert. Kuratorin Dorothea Deterts:
"Es sind ja die vier großen Boote, dazu kommen noch zwei kleine, auf dem Boden. Und da ist dann auszuwählen, welche Boote wir an die Wand bringen – weil Boote natürlich keine Untersicht haben, das ist nicht der Sinn eines Bootes. Sondern es ist mehr von oben zu sehen, das ist auch schöner anzuschauen."
Der ästhetische, der heutige Schau- und nicht der einstige Gebrauchswert bestimmt die Präsentation von Objekten wie geschnitzte Schalen, federgeschmückte Paddel, geflochtene Taschen. Das alles kündigt Museumsdirektorin Viola König im Katalog-Vorwort als "Werke von allerhöchstem künstlerischem Rang" an. Während der Archäologe Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bei einer gemeinsamen Reise durch Sammlungen und Museen der Herkunftsländer eine grundlegend andere Betrachtung kennenlernte:
"Als wir dann ins Museum, ins Depot gingen, hat der Museumsdirektor uns gesagt: Die Dinge, die wir haben, da ist nichts älter als ein halbes Jahrhundert. Gottseidank, dass ihr in Europa das gesammelt habt. Das waren Ritualobjekte, und wenn sie anfingen kaputtzugehen, hat man sie regelrecht entsorgt."
Museen laufen den Ferntouristen hinterher
Vorbild für Berlin ist das Pariser Musée du Quai Branly. Der Neubau wurde 2006 komplett bestückt aus den Beständen des Musée de l’homme, wo bis dahin eine eher wissenschaftliche, an der Darstellung von Kontexten und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen orientierte Sichtweise dominierte. Nun werden die herausgeklaubten, attraktivsten Stücke präsentiert als Kunstobjekte: Nicht berühren, aber dafür gibt es digitale Infos, Akustik-Guide etc. So laufen Museen den Ferntouristen hinterher, denen in HD-Fernsehdokumentationen ohnehin exotische Gegenden und fremde Kulturen mundgerecht ins Wohnzimmer geliefert werden. Oder suchen sie an Attraktivität zu übertrumpfen mit der ungewöhnlichen Architektur von Jean Nouvel.
Am Quai du Branly geht es also im Gegensatz zum nunmehr leider völlig bedeutungslosen Musée de l’homme – vergleichbar den künftig ihrer Sammlungen entledigten Museen in Dahlem –um die Befriedigung der Schaulust mit kostbaren Artefakten und aufwendigen Videoanimationen.
Aus den Dahlemer Beständen wurde nun für die "Sepik"-Ausstellung eine kunstvoll geschnitzte Holzsäule ausgewählt – sie diente als Ständer für die Trophäen jener Kopfjagd, der erst die Kolonialherren ein Ende bereiteten. Überfälle aus benachbarten Dörfern, so liest man im Wandtext, konnten jederzeit geschehen. Aber Ziel dieser Kriegszüge sei nicht die Vernichtung der Feinde gewesen, sondern nur das Abtrennen ihrer Köpfe. Darüber wäre zu reden, nüchtern zu streiten, statt solche – wissenschaftlich verbürgten – Tatbestände in verquast volkspädagogischer Absicht zu übergehen wie Hermann Parzinger, der vom Humboldt-Forum erwartet:
Zivilisatorische Leistungen erkennen
"Dass man zivilisatorische Leistungen auch dort erkennt, wo sie einem bisher noch nicht bewusst gewesen sind. Und ich glaube, dass das ganz, ganz wichtig ist, um durch das vermehrte Wissen auch gegenüber fremden Kulturen einfach mehr Respekt und am Ende auch Toleranz zu entwickeln."
Das "Wissen", die von der Sache her nun einmal "langatmigen" Erläuterungen, werden geschrumpft zu bedenkenlos aktualisierenden Vergleichen, wie sie Viola König, die Direktorin des Ethnologischen Museums, mit Blick auf mexikanische Hieroglyphen anstellt:
"Mir ist dann aufgefallen, bei diesen inhaltschweren Bilder in diesen Hieroglyphentexten, dass wir eigentlich so etwas ganz Ähnliches tagtäglich haben zum Beispiel mit unseren Smartphones und mit diesen Apps, mit diesen Bildchen, die eine unglaubliche inhaltliche Tiefe haben."
Bei all dieser oberflächlichen Formel- und Phrasenhaftigkeit zur konkreten Ausgestaltung der Museen im Humboldt-Forum, nimmt es dann kaum noch Wunder, was aus dem Publikum der Initiator der "Sepik"-Ausstellung berichtet, der mittlerweile pensionierte Kurator der Südsee-Abteilung Markus Schindlbeck:
"Dass man die Gelegenheit dieser 'Sepi'k-Ausstellung genutzt hat, um auf diesen Schloss-Umzug hinzuweisen, was ich wunderbar finde – auch wenn die staatlichen Museen diese 'Sepik'-Ausstellung nicht wollten: Die staatlichen Museen haben ohne Argumente, ohne Diskussion damals die Ausstellung abgelehnt."
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